Staatsoper: Eine mutige Retterin für Verdis „Traviata“
Saisoneröffnung mit Ekaterina Siurina als spontaner Einspringerin.
Dramatische Szenen hinter der Bühne schilderte Direktor Dominique Meyer zu Beginn: Irina Lungu, die vorgesehene Traviata, habe beim Einsingen 20 Minuten vor Beginn keine Stimme vorgefunden. Zum Glück sei aber mit dem als Alfredo engagierten Charles Castronovo auch dessen Ehefrau mit angereist, die Sopranistin Ekaterina Siurina – und die nötige Einspringerin war gefunden. 20 weitere Minuten Verzögerung für Kostüm, Maske und Auffrischung der Inszenierungdetails (Siurina hatte die Partie schon vor einem halben Jahr hier verkörpert), und schon stürzte sich die mutige Russin mit Verve ins Lieben und Leiden von Verdis Edelkurtisane . . .
Dass der Abend selbst weniger dramatisch ausfiel, lag jedenfalls nicht an ihr. Ihre Stimme kommt von der zarteren Seite, glänzt weniger in den verzierten Teilen (ohne hohes Es) als in schön formulierten Pianophrasen, doch verfügt über die nötigen Reserven. Castronovo brauchte dagegen eine Weile, um aus dem stimmlich allzu dunklen, etwas angestrengten Beginn herauszufinden: Wieder einmal hörte man, wie undankbar die Partie ist, wenn ein Tenor nicht sofort mit betörendem Belcanto-Schmelz punkten kann. Solcher ist auch bei Thomas Hampson schon Mangelware. Gewiss spielt er den Padre Germont eindrucksvoll zwischen Herablassung und Ekel, Gewalt und später Reue. Aber die oft forcierte, flache Höhe fällt aus seinem liedhaft empfundenen Vortrag unangenehm heraus. Giampaolo Bisanti hat mit dem Orchester hörbar geprobt, war aber oft damit beschäftigt, selbst hervorgerufene Unklarheiten zwischen Graben und Bühne mit großer Gestik wieder auszubügeln. (wawe)