Politik: Ein haariges Geschäft mit geschminkten Wahrheiten
Zahlte die ÖVP viel Geld für das Styling von Sebastian Kurz? Er wäre nicht der erste Politiker, der sich sein Aussehen etwas kosten lässt. Politiker sind in der Zwickmühle: Sie sollen repräsentieren, aber nicht verschwenderisch sein.
Was hat Ihr Haarschnitt gekostet?“, wurde der Grüne Werner Kogler im „Presse“-Chat gefragt. „Manche fragen mich ja sogar, was mein Friseur von Beruf ist“, entgegnete er. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda postete auf Twitter stolz seine Friseurrechnung, die nur 22 Euro betrage. „Nicht jeder Bundeskanzler lässt sich die Haare für 600 Euro auf Regimentskosten föhnen“, schrieb Ex-Kanzler Christian Kern.
Nachdem der „Falter“über Rechnungen aus der ÖVP berichtet hat, ist das Thema Politikerstyling in aller Munde. So habe die Partei wiederholt für Haarpflege („Grooming“) und Make-up vor Auftritten gezahlt. Kostenpunkt: jeweils zwischen 300 und 600 Euro. Die ÖVP will dazu nichts sagen. Aber Sebastian Kurz wäre nicht
der erste Politiker, der viel Geld für die Optimierung seines Äußeren ausgibt.
„Ein perfekter dichter, melierter Wald, den man sonst nur von Fotos auf Haarfärbemitteln kennt.“So rühmte das Magazins „Vanity Fair“im Jahr 2013 das Haupt des damaligen Kanzlers, Werner Faymann. Der SPÖPolitiker wurde vom Magazin unter die Top Ten der modischsten „World Leader“gewählt. Ganz ohne fremde Hilfe kam der Leader aus Liesing aber nicht aus. So zahlte das Kanzleramt laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2015 in zwei Jahren 21.786 Euro für Visagisten. Allerdings legte Faymann Wert auf die Feststellung, dass davon kein Cent in Friseurleistungen geflossen sei.
Auch bei Ex-Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) halfen Experten nach. Ihr Ministerium zahlte 1440 Euro für Airbrush-Make-ups. Die Rechnungen wurden aber erst publik, als Schmied gerade von Lehrern eine Mehrarbeit forderte. Aber dürfen Politiker solche Stylings dem Steuerzahler überantworten? „Rechtlich ist das ein Grenzfall“, meinte der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler damals zu Schmieds Fall. Aber „von der Optik her hätte ich es an ihrer Stelle unterlassen. Vorteilhaft ist das nicht.“
Es ist rechtlich jedenfalls ein Unterschied, ob der Staat oder die Partei bezahlt. Und die Eitelkeit von Politikern ist auch ein internationales Phänomen. So strich der frühere französische Präsident Francois¸ Hollande 200 Posten im E´lyse´e-Palast. Aber er zahlte seinem Friseur aus dem Staatsbudget knapp 10.000 Euro im Monat. Italiens einstiger Ministerpräsident Silvio Berlusconi ließ sich angeblich sogar den Handrücken schminken. Und Deutschland diskutierte über die Frage, ob Gerhard Schröder bei der Farbe seines Haupthaars nachhalf. Der damalige Kanzler fand die Vorwürfe an den Haaren herbeigezogen.
Politiker sind in der Zwickmühle. Sie sollen repräsentieren, aber nicht verschwenderisch sein. Nach Schwarz-Blau I forderte die FPÖ von ihrer einstigen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer 183.000 Euro, die sie für Gewand, Schuhe und Handtaschen ausgegeben habe. Man einigte sich darauf, ihre Sachen zu versteigern.
Vieles ist eben eine Preisfrage. So gibt Grünen-Chef Kogler zwischen zwanzig und siebzig Euro pro Friseurbesuch aus. Je nachdem, wo er hingehe. Den billigsten Schnitt hat Altbundespräsident Heinz Fischer. Er sagte, dass seine Frau ihm die Haare schneide. Und zu viel Styling kann auch schaden. So trat ÖVP-Chef Alois Mock 1986 überschminkt zum TV-Duell gegen SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky an. Das fiel auf, die ÖVP verlor die Wahl. Damals war Sebastian Kurz aber auch gerade erst geboren worden.