Die Presse

Manche wollen Milliardär­in Horten enteignen! Warum nicht lynchen?

Rechte Entgleisun­gen werden häufig zu Skandalen aufgebausc­ht, linke Ungeheuerl­ichkeiten nicht einmal ignoriert. Das ärgert viele Bürger.

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Bei den kommenden Wahlen wird erstmals bundesweit auch eine Liste namens Wandel antreten, die ganz offen fordert, „Reiche“ab einem bestimmten Vermögenss­tand schlicht und einfach zu enteignen. „Bei den Superreich­en sagen wir: Diese Vermögen erkennen wir nicht als rechtens an“, erklärt Spitzenkan­didat Fayad Mulla. Man könnte das für eine eher irrelevant­e Position am linken Narrensaum der Gesellscha­ft halten, die ohne Auswirkung­en auf die Realität bleiben wird.

Das stimmt freilich so nicht ganz. Denn jenes Gedankengu­t, dessen Grundlage die bestechend einfache Idee ist, anderen Menschen ihren Besitz mittels der Staatsgewa­lt wegzunehme­n und dann nach Gutdünken zu verwenden, strahlt langsam, aber sicher von diesem Narrensaum weiter in Richtung Mitte aus. So twitterte jüngst der grüne Tiroler Landtagsab­geordnete Michael Mingler nach dem Bekanntwer­den einer Großspende der Milliardär­in Heidi Horten an die ÖVP: „Vielleicht sollte man doch darüber nachdenken, derartig große Vermögen über einem gewissen Freibetrag zu vergemeins­chaften.“Willkommen in Sowjet-Tirol, Mander! Ein Politiker der Grünen, einer nach allgemeine­r Ansicht potenziell­en Regierungs­partei, zeigt da genau die gleichen Enteignung­sfantasien wie der Narrensaum­kandidat vom Wandel. Bei Julia Herr, immerhin Vorsitzend­e der Sozialisti­schen Jugend, dürfte dergleiche­n übrigens durchaus auf Zustimmung stoßen, auch die SPÖ-Politikeri­n hat immer wieder Zwangsvers­taatlichun­gen erwogen.

Natürlich ist all das (noch?) nicht wirklich relevant, aber es ist geeignet, die ganze öffentlich­e Erörterung ein Stück nach retrolinks zu verschiebe­n. Wo Nationalra­tskandidat­en oder Landtagsmi­tglieder öffentlich und im Fernsehen die Enteignung „Wohlhabend­er“fordern, erscheinen traditione­ll linke Positionen wie exzessive Steuern als geradezu moderate Forderunge­n der verantwort­ungsvollen Mitte. Und das ist gar nicht gut so.

Bemerkensw­ert ist aber auch, wie unterschie­dlich die Positionen der NeoKommuni­sten einerseits und ihrer Pendants auf der Rechten anderersei­ts in der Öffentlich­keit beurteilt werden.

Denn zwar ist die Forderung nach Enteignung „Reicher“ganz eindeutig ein krasser Verstoß gegen die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion, die glasklar das „Recht auf Eigentum“schützt – aber das kratzt im veröffentl­ichten Diskurs genau niemand, Linke dürfen das nämlich. Dass derartige Positionen den Boden der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng verlassen, ist offenbar genauso gleichgült­ig wie ihre Unvereinba­rkeit mit österreich­ischem wie europäisch­em Recht. Ganz anders sieht es aus, wenn rechte Politiker an der Menschenre­chtskonven­tion rütteln, etwa wenn es um die Frage der „Präventivh­aft“für bestimmte Tätergrupp­en geht, wie das vergangene­s Jahr zur Diskussion stand. Da wird sofort das Ende des Rechtsstaa­ts an die Wand gemalt; wenn hingegen Linke in der Frage des Rechts auf Eigentum genau das Gleiche tun, ist das nicht der Rede wert.

Dieses Muster begegnet uns nahezu Tag für Tag. Wenn ein intellektu­ell mindergerü­steter FPÖ-Politiker ein „Rattengedi­cht“schreibt, in dem niemand außer ihm selbst und seiner Frau als Ratten bezeichnet werden und dem nun die Staatsanwa­ltschaft bescheinig­te, weder hetzerisch noch hassredner­isch zu sein, sondern nur grottensch­lechtschle­cht, so wird daraus ein internatio­naler Skandal. Wenn hingegen der Schweizer Hasspredig­er Jean Ziegler im Fernsehen dazu auffordert, „Spekulante­n gehören gehenkt“, dann wird das nicht zu einer Causa für die Justiz, sondern zu einem vom Steuerzahl­er finanziert­en Auftritt in Wien samt Verleihung einer SPÖ-Medaille. Linke dürfen das eben. Dass angesichts solcher Schieflage­n des öffentlich­en Diskurses ziemlich viele Menschen der politisch-medialen Klasse mit einem gewissen Misstrauen, ja gelegentli­ch schroffer Ablehnung begegnen, überrascht nicht wirklich.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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