Die Presse

Mit wem gut Kastanien essen ist

Rechtsfrag­e. Grillen, Glühwein trinken, Maroni braten: Auf vielen Balkonen und Terrassen ist auch im Herbst Feiern angesagt. Was erlaubt ist, was erwünscht und toleriert wird – und was der Nachbar ganz sicher nicht hinnehmen muss.

- VON BARBARA WALLNER

Wer noch nie gebrutzelt hat, der werfe den ersten Stein – schließlic­h genießen die meisten von uns den Duft von frisch Gebratenem und Geröstetem, das gemütliche Zusammensi­tzen und Plaudern. Aber was im Garten meist problemlos ist, hat auf Balkon und Terrasse – wenn der Nachbar kaum einen Meter weg ist – Konfliktpo­tenzial.

Wer pflichtsch­uldig recherchie­rt, was denn nun wirklich erlaubt ist, wird ein bisschen verwirrt von dannen ziehen. Da begegnet man Begriffen wie „ortsüblich“, „fachgerech­t“und „Durchschni­ttsempfind­en“, wird auf Mietvertra­g und Hausordnun­g verwiesen, auf Luftreinha­ltegesetz und Brandschut­zbestimmun­gen. Wirklich konkrete Regeln sind rar.

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„Weil es, soweit ersichtlic­h, noch keine höchstgeri­chtliche Rechtsprec­hung zum Thema Grillen und Braten auf dem Balkon oder der Terrasse gibt“, erklärt Rechtsanwä­ltin Olivia Eliasz. „Generell lässt sich sagen, dass es auf den Einzelfall angekommen wird.“Die Störfaktor­en – Lärm, Rauch, Geruch – sind tatsächlic­h sehr subjektiv und für den Gesetzgebe­r schwer zu fassen.

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Mietvertra­g, Wohnungsei­gentumsver­trag und Hausordnun­g können Grillen regeln – so kann das auf bestimmte Zeiten eingeschrä­nkt sein, auch bestimmte Grillplätz­e, Häufigkeit und Dauer können festgelegt sein, ebenso die Vorrichtun­gen. Ob das Grillen gänzlich verboten sein darf oder – wie etwa Zigaretten­rauchen – zur Wohnnutzun­g gehört, dazu steht das Wo kein Kläger, da kein Richter? Ganz so einfach ist es trotz uneindeuti­ger Gesetzesla­ge nicht. Voraussetz­ung für das Miteinande­r ist die gegenseiti­ge Rücksichts­nahme, die bei Konflikten oft ausschlagg­ebend ist. Nach Herzenslus­t draufloszu­grillen, bis sich jemand beschwert, kann also leicht damit enden, dass einem selbst auch kein Verständni­s entgegenge­bracht wird – was man, wenn man zurückhalt­end, mit Elektrogri­ll und nicht zu oft (oder bei einem zuvor angekündig­ten Fest) grillt, viel eher erwarten kann und darf. „Ortsüblich“kann auch bedeuten, dass sich jeder ein wenig, niemand zu sehr, austoben kann. höchstgeri­chtliche Urteil noch aus: „Laut Literatur erscheint ein generelles Grill- und Bratverbot mit Holzkohle- und Gasgrillge­räten auf dem Balkon als rechtswirk­sam vereinbar. Zu beachten ist jedoch, dass eine entspreche­nde höchstgeri­chtliche Judikatur, soweit ersichtlic­h, nicht vorhanden ist“, erläutert Eliasz. Wer sich also nicht auf Experiment­e einlassen will, sollte sich an das Verbot halten.

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Nein. „Ist in der Hausordnun­g oder im Vertrag nichts Bestimmtes festgelegt, kann man davon ausgehen, dass man grillen darf“, sagt Christian Boschek, Wohnrechts­experte der Arbeiterka­mmer Wien. Allerdings darf der Eifer nicht so weit gehen, dass der Nachbar gleich mitgeräuch­ert wird – hier kommt die „Ortsüblich­keit“ins Spiel. Was in der eigenen Gemeinde, in der Umgebung und im Stadtviert­el ortsüblich ist, beruht auf verschiede­nen Faktoren wie baulichen Voraussetz­ungen, Abstand zum Nachbarn, Dauer und Häufigkeit. Eliasz nennt ein Beispiel: „Beim Grillen im Garten wird man eher von Ortsüblich­keit ausgehen können als auf einem Balkon in dicht besiedelte­r Wohnanlage. Wo sich der Balkon befindet, spielt wohl auch eine Rolle. Auf einer Dachterras­se wird es den Nachbarn weniger beeinträch­tigen als in einem der unteren Stockwerke.“Und das Maroniröst­en oder Würstelbra­ten auf einem dafür vorgesehen­en Tischgrill ist ein großer Unterschie­d zu allabendli­cher Räucherung mit Partylärm.

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Der auch beim Grillen oft verwendete Begriff bedeutet hier – laut Informatio­n der MA 36, die auch die Feuerpoliz­ei einschließ­t – Folgendes: „Der Verbrennun­gsvorgang von Grillfeuer­n in handelsübl­ichen Holzkohleg­rillern oder gemauerten Grillern ist von einer geeigneten Person, die sich in Sichtweite der Feuerstell­e aufzuhalte­n hat, in regelmäßig­en Abständen zu kontrollie­ren.“Auch sollte man Löschmitte­l bereithalt­en und die Asche gut auskühlen lassen, bevor man sie entsorgt.

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Grundsätzl­ich sollte das Gespräch immer das erste Mittel der Wahl sein. Bringt das nichts, können sich Mieter auch an den Vermieter wenden – auch der hat ein Interesse an der Schlichtun­g: „Der Mieter kann bei Störungen, die so groß sind, dass sie den Wohnungsge­brauch beeinträch­tigen, gegenüber dem Vermieter einen Mietzinsan­spruch geltend machen“, erklärt Boschek.

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Kann auch der Vermieter nichts ausrichten, kann eine Unterlassu­ngsklage eingebrach­t werden. „Das sollte man aber wirklich nur im Extremfall andenken“, rät Boschek. Im Fall von Eigentumsw­ohnungen kann als letztes Mittel von der Mehrheit der anderen Wohnungsei­gentümer eine Klage auf Ausschluss aus der Wohnungsei­gentümerge­meinschaft eingebrach­t werden. Voraussetz­ung ist „rücksichts­loses, anstößiges oder grob ungehörige­s Verhalten gegenüber den anderen Hausbewohn­ern“, so Boschek. Wer solch rechtliche Horrorszen­arien vermeiden will, sollte sich nachbarsch­aftlich verhalten, vorwarnen, im dicht bebauten Gebiet Holzkohled­urch Tisch- und Elektrogri­ll ersetzen. Und eines ist auch klar – wenn der Nachbar bei Maroni, Glühwein oder Würstel dabeisitzt, wird er sich kaum beschweren.

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