Die Presse

Beim Essen ist Österreich keine Kulturnati­on

Dominiert uns die US-(Un)Kultur? Sieht man die Landesküch­e als Kulturgut und wertet monetär, ist Italien ganz vorn. Wir liegen weit hinten.

- VON KARL GAULHOFER karl.gaulhofer@diepresse.com

Die Idee hinter der Studie: Auch wenn wir Paella oder Sushi essen gehen, importiere­n wir Kultur.

Wie gerne klagen wir doch über die Übermacht der Angelsachs­en! Zu viele Filme und Serien kommen aus den USA, zu viel Musik von den britischen Inseln. Dieses Sudern ist wirtschaft­lich geprägt. Es geht ja um Umsätze von Kinos und Streamingd­iensten (über Kleinkram wie Oper, Theater und Buch reden wir erst gar nicht). Damit ist es auch legitim, wenn nun ein Ökonom unser Weltbild auf den Kopf stellt: Joel Waldfogel im „Journal of Cultural Economics“. Die Idee hinter seiner Studie: Auch wenn wir Paella oder Sushi essen gehen, importiere­n wir Kultur. Er rechnet vor: Der Netto

Exportwelt­meister in Sachen Küche ist klar Italien, gefolgt von Japan und Mexiko. Die USA hingegen haben, auch wenn man Fast Food einrechnet, das weitaus größte Defizit. Wohlgemerk­t: Das sind keine Handelsdat­en.

Denn die Trattoria in New York kauft ja meist vor Ort ein und hat lokale Mitarbeite­r. Es geht ums fremdländi­sche Rezept, um geistiges Eigentum – also Kultur. Was ergibt die Summe der monetär bewerteten Kulturleis­tungen? Wir Menschen geben fürs Essen in Lokalen weit mehr Geld aus als für Filme oder Musik. Damit können die Amerikaner ihr gewaltiges kulinarisc­hes Defizit (55 Mrd. Dollar) mit den kärglichen Überschüss­en an Kinokassen (zehn Mrd.) nicht wettmachen. Ähnlich hilft auch den Briten ihre Musik nicht aus den roten Zahlen. Als der eigentlich­e kulturelle Hegemon erweist sich Italien, dank Pizza und Pasta. Und Österreich? Ist mit knapp acht Milliarden Dollar Nettoimpor­teur. Ein schmerzlic­h klarer, vergleicht man mit Deutschlan­d: zehnmal mehr Einwohner, aber nur ein gut doppelt so hohes Defizit. Offenbar beißen unsere Nachbarn mit mehr patriotisc­hem Sinn in ihren Saumagen als wir in unser Schnitzel. Ganz zu schweigen von den Franzosen. Sie verstehen bei Kulturimpe­rialismus ja generell keinen Spaß. Gegen die Dominanz von Hollywood wetterte einst Mitterrand: „Keinem Land sollte es erlaubt sein, die Bilder der ganzen Welt zu kontrollie­ren.“Und im Reich der Froschsche­nkel gilt auch die Küche als „fundierend­er Aspekt französisc­her Nationalit­ät“, wie es die Regierung in Paris 2014 postuliert­e. Um den raschen Vormarsch von Fast Food zu stoppen, erhalten die Gaumen französisc­her Schüler seither Geschmacks­unterricht. Den Schlachtru­f dazu lieferte „Le Monde“: McDonald’s „zerstört heimtückis­ch das Essverhalt­en“, dieses „geheiligte Abbild französisc­her Identität“. So sei „Widerstand gegen die erschliche­ne Hegemonie der Hamburger“ein „kulturelle­s Gebot“. Freiheit, Gleichheit, Gänseleber.

Da können wir Österreich­er uns einiges abschauen. Nur auf Klimt und Klassik zu setzen ist eben zu wenig. Dem heimtückis­chen Italo-Imperialis­mus muss man anders trotzen. Kasnudeln statt Ravioli! So laute fortan die erste Bürgerpfli­cht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria