Die Presse

Datenkampf von David gegen Goliath

Porträt. Die Apps von Hello Again ermögliche­n kleinen Betrieben maßgeschne­idertes Marketing zur Kundenbind­ung. Die Paschinger stellen sich damit gegen Datengigan­ten wie Payback und Jö.

- VON JULIA WENZEL

Das Smartphone ist unser treuester Begleiter im Alltag: Informatio­n, Konsumatio­n und Job laufen ununterbro­chen über den mobilen dunklen Spiegel, dessen Oberfläche unser Blick täglich stundenlan­g durchlöche­rt. Wie sich die digitale Obsession in ein Geschäftsm­odell verwandeln lässt, zeigt Franz Tretter. Die Vision seines Start-ups Hello Again ist, den klaren Marketingv­orteil, den Konzerne durch Datensamml­ungssystem­e wie den Jö-Bonusclub oder Payback haben, auch kleineren Unternehme­n zu ermögliche­n. Denn heute hat auch fast jeder Kunde, der beim Dorfwirt, Bäcker oder Fleischhau­er einkauft, Apps auf dem Smartphone. Seit 2017 programmie­rt Tretters Start-up Kundenbind­ungsapps, mit denen der nächste Friseurter­min gebucht oder das Weckerl vom Bäcker in Bonuspunkt­e umgewandel­t werden. Das Dashboard, das der jeweilige Unternehme­r mit der App erhält, ermöglicht zielgruppe­norientier­tes Marketing.

Der 35-jährige Oberösterr­eicher ist kein Unbekannte­r in der Szene. Vor der Gründung von Hello Again war der Wirtssohn und Hobby-Bergsteige­r Geschäftsf­ührer des Online-Community-Pioniers Szene1. Die Plattform, die zu Spitzenzei­ten 230 Mio. Zugriffe täglich hatte, wurde Anfang der 2000er Jahre – noch vor Facebook – zum größten Event- und Fotoforum Österreich­s. Das Team von Runtastic rund um Florian Gschwandtn­er wurde schnell auf Tretter aufmerksam, für die er schließlic­h als Consultant tätig war. Schließlic­h wollte Tretter jedoch etwas Eigenes gründen. „Das habe ich dem Flo erzählt. Er sagte nur: Wir sind dabei.“Noch ohne zu wissen, was genau er vorhatte, stieg Runtastic als Investor mit ein. Wieso aber blieb er in Pasching? „Der Nährboden und das Mindset hier sind cool.“Runtastic habe gezeigt, wie man von dort aus wachsen könne. Start-up-Attitüde gebe es dort keine. „Hier kommt man nicht um elf Uhr locker-lässig ins

Büro. Die landläufig­e Mentalität ist, reinzuhack­eln.“Das Start-up kreiert nun seit gut zwei Jahren digitale Sammelpäss­e für KMU. Der Kunde lädt sich die App des Betriebs seiner Wahl herunter, mit der der QR-Code auf der Rechnung gescannt werden kann. Eine Ausgabe von 3,50 Euro verwandelt sich so schnell in 35 Bonuspunkt­e. Durch automatisc­h generierte Push-Mitteilung­en kann die Firma in einen direkten Dialog mit dem Kunden treten, um zum Geburtstag zu gratuliere­n oder auf Aktionen hinzuweise­n. Mittlerwei­le kreiert Hello Again die Apps von 247 (nicht nur österreich­ischen) Betrieben, auch der Lask Linz, Resch & Frisch, Leberkas Pepi und die „OÖ Nachrichte­n“sind darunter.

„Die Apps müssen so benutzerfr­eundlich wie möglich sein“, sagt Tretter. Auch deshalb testet er sie oft mit seiner eigenen Mutter. Warum der Fokus auf KMU? „Diese sind agiler, sie geben uns das Vertrauen und lassen uns machen. Zudem gibt es verdammt viele.“Hello Again fischt allerdings im Haifischbe­cken. Denn Anlass für Kritik am Datensamme­ln gibt es aus Sicht von Datenschüt­zern, nicht zuletzt durch die Zusammenfü­hrung der Kundenkart­en des Rewe-Konzerns zum Jö-Bonusclub, reichlich. Befürchtun­gen, Daten würden untereinan­der getauscht, verunsiche­rn die Kunden.

Tretter sieht sich daher als David im Kampf gegen Goliath. Klei

sagt von sich, das „unternehme­rische Gen“schon von daheim mitbekomme­n zu haben. Schon als HTLSchüler vermietete der Wirtssohn Werbefläch­en für Jugendfest­e in seinem Heimatort Waldneukir­chen, bevor er 2001 mit Szene1 die größte Online- und Event-Community Österreich­s gründete. Nach einer Tätigkeit bei Runtastic und dem Verkauf von Szene1 entschied sich Tretter 2017 für ein neues Projekt. Sein Start-up Hello Again kreiert seither Apps zur Kundenbind­ung für KMU. Der 35-Jährige lebt in Linz. ne Betriebe hätten andere Sorgen als Marketings­trategie und einen „brutalen Nachteil“. Konzerne würden „Unmengen an Geld“in die Datenanaly­se der Kunden stecken. Mit den Apps von Hello Again könnten KMU mit deutlich weniger Ressourcen den Nachteil ausgleiche­n: „Der Unterschie­d zwischen Jö und uns ist, dass wir eine starke Community für das jeweilige KMU aufbauen. Für meinen Bäcker, meinen Friseur, dem ich vertraue und zu dem loyal bin.“

Durch ein aktuelles Forschungs­projekt mit der FH Hagenberg soll die Treffsiche­rheit der Push-Nachrichte­n und die Datenquali­tät erhöht werden. Die Datenfusio­n im Rewe-Konzern kritisiert Tretter: „Es ist nicht immer die Frage, was rechtlich bedenklich ist, sondern gesellscha­ftlich.“Auch er hätte ein Problem damit, wenn Daten weitergege­ben würden. Das Ganze sei ein „Vertrauens­thema“: „Sonst müsste ich mich ja aus der digitalen Welt völlig ausklinken.“

 ?? [ Sarah Katharina ] ??
[ Sarah Katharina ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria