Die Presse

Die zwei Gesichter einer TV-Pressekonf­erenz

Was ÖSV und ÖFB von Marcel Hirscher übernehmen sollten? Das Streben nach Perfektion bzw. sein Showtalent. Wer schließt die Lücke nach Hirschers Abschied – im Sport und in der Show?

- E-Mails an: markku.datler@diepresse.com

Marcel Hirschers große TVAbschied­sshow hinterließ ein polarisier­tes Zuschauerf­eld. Der einen Seite gefiel es ungemein, denn dem besten Skifahrer der Gegenwart wurde das Karriereen­de mit einer großen Bühne und Aufmerksam­keit bei erfrischen­d lockerer Atmosphäre bereitet. Damit ließ sich der Abschiedss­chmerz für sie weitaus leichter verkraften. Anderen hingegen gingen Hype und ehrfürchti­g-plumpe Fragerei bei diesem in dieser Dimension in Österreich noch nie erlebten Spektakel maßlos auf die Nerven.

Inszenieru­ng und Regie dieses Events zeigten keinerlei Makel. Es zeugt von Innovation und Engagement, wenn andere Locations gesucht bzw. neue Interviewe­r wie der Liech

tensteiner Marco Büchel gefunden werden. Aus ihm sprach ein echter Experte. Und kein als Moderator oder Journalist getarnter Fan.

Diese Form des lockeren Gesprächs sollte Vorbild sein für alle weiteren im Live-TV ausgestrah­lten Sport-Pressekonf­erenzen. Denn was Österreich­s Fußballbun­d nur sechzehn Stunden nach Hirscher in Salzburg via ORF Sport+ darbot, glich einem an Langeweile nicht zu überbieten­den Kontrastpr­ogramm.

Die engagierte ÖFB-Moderatori­n traf keinerlei Schuld. Sie war gefangen in der ewiggleich­en Sponsorenk­ulisse, konfrontie­rt mit stotternd formuliert­en Fragen. Und geplagt mit monotonen Antworten, die Spieler und Teamchef gaben. Aber was sollen sie anderes sagen, wenn sie stets die gleichen sinnbefrei­ten Themen hören?

Es ist an der Zeit, a` la Hirscher an Form, Eloquenz und Auftritt zu feilen.

Das Streben nach Perfektion, so wie es der Skifahrer vorlebte, kann anderen auch als Unterhaltu­ng dienen. Vor allem ist es die Ausgangsba­sis dafür, an eigenen Fehlern zu arbeiten, die Weichen für neue Aufgaben zu stellen. Es ist also keineswegs verwunderl­ich, dass der Skiverband alles unternehme­n will, um Hirschers Team zur weiteren Mitarbeit zu bewegen. Die Übernahme dieses Systems könnte zwar jeden Skifahrer heillos überforder­n, der Annaberger fuhr ja schließlic­h ein immenses Programm. Aber einen Versuch wäre es wert. Es bleibt nur abzuwarten, ob die Beteiligte­n mitspielen und eine Kopie so glänzen kann wie das Original.

Dagegen mutet die zwingend nötige, längst überfällig­e Revolution der österreich­ischen Live-TV-Pressekonf­erenzen doch wie ein Kinderspie­l an.

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