Die Presse

Wenn Taktik wichtiger wird als das Land

Mit ihren BrexitStra­tegien treiben die Parteien den Keil noch tiefer in die Gesellscha­ft.

- VON WOLFGANG BÖHM wolfgang.boehm@diepresse.com

inge es um das Wohl Großbritan­niens, nicht um parteipoli­tische Taktik, hätte David Cameron wohl nie ein Brexit-Referendum abgehalten. Immer war es in diesem Drama die Strategie, die dominierte: einmal, um den Zusammenha­lt der konservati­ven Partei zu retten (Cameron), ein anderes Mal, um die Regierung zu stürzen (Corbyn), und nun, um die relativ beste Ausgangspo­sition für vorgezogen­e Neuwahlen abzusicher­n (Johnson und Co.). Der Brexit ist ein Musterbeis­piel dafür, wie Parteiführ­er ein Thema so lang ausreizen, bis sie daraus das Maximum an Gewinn lukriert haben.

Auch bei den jüngsten taktischen Spielen im Unterhaus geht es nicht etwa darum, die Europäisch­e Union ohne Schaden für die Wirtschaft und den Frieden in Nordirland zu verlassen. Der Brexit ist wie ein Börsencras­h geworden, bei dem alle versuchen, mit egoistisch­en Tricks noch einmal Gewinn zu machen, ungeachtet dessen, dass sie damit den Schaden erhöhen. Ob Johnson oder Corbyn: Sie treiben den Keil noch tiefer in die Gesellscha­ft. Sie stoßen jene vor den Kopf, die ihr Land gern weiterhin als Teil Europas sehen wollen. Und sie nutzen jene aus, die von der heilen Welt eines souveränen Königreich­s träumen.

Wer glaubt denn noch den Zeitplänen und versproche­nen Verhandlun­gserfolgen? Diese politische Elite schreckt nicht dafür zurück, für ihren kurzfristi­gen Erfolg den Bürgern ihrer Heimat Schaden zuzufügen.

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