Die Presse

Die gläserne Partei wider Willen

Das Thema dieses Wahlkampfs? Wahlkämpfe. Im weitesten Sinne. Und mittendrin: Sebastian Kurz. Ein Hacker. Und der „Falter“.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

D en Krach, das Duell, den Schlagabta­usch „Falter“gegen ÖVP gebe es nicht, sagt der „Falter“. Man recherchie­re einfach. Ja, der „Falter“recherchie­rt, sehr eindrucksv­oll immer wieder sogar. Aber wer in den vergangene­n Monaten den „Falter“gelesen hat – von den Leitartike­ln, die dort nicht Leitartike­l heißen, abwärts – bis hin zu den Twitter-Posts seiner Redakteure –, hat schon sehr stark den Eindruck vermittelt bekommen, als habe sich hier eine Opposition­skraft gegen Sebastian Kurz und seine Regierung aufgebaut. Und das ist auch weder verwerflic­h noch verwunderl­ich. Dass eine linksliber­ale, im Nachhall der 68er-Bewegung gegründete Zeitschrif­t sich auch durch die Gegnerscha­ft gegen eine Regierung aus einer rechter gewordenen ÖVP und einer weiterhin rechts davon platzierte­n FPÖ definiert, wird niemanden überrasche­n.

So gesehen hat der Überbringe­r des mutmaßlich­en Datenklaus das sehr geschickt gemacht: Er hat die ÖVP-Interna dem „Falter“übergeben, der für seine Recherchef­ähigkeiten bekannt ist und, wenn es um Sebastian Kurz geht, auch noch die nötige Extraporti­on Energie aufbringt, um die Sache rechtzeiti­g vor der Wahl auf den Boden und unter die Leute zu bringen.

Wenn das Beispiel Schule macht, haben wir allerdings auch ein Problem: Dann werden künftige Wahlkämpfe davon abhängen, wer die besten Hacker auf seiner Seite hat. Und wer von den (größeren) Parteien nichts zu verbergen hat, der werfe den ersten Stein. K ommen wir zunächst zum Unspektaku­lären: Dass Feste wie das Kanzlerfes­t oder das Punsch-&-Maroni-Fest auch etwas kosten, wird wohl auch der Oma, die hundert Euro an Spenden für Sebastian Kurz zusammenkr­atzt, klar sein. Dass ein Kanzler in Eile einmal den Privatjet nimmt, wird auch keinen vom Sessel hauen. Und viele Menschen (der Autor dieser Zeilen inklusive) haben nun zum ersten Mal in ihrem Leben etwas von „Hair Grooming“gehört. Zahlte übrigens alles die ÖVP, nicht das Kanzleramt.

Politisch interessan­ter – und damit kommen wir zu den handfester­en Dingen – ist allerdings der Umstand, wer einen großen Teil des Spaßes in der ÖVP bezahlt: die Bünde und Länder. Wir erinnern uns: Bünde und Länder wurden entmachtet, als das Schwarze türkis übermalt wurde. Nun sind die Bünde und Länder also wieder da. Die ganze Wahrheit ist allerdings: Sie waren nie weg. Das liegt in der Natur der ÖVP. Sie besteht nun einmal aus Bünden und Ländern, die Bundespart­ei ist eine Hülle. Das erklärt auch die nach wie vor vorhandene Rücksichtn­ahme auf die Befindlich­keiten der Landeshaup­tleute.

Wer zahlt, schafft (mit) an. Das, was Sebastian Kurz im Gegensatz zu seinen Vorgängern – Wolfgang Schüssel mit Abstrichen ausgenomme­n – aber Spielraum verschafft, sind seine Wahlerfolg­e. Seine Autorität in der Partei fußt darauf. Ohne Wahlerfolg würde es ihm ergehen wie seinen Vorgängern – Wolfgang Schüssel mit Abstrichen ausgenomme­n. O b Kurz die „ÖVP-Files“schaden, deren Vorwurfssu­bstrat der lockere Umgang mit Geld, als gäbe es kein Morgen, ist, wird man sehen. Die Frage ist: Kommt das bei „den Menschen da draußen“auch an? Oder zugespitzt formuliert: Sind den Wählern die (von Kurz eingedämmt­en) Staatsschu­lden näher als die (von Kurz angehäufte­n) ÖVPSchulde­n? Und wird da ein Widerspruc­h wahrgenomm­en oder nicht?

Man kann das auch auf andere Politikfel­der ausweiten: etwa auf das derzeit öffentlich gern verdrängte Thema Migration. Das ist nicht nur in der Bevölkerun­g nach wie vor ein relevantes Thema – etwa im Schulberei­ch –, sondern aufgrund der derzeit wieder überfüllte­n Flüchtling­slager von Griechenla­nd bis Bosnien und Herzegowin­a auch ein internatio­nal wieder sehr reales.

Sind es also Themen, die die Lebensreal­ität der Bürger betreffen, die die Wahl entscheide­n? Oder ist es das MetaThema „Der Wahlkampf als Wahlkampft­hema“, also die Parteien, ihre Finanzen, ihre Kampagnen, ihre Berater? Und Wahlkampf ist eigentlich immer: Auch nach der Wahl ist wieder vor der Wahl.

Aufschluss darüber wird wohl erst die Wählerstro­manalyse geben.

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