Lauschangriff auf die kleine Kibali
Das Elefantenbaby Kibali im Tiergarten Schönbrunn gibt immer mehr Laute ab, die auch jenen der Mutter ähneln. Ihre Erforschung ist wichtig, um das Leben von Afrikanischen Elefanten in freier Wildbahn zu verstehen.
Keinem menschlichen Neugeborenen wird in Österreich so viel mediale Aufmerksamkeit entgegengebracht wie den Tierbabys im Schönbrunner Zoo. Der größte kleine Star ist derzeit Kibali: Das Elefantenmädchen wurde am 14. Juli geboren, seine Mutter ist die 27-jährige Elefantenkuh Numbi, die seit 2009 in Schönbrunn lebt. Seit dem Tag ihrer Geburt wird Kibali aber nicht nur von den Medien begleitet, sondern auch von der Wissenschaft. Denn die Elefantenforscher der Uni Wien ließen sich diese Chance nicht entgehen, die Kommunikation des Neugeborenen mit seiner Mutter in den ersten Lebenswochen bis hin zum ersten Geburtstag zu untersuchen.
Der Masterstudent Christopher Gorofsky beobachtet fast täglich das Verhalten der Tiere. Dabei nimmt er mit Spezialmikrofonen, die auch den für Elefanten wichtigen Infraschallbereich unter 20 Hertz registrieren, die Kommunikation von Mutter und Kind auf. Am Anfang gab Kibali kaum Laute von sich. Bald aber hörte der Forscher eine Art Grunzen, wenn das Baby bei der Mutter trinken wollte. Inzwischen nimmt die Kommunikation und die Vielfalt der Laute zu, und auch die Mutter hat ihr Verhalten schon angepasst: War sie anfangs noch übervorsichtig im Beschützen des Babys, ist sie nach zwei Monaten schon entspannter, „eigentlich wie jede Mama“, sagt Angela Stöger-Horwath, die die Forschergruppe am Department für Kognitionsbiologie leitet und selbst zwei Kinder hat.
Die Ergebnisse des „Lauschangriffs“auf Kibali und Numbi fließen in das Projekt „Die funktionelle Relevanz von vokalem Lernen bei Elefanten“ein, das vom Wissenschaftsfonds FWF noch bis 2021 finanziert wird. Eine wichtige Frage ist, ob und wie sich die Laute des Jungtieres an die seiner Mutter angleichen, damit sich die Familie in einer großen Herde wiederfindet und erkennt. Ähnliches ist bereits von Schwertwalen, Seelöwen und Robben bekannt, die in riesigen Kolonien leben: Mutter und Kind entwickeln eine für sie typische Kommunikation, um sich nicht zu verlieren. „Bei Elefanten konnte das bisher noch nicht gezeigt werden. Im Freiland kommen wir nicht nahe genug heran für so detaillierte Aufnahmen“, sagt Stöger-Horwath. Doch im Tiergarten erhoffen sich die Forscher Einblicke in die Anpassung der kindlichen an die mütterliche „Sprache“.
„Da wir nicht mit Mäusen, sondern mit der Entwicklung von Elefanten arbeiten, dauert es viel länger, bis man genug Ergebnisse hat.“In Wien entsteht die erste Datensammlung der „frühen MutterKind-Kommunikation bei Afrikanischen Elefanten“, weitere Aufnahmen sollen aus Zoos in Deutschland folgen, in denen die nächsten Elefantenbabys zur Welt kommen werden. „Dass Elefanten Laute imitieren können, haben wir schon früher gezeigt“, sagt StögerHorwath. Berühmtheit erlangte Calimero, ein Afrikanischer Elefant, der 18 Jahre im Basler Zoo zwischen Asiatischen Elefanten lebte. Stöger entdeckte, dass er das asiatische Lautrepertoire angenommen hatte. Ein anderer Elefant in Kenia gab plötzlich Töne von sich, die wie ein Lastwagen klangen, weil er in Hörweite einer Autobahn gehalten wurde. „2012 fiel uns Koshik auf: Der Asiatische Elefant in Korea konnte einige Wörter auf Koreanisch nachmachen, also menschliche Sprache imitieren“, so Stöger-Horwath.
Diese außergewöhnlichen Imitationen wurden jedoch in unnatürlichen Umgebungen beobachtet – bei Elefanten in menschlicher Haltung. „Wir wollen herausfinden, wozu das Nachmachen von Lauten in freier Wildbahn dient“, sagt Stöger-Horwath. Denn Elefanten imitieren vermutlich nicht zum Spaß Lastwagen und Menschen.
„Es tun sich einige Theorien auf. Das Naheliegendste ist, dass Elefanten in ihrer Herde Dialekte entwickeln, die zeigen, dass man dazugehört.“Junge lernen also von den Alten, wie man sich in dieser
haben durch den Rüssel den längsten Vokaltrakt aller Landsäugetiere, was zu tiefen Resonanzfrequenzen führt. Die häufigste Lautäußerung klingt wie tiefes Grollen und heißt „Rumble“: Darin steckt z. B. Information über Größe und Alter des Tieres. Bei Männchen, die mit rund 7000 Kilo doppelt so schwer wie Weibchen sind, liegen die Laute im tiefen Infraschallbereich, bei acht bis zehn Hertz Grundfrequenz. Die Rumble-Laute von Kibali haben 50 bis 80 Hz und liegen teils auch im hörbaren Bereich (400 Hz).
„Elefanten erkennen die Laute von anderen Artgenossen sehr gut“, sagt Angela Stöger-Horwath. In Playback-Experimenten hat ihr Team bereits gezeigt, dass die Tiere auf Tonaufnahmen von ihnen bekannten Elefanten anders reagieren als auf Tonaufnahmen von Elefanten, denen sie noch nie begegnet sind. Bei diesen aufwendigen Versuchen werden die Elefantenstimmen mit riesigen Subwoofer-Lautsprechern in der Savanne abgespielt, die tiefste Töne unter der Hörschwelle des Menschen übertragen können.
„Wir wissen, dass diese Laute bis zu 2,5 Kilometer weit von Elefanten gehört und verstanden werden.“Die Experimente zeigten, dass Elefantenweibchen positiver auf Weibchen ihrer eigenen Familie reagieren. Wohingegen Elefantenbullen – im Tierreich darf man sagen „typisch männlich“– eher Interesse an Weibchen zeigen, die sich für sie fremd anhören. „Unsere Frage ist nun: Erkennen die Tiere die einzelnen Individuen an der Stimme, oder reagieren sie nur auf den Dialekt der eigenen Herde oder der eigenen Population“, sagt Stöger-Horwath.