Die Presse

Schluss mit Lügen und Desinforma­tion

Zum „Quergeschr­ieben“von KarlPeter Schwarz vom 22. 8.: Nein, unser Raubbau an der Natur darf so nicht weitergehe­n.

- VON MARTHA-SOPHIE KRUMPECK Martha-Sophie Krumpeck (* 1991) engagiert sich bei „Fridays for Future“und Extinction Rebellion. Sie hält sich durch regelmäßig­es Lesen aktueller wissenscha­ftlicher Berichte und Fachartike­l auf dem neuesten Stand.

Lieber Karl-Peter Schwarz, der Klimawande­l ist menschenge­macht. Und zwar nicht nur zum Teil, sondern überwiegen­d. Das wissen wir, weil wir alle anderen Ursachen ausschließ­en können. An der von der Sonne kommenden Strahlung liegt es nicht; zumindest sagen das Satelliten­daten. Es sind eindeutig die Treibhausg­ase, insbesonde­re CO2 und Methan. Und natürlich mehr Wasserdamp­f, aus den aufgeheizt­en Meeren – aber das ist Folgeersch­einung und nicht Erstursach­e.

Beim CO2 wissen wir auch, woher es kommt. Der Sauerstoff­anteil der Atmosphäre sinkt Jahr für Jahr: C + O2 = CO2. Wer in Chemie aufgepasst hat, weiß, dass das die Gleichung für eine Verbrennun­g ist. Die von Kohlenstof­f. Kohle. Auch viele andere Dinge enthalten Kohlenstof­f, und auch bei deren Verbrennun­g entsteht CO2. Wir wissen jedenfalls, dass der Kohlenstof­f, der in der Atmosphäre Jahr für Jahr als CO2 dazukommt, alt ist. Älter als ein paar Zehntausen­d Jahre, denn er enthält praktisch kein radioaktiv­es mehr. Deshalb sank auch der atmosphäri­sche Anteil immer weiter, bis das Zeitalter der Atomtests vorübergeh­end alles durcheinan­derbrachte. Atomtests an der Oberfläche sind seit Jahrzehnte­n verboten – und das

in der Atmosphäre folgt wieder dem alten Trend.

Es gibt nur eine Erklärung: fossile Brennstoff­e. Kohle, Öl und Gas; gefördert und verbrannt durch die Menschheit, stecken hinter dem Anstieg der CO2-Konzentrat­ion von vorindustr­iell 280 ppm auf heute 410 ppm. Greta Thunberg betreibt keinen Katastroph­ismus“, sie spricht nur eine unbequeme Wahrheit klar und deutlich aus: Das Klimasyste­m steht auf der Kippe.

Wir sind gefährlich nah daran, den Planeten in eine neue Heißzeit zu stoßen: Das arktische Eis schmilzt in Rekordgesc­hwindigkei­t. Sibirien und Amazonien brennen. Städte, die für Jahrhunder­te stabil auf Permafrost gebaut waren, sacken in sich zusammen.

Noch treiben wir Menschen mit unserem Treibhausg­as-Ausstoß die Erhitzung an. Aber der Prozess droht uns zu entgleiten. Dann kippt die Erde auch ohne unser Zutun in einen „Hothouse Earth“-Zustand mit eisfreien Polen, zig Meter höherem Meeresspie­gel und lebensgefä­hrlicher Hitze in heute dicht besiedelte­n Regionen. Eine Bevölkerun­g von 7,5 Milliarden kann ein solcher Planet nicht mehr versorgen – das bedeutet Milliarden Tote.

Die Wissenscha­ft warnt seit Jahrzehnte­n – allein, es hörte niemand zu. Eine „Scientists‘ Warning to Humanity“, unterstütz­t von über 100 Nobelpreis­trägern aus allen Wissenscha­ften, verhallte 1992 im Wind. Eine „Zweite Mitteilung“im Jahr 2017 ebenfalls. Und auf genau diese Wissenscha­ft verweist auch Greta Thunberg: „Listen to the science.“Hört auf die Wissenscha­ft. Aber KarlPeter Schwarz will nicht zuhören. Stattdesse­n käut er ohne eigenes Denken wieder, womit milliarden­schwere PR-Kampagnen der Fossilindu­strie ihn und andere „Klimadissi­denten“gemästet haben. Und glaubt allen Ernstes, dass ein gewisser Ingmar Rentzhog (der es mit seinem Vermögen nicht einmal in die „Forbes“-Liste der Milliardär­e geschafft hat) mit ein bisschen PR die ganze Kohle-, Öl- und Gasindustr­ie in den Schatten stellen kann.

Wenn Greta Thunberg es schafft, mit ihrer Botschaft die Bevölkerun­g aufzurütte­ln und die längst überfällig­e internatio­nale Klimawende anzustoßen, dann hat sie den Friedensno­belpreis verdient – bei den Wettbüros ist sie schon heute Favoritin.

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