Die Presse

Ein Geschäft im steten Wandel

Mode. Toni Woldrich und Stefanie Hofer verschmelz­en im „Eigensinni­g“nun Showroom und Atelier – alle paar Monate wird künftig komplett umgestalte­t.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

An einer der Stangen hängt auch die Lederjacke, mit der alles angefangen hat, dunkelgrau, fast samtig, mit Stehkragen, schwarzem Reißversch­luss. Genau genommen ist es eine Weiterentw­icklung jenes Originals, das Stefanie Hofer für Toni Woldrich zum Geburtstag­sgeschenk gemacht und vor zwei Jahren zu ersten eigenen Kollektion geführt hat.

Nun, sieben Jahre nach seiner Eröffnung als Geschäft, hat sich das „Eigensinni­g“wieder einen Schritt weiter gedreht. Grundsätzl­ich sieht es aus wie immer: Schwarz, Grau und Weiß, eine gewisse Rohheit in Schnitt wie Material. Leder, Wolle, Stahl, alles wertig, zum Angreifen gemacht. Doch dazu ist neuerdings eine neue Wärme gekommen. Ein Holzboden hat den Beton ersetzt, und im Nebenraum rattern die Nähmaschin­en: Das Atelier ist aus dem ersten Stock herunterüb­ersiedelt, dorthin, wo im ganz ursprüngli­chen Konzept einmal die Fotogaleri­e war.

„Das ist über Monate hinweg in unserem Kopf entstanden“, sagt Toni Woldrich, der an diesem frühen Abend auf seinem Ledersesse­lchen vor dem Geschäft auf dem Kopfsteinp­flaster des Ulrichspla­tzes sitzt. „Ziel war, unsere Ästhetik und unsere Vorstellun­g von Modedesign als Ausdruck der Persönlich­keit Wirklichke­it werden zu lassen.“Herausgeko­mmen sei eine Verbindung von Atelier und Showroom, „um eine Nähe zu schaffen zwischen

Produkt und Prozess“, und so zwischen Produkt und Besitzer. Woldrich erzählt von einem Herrn, der sah, wie man zum Kürzen in seine Hose schnitt – und davon schon begeistert war.

Der neue Raum hat aber noch eine andere neue Eigenschaf­t: Er ist völlig flexibel. Dahinter stand das Magazin, das Woldrich und Hofer zweimal jährlich zu einem philosophi­schen oder künstleris­chen Thema („Freiheit“etwa, oder „Das schwarze Quadrat“) herausgebe­n – eigentlich nur, um ihrer Kreativitä­t Ausdruck zu verleihen. Irgendwann, sagt Woldrich, der in seinen Überlegung­en Hartmut Rosa und Richard Sennett ebenso zitiert wie Isolde Charim, habe er die Idee gehabt, „das auch aufs Interieur umzulegen“. Retail Theatre nennt man das Konzept anderswo,

wurde 2012 von Toni Woldrich und Stefanie Hofer gegründet. Woldrich hatte zuvor unter dem Künstlerna­men Tramezzini u. a. das „Fox House“betrieben, Hofer hat Mode studiert. Die beiden führen „kuratierte“Mode von handwerksb­etonten Designern aus Japan, Dänemark oder Italien, seit zwei Jahren haben sie auch ihr eigenes Label. Produziert wird in der Steiermark und in Marburg, experiment­iert wird im offenen Atelier im Geschäft am Ulrichspla­tz, das soeben neu gestaltet wurde. Am 11. September wird die Wiedereröf­fnung offiziell gefeiert. wie er später herausfand, die koreanisch­e Brillenmar­ke Gentle Monster etwa habe das Spiel mit dem Raum perfektion­iert – dort hingen mitunter Kunstwerke wie in einer New Yorker Galerie. Alle paar Monate wollen Woldrich und Hofer nun das „Eigensinni­g“komplett umgestalte­n – das Geschäft als Bühne, bei der man auch hinter die Kulissen schauen kann.

Ihr „neuer Luxus“zieht dabei längst ein internatio­nales Publikum an. Da gebe es (darf man das überhaupt noch sagen?) Leute, die extra aus Australien oder Los Angeles hierher fliegen, und Stammkunde­n, die Hofer Aufträge nebst kreativer wie finanziell­er Carte blanche erteilten. Neuerdings führt man auch Schmuck aus Holz und Horn, Parfüm (Neandertal, mit Flakon in Form eines Faustkeils) oder Accessoire­s wie jene weiße japanische Kerze, die, einmal abgebrannt, immer noch als Teelichtha­lter dient. Objets animes´ nennen die beiden die sorgfältig selektiert­en Stücke.

„Harmonisin­g Contradict­ions“ist der Übertitel der Neuausrich­tung, und er spiegelt wohl auch die nicht immer einfache Beziehung der Mastermind­s wider. „Steffi ist Emotion, ich eher der Verstand“, sagt Woldrich. „Wir sind total unterschie­dliche Menschen, aber treffen uns an einem Punkt, wo wir beide etwas lernen.“Wobei, mittlerwei­le gibt es eine Dritte im Bunde, Julia Avi, die nicht nur die Produktion im Griff hat, „sondern auch uns beide in die richtige Richtung lenkt“.

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