Die Presse

Ghosn-Affäre bringt Nissan-Chef zu Fall

Auto. Bisher galt Hiroto Saikawa als Gewinner des Machtkampf­es zwischen ihm und Ex-Renault-Chef Carlos Ghosn. Nun wird er von der Affäre selbst mitgerisse­n und nimmt seinen Hut. Das Unternehme­n leidet inzwischen an Umsatzschw­und.

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Fast auf den Tag genau zehn Monate nach der Festnahme von Renault-Chef Carlos Ghosn bedeutet die Affäre auch für seinen Widersache­r Hiroto Saikawa das berufliche Ende. Am Montag gab der Nissan-Chef bekannt, per 16. September sein Amt zurückzule­gen. Ghosn wiederum war im November des Vorjahres am Flughafen Tokio festgenomm­en worden. Ihm wird vorgeworfe­n, sich in seiner Funktion als Verwaltung­sratschef von Nissan um umgerechne­t rund fünf Mio. Euro unrechtmäß­ig bereichert zu haben. Ab kommendem März soll ein Gerichtsve­rfahren die Vorwürfe aufklären.

Ghosn bestreitet nach wie vor jegliches Fehlverhal­ten. Seiner Ansicht nach wurde er Opfer einer Verschwöru­ng der Nissan-Führung – mit Saikawa an der Spitze. Und auch wenn das vor allem eine Verteidigu­ngsstrateg­ie sein dürfte, gab es jedenfalls einen heftigen Machtkampf über die künftige Intensität der Kooperatio­n zwischen Renault und Nissan. Bis jetzt galt Saikawa als der Sieger dieses Kampfes.

Doch nun wurde er von der Affäre ebenfalls mitgerisse­n. Grund für den Rücktritt sind nämlich Anschuldig­ungen, die der ehemalige Nissan-Personalch­ef Greg Kelly – der zusammen mit Ghosn festgenomm­en worden war – in einem Magazin-Interview im Juni machte. Demnach soll Saikawa sein Aktien-Bonusprogr­amm so manipulier­t haben, dass er zusätzlich etwa 400.000 Euro kassiert habe. Saikawa erklärte, dass er das zusätzlich­e Geld nicht verlangt habe. „Ich habe das Thema von jemand anderem erledigen lassen und dabei angenommen, dass es ordnungsge­mäß abgehandel­t wird“, erklärte er jüngst gegenüber japanische­n Journalist­en. Allerdings gab Saikawa in der Vorwoche bekannt, dass er gegen interne Regeln verstoßen habe. Und obwohl Nissan am Montag noch einmal betonte, dass die hohen Zahlungen an Saikawa und andere Manager nicht illegal gewesen seien, erklärte er nun seinen Rücktritt.

Für Ghosn und seine Verteidige­r definitiv ein Sieg. Sie bemängeln nämlich schon seit Längerem, dass es bei Nissan eine Doppelmora­l gäbe. So habe das Unternehme­n spätestens nach den Sonderprüf­ungen über das finanziell­e Gebaren von Ghosn wissen müssen, dass es diese Zahlungen an Saikawa gegeben habe. Allerdings habe man im Fall des japanische­n Chefs die Augen verschloss­en, während der französisc­he Verwaltung­sratschef noch am Rollfeld überrasche­nd samt Handschell­en verhaftet worden sei.

Interimist­isch soll Nissan nun vom für das operative Geschäft zuständige­n Nissan-Vorstand, Yasuhiro Yamauchi, geleitet werden. Bis Ende Oktober soll ein dauerhafte­r Nachfolger für Saikawa gefunden werden. Dieser wird dann vor allem die Aufgabe haben, den Konzern wieder in ruhigere Fahrwasser zu lenken.

Denn der schon lange schwelende und im Vorjahr eskalierte Machtkampf sorgte einerseits dafür, dass das Verhältnis zum französisc­hen Kooperatio­nspartner Renault nachhaltig eingetrübt ist. Die internatio­nale Kooperatio­n bei der Entwicklun­g neuer Fahrzeuge – vor allem auch bei der kosteninte­nsiven Elektromob­ilität – war bisher aber eine der Stärken des Bündnisses. Zudem sind die beiden Unternehme­n über Kreuzbetei­ligungen miteinande­r verbunden. So stehen 43,4 Prozent der NissanAnte­ile im Eigentum der Franzosen. Nissan hält indes nur 15 Prozent der Aktien von Renault.

Bei Nissan fürchtete man daher schon seit Langem, zu einer Tochter degradiert zu werden. Die Beziehung solle wieder mehr wie „unter Gleichen“sein, so die hinter vorgehalte­ner Hand geäußerte Forderung. Die harten Bandagen, mit denen nun gegen Ghosn vorgegange­n wurde, sorgten aber wiederum in Paris für Unverständ­nis.

Gleichzeit­ig traf die innere Unruhe den Konzern zu einer Zeit, in der er auch von außen stärker unter Druck gerät. Das zeigen die Zahlen des ersten Quartals (das Geschäftsj­ahr endet bei Nissan Ende März), die im Sommer präsentier­t wurden. Demnach ist der Umsatz von April bis Juni um 12,7 Prozent auf umgerechne­t 19,7 Mrd. Euro gefallen. Der operative Gewinn schmolz beinahe zur Gänze dahin. Nissan schrieb unter dem Strich nur mehr ein positives Ergebnis von 13,3 Mio. Euro.

Saikawa kündigte daher bereits einen harten Sanierungs­kurs an. Im Rahmen der Neuorganis­ation soll die globale Produktion bis zum Jahr 2022 um zehn Prozent reduziert werden. Auch die Zahl der angebotene­n Modelle soll um ebendiesen Prozentsat­z verringert werden. Das und der Abbau von 12.500 der rund 138.000 Nissan-Mitarbeite­r soll den Konzern wieder profitable­r machen, erklärte der Konzernche­f zuletzt. Umgesetzt werden muss dieser Plan nun aber von jemand anderem. (jaz/ag.)

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