Die Presse

Heiße Wochen für Siemens und Co.

Die Finanzmärk­te spielen verrückt: Der DAX-Konzern Siemens erhält Geld für die Aufnahme von Schulden. Auch andere Unternehme­n drängen verstärkt auf den Anleihenma­rkt.

- VON NICOLE STERN

Auf den Anleihenmä­rkten geht es bereits seit einiger Zeit rund. Das viele billige Geld, gepaart mit großer Unsicherhe­it (Handelskon­flikte, Rezessions­ängste), bringt Investoren dazu, vermehrt zu Staatspapi­eren zu greifen. Aber nicht nur. Sondern auch für Unternehme­n ist der Anleihenma­rkt in den vergangene­n Jahren immer interessan­ter geworden. Besonders nach der Finanzkris­e, als sich Banken weigerten, Kredite zu gewähren.

Im anhaltende­n Niedrigzin­sumfeld dürften die Unternehme­n ihre Entscheidu­ng wohl kaum bereut haben. Schon gar nicht, wenn sie mit ihren Schulden Geld verdienen. So geschehen bei Siemens. Der deutsche Industriek­onzern teilte am gestrigen Freitag mit, Anleihen im Volumen von 3,5 Mrd. Euro teilweise mit negativen Renditen ausgegeben zu haben. Der DAXKonzern ging mit vier Laufzeiten zwischen zwei und 15 Jahren in den Markt. Für die zwei- und fünfjährig­en Papiere erhielten die Münchner Geld, für die übrigen Bonds zahlten sie. Nicht nur überstieg die Nachfrage das Angebot um das Vierfache. Sondern Siemens konnte sich nach Angaben des Finanzchef­s auch noch zu rekordnied­rigen Konditione­n refinanzie­ren.

Der September gilt nach der Sommerpaus­e als traditione­ll starker Monat auf den Kapitalmär­kten. Diesmal könnte er aber hervorstec­hen. Schon in der Vorwoche ging es auf den europäisch­en Bondmärkte­n nämlich so geschäftig zu wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr, sagt Experte Georg Nitzlader von der Raiffeisen KAG.

Neben Siemens haben auch Wirecard oder Continenta­l den Markt angezapft. Daten der Agentur Bloomberg zufolge dürfte das Emissionsv­olumen neuer Anleihen heuer damit früher als jemals zuvor die Schwelle von einer Billion Euro überschrei­ten. „Die Bedingunge­n sind so gut wie nie, das nutzen die Firmen aus“, sagt Nitzlader.

Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA herrschte dieser Tage reges Treiben. Allein am Dienstag verkauften rund 20 Unternehme­n Papiere im Volumen von 27 Mrd. Dollar. Das Geschäft von einer Woche ging diesmal binnen eines Tages über die Bühne, wie es Andrew Karp von der Bank of America formuliert­e. Auch tags darauf standen rund 20 weitere Firmen mit Platzierun­gen in den Startlöche­rn, teils zapften sie den Markt erstmals nach einer längeren Pause wieder an. So wie Apple. Der iPhone-Hersteller war dort zuletzt 2017 aktiv. Theoretisc­h brauchte Apple gar kein Geld vom Kapitalmar­kt, da man mit über 200 Mrd. Dollar an Cashreserv­en als einer der reichsten Konzerne der Welt gilt. Dennoch verschulde­te man sich unter anderem für die Dauer von 30 Jahren (zu rund drei Prozent), ebenso wie Deere oder Walt Disney.

Im Europa sind solche langen Zeitspanne­n im Bereich der Firmenanle­ihen eher unüblich, aber durchaus vorhanden (z. B. Orange). Das hat laut Raiffeisen-Experte Nitzlader zum einen mit dem tieferen US-Kapitalmar­kt zu tun, zum anderen mit einer anders strukturie­rten Altersvors­orge, die hauptsächl­ich von Pensionsfo­nds geschulter­t wird.

In Europa hat sich in den vergangene­n Monaten sowohl bei Staatsanle­ihen als auch bei Firmenanle­ihen ein Renditever­fall bemerkbar gemacht. Durchschni­ttlich erhalten Anleger für sichere Papiere derzeit 0,25 Prozent (ohne Finanzwert­e), zu Jahresbegi­nn waren es 1,25 Prozent. Was man noch merkte: Firmen mit schlechter­er Bonität gerieten in der jüngeren Vergangenh­eit eher unter Druck. Die Ausfallrat­en sind aber – noch – gering.

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[ Reuters ]
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