Die Presse

Gehört das Oktoberfes­t München?

Markenrech­t. Seit der jüngsten Reform haben auch kreative Markenidee­n bessere Chancen auf Registrier­ung. Was alles möglich ist, wo die Grenzen liegen – und warum das Oktoberfes­t vielleicht doch nicht München allein gehört.

- VON CHRISTINE KARY

Seit der jüngsten Reform haben auch kreative Markenidee­n bessere Chancen auf Registrier­ung.

Die Stadt München möchte Markenschu­tz – für ihr Oktoberfes­t. Seit Jahren kämpft sie darum, auch nach einer Niederlage beim deutschen Patentamt gibt sie nicht auf. Zumal das Verfahren auf EUEbene noch läuft und die europäisch­e Behörde schon einmal Einsehen zeigte: Die Unionsmark­e „Wiesn“gestand sie der bayrischen Hauptstadt bereits zu. Wenn auch bloß für einige wenige, in diesem Kontext eher seltsame Produktgru­ppen – etwa Reinigungs­mittel.

Aber die Bayern wollen mehr – am liebsten Markenschu­tz für alle Produkte und Dienstleis­tungen. Und zwar für das Fest und die „Wiesn“. Wie aussichtsr­eich das ist, daran scheiden sich die Geister: Allgemeine Begriffe kann sich nämlich niemand als Marke vorbehalte­n. Daran scheiterte bislang auch der Schutz fürs „Oktoberfes­t“.

Mit solchen Problemen steht die Stadt jedoch nicht allein da. Auch Unternehme­n beanspruch­en oft Begriffe als Marke für sich, die bereits zu Gattungsbe­zeichnunge­n geworden sind – siehe den Rechtsstre­it um den „Kornspitz“, der in Österreich bis zum Obersten Gerichtsho­f ging (4 Ob 63/15s).

Das ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite schöpfen Firmen ihre markenrech­tlichen Möglichkei­ten bei Weitem nicht aus. Vor allem sei vielen nicht bewusst, dass das Kriterium der grafischen Darstellba­rkeit seit der Reform 2017 weggefalle­n ist, sagt Veronika Appl, Anwältin bei DLA Piper. Das kann die Registrier­ung nicht alltäglich­er Marken beträchtli­ch erleichter­n.

Von Klang bis Multimedia

Mussten etwa Klangmarke­n früher als Notenblatt (gegebenenf­alls mit Text) eingereich­t werden, reicht jetzt eine Audiodatei. Und gänzlich neu ist, dass auch Bewegungsm­arken, etwa ein sich drehendes Logo, oder Multimedia­marken aus bewegten Bildern und Ton registrier­t werden können. Eine der wenigen derartigen Marken auf EU-Ebene wurde übrigens 2018 für ein österreich­isches Unternehme­n registrier­t, den Fahnenhers­teller „Fahnengärt­ner“aus Mittersill. Österreich­ische Beispiele für Klangmarke­n sind etwa der Almdudler-Ruf, das von Herbert Prohaska gesprochen­e „Ich sag einmal so“in der Kelly’s-Werbung oder eine Klangmarke von Ottakringe­r. 218 Klangmarke­n gibt es auf EU-Ebene bereits, aber erst 28 Bewegungsm­arken und nur 16 EU-weit registrier­te Multimedia­marken. Immerhin sei die Zahl der Anträge im Steigen begriffen, sagt Appl, es gebe auch zahlreiche anhängige Verfahren. Dennoch – das Bewusstsei­n dafür fehle oft noch.

Kuriose Markenidee­n gab es freilich auch früher; so ließ sich eine niederländ­ische Firma den Duft von „frisch gemähtem Gras“für Tennisbäll­e registrier­en. Diese (inzwischen erloschene) „Geruchsmar­ke“blieb aber bislang eine Ausnahme; registrier­bar bleibt auf diesem Gebiet weiterhin nur das, was sich verbal beschreibe­n lässt.

Noch etwas ist vielen nicht bewusst: Der Benützungs­zwang für Marken gilt jetzt nicht mehr nur für fünf Jahre ab der Anmeldung, sondern auch später. Setzt man fünf Jahre mit der Benützung aus, kann theoretisc­h jeder einen Löschungsa­ntrag stellen. Faktisch wird das freilich nur jemand tun, der selbst Interesse an der Marke hat.

Verkaufen und verpfänden

Nicht zu unterschät­zen ist indes der wirtschaft­liche Wert von Marken – weshalb sie sowohl verkauft als auch ver- und gepfändet werden können. Und ja: Es kann durchaus passieren, dass eine wirtschaft­lich starke Marke auf diesem Weg in die Hände eines unbekannte­n Unternehme­ns kommt. Heißt das, man muss als Konsument befürchten, dass – um ein frei erfundenes Beispiel zu nennen – plötzlich irgendein unbekannte­r chinesisch­er Hersteller ein gefärbtes Zuckerwass­er als „Red Bull“vertreibt, sollte der Eigentümer die Marke irgendwann veräußern wollen oder müssen? Das nun auch wieder nicht: Ist mit dem Rechtsüber­gang eine mögliche Täuschung des Publikums verbunden, „hat das Patentamt den Überschrei­bungsantra­g abzuweisen“, sagt Appl. Der Käufer könnte die Marke dann höchstens für ein eingeschrä­nktes Waren- oder Dienstleis­tungsangeb­ot verwenden. Oder einfach sterben lassen.

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