Heiße Wochen für Siemens und Co.
Die Finanzmärkte spielen verrückt: Der DAX-Konzern Siemens erhält Geld für die Aufnahme von Schulden. Auch andere Unternehmen drängen verstärkt auf den Anleihenmarkt.
Auf den Anleihenmärkten geht es bereits seit einiger Zeit rund. Das viele billige Geld, gepaart mit großer Unsicherheit (Handelskonflikte, Rezessionsängste), bringt Investoren dazu, vermehrt zu Staatspapieren zu greifen. Aber nicht nur. Sondern auch für Unternehmen ist der Anleihenmarkt in den vergangenen Jahren immer interessanter geworden. Besonders nach der Finanzkrise, als sich Banken weigerten, Kredite zu gewähren.
Im anhaltenden Niedrigzinsumfeld dürften die Unternehmen ihre Entscheidung wohl kaum bereut haben. Schon gar nicht, wenn sie mit ihren Schulden Geld verdienen. So geschehen bei Siemens. Der deutsche Industriekonzern teilte am gestrigen Freitag mit, Anleihen im Volumen von 3,5 Mrd. Euro teilweise mit negativen Renditen ausgegeben zu haben. Der DAXKonzern ging mit vier Laufzeiten zwischen zwei und 15 Jahren in den Markt. Für die zwei- und fünfjährigen Papiere erhielten die Münchner Geld, für die übrigen Bonds zahlten sie. Nicht nur überstieg die Nachfrage das Angebot um das Vierfache. Sondern Siemens konnte sich nach Angaben des Finanzchefs auch noch zu rekordniedrigen Konditionen refinanzieren.
Der September gilt nach der Sommerpause als traditionell starker Monat auf den Kapitalmärkten. Diesmal könnte er aber hervorstechen. Schon in der Vorwoche ging es auf den europäischen Bondmärkten nämlich so geschäftig zu wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr, sagt Experte Georg Nitzlader von der Raiffeisen KAG.
Neben Siemens haben auch Wirecard oder Continental den Markt angezapft. Daten der Agentur Bloomberg zufolge dürfte das Emissionsvolumen neuer Anleihen heuer damit früher als jemals zuvor die Schwelle von einer Billion Euro überschreiten. „Die Bedingungen sind so gut wie nie, das nutzen die Firmen aus“, sagt Nitzlader.
Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA herrschte dieser Tage reges Treiben. Allein am Dienstag verkauften rund 20 Unternehmen Papiere im Volumen von 27 Mrd. Dollar. Das Geschäft von einer Woche ging diesmal binnen eines Tages über die Bühne, wie es Andrew Karp von der Bank of America formulierte. Auch tags darauf standen rund 20 weitere Firmen mit Platzierungen in den Startlöchern, teils zapften sie den Markt erstmals nach einer längeren Pause wieder an. So wie Apple. Der iPhone-Hersteller war dort zuletzt 2017 aktiv. Theoretisch brauchte Apple gar kein Geld vom Kapitalmarkt, da man mit über 200 Mrd. Dollar an Cashreserven als einer der reichsten Konzerne der Welt gilt. Dennoch verschuldete man sich unter anderem für die Dauer von 30 Jahren (zu rund drei Prozent), ebenso wie Deere oder Walt Disney.
Im Europa sind solche langen Zeitspannen im Bereich der Firmenanleihen eher unüblich, aber durchaus vorhanden (z. B. Orange). Das hat laut Raiffeisen-Experte Nitzlader zum einen mit dem tieferen US-Kapitalmarkt zu tun, zum anderen mit einer anders strukturierten Altersvorsorge, die hauptsächlich von Pensionsfonds geschultert wird.
In Europa hat sich in den vergangenen Monaten sowohl bei Staatsanleihen als auch bei Firmenanleihen ein Renditeverfall bemerkbar gemacht. Durchschnittlich erhalten Anleger für sichere Papiere derzeit 0,25 Prozent (ohne Finanzwerte), zu Jahresbeginn waren es 1,25 Prozent. Was man noch merkte: Firmen mit schlechterer Bonität gerieten in der jüngeren Vergangenheit eher unter Druck. Die Ausfallraten sind aber – noch – gering.