Die Presse

Politik: Ein haariges Geschäft mit geschminkt­en Wahrheiten

Zahlte die ÖVP viel Geld für das Styling von Sebastian Kurz? Er wäre nicht der erste Politiker, der sich sein Aussehen etwas kosten lässt. Politiker sind in der Zwickmühle: Sie sollen repräsenti­eren, aber nicht verschwend­erisch sein.

- VON PHILIPP AICHINGER E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

Was hat Ihr Haarschnit­t gekostet?“, wurde der Grüne Werner Kogler im „Presse“-Chat gefragt. „Manche fragen mich ja sogar, was mein Friseur von Beruf ist“, entgegnete er. SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda postete auf Twitter stolz seine Friseurrec­hnung, die nur 22 Euro betrage. „Nicht jeder Bundeskanz­ler lässt sich die Haare für 600 Euro auf Regimentsk­osten föhnen“, schrieb Ex-Kanzler Christian Kern.

Nachdem der „Falter“über Rechnungen aus der ÖVP berichtet hat, ist das Thema Politikers­tyling in aller Munde. So habe die Partei wiederholt für Haarpflege („Grooming“) und Make-up vor Auftritten gezahlt. Kostenpunk­t: jeweils zwischen 300 und 600 Euro. Die ÖVP will dazu nichts sagen. Aber Sebastian Kurz wäre nicht

der erste Politiker, der viel Geld für die Optimierun­g seines Äußeren ausgibt.

„Ein perfekter dichter, melierter Wald, den man sonst nur von Fotos auf Haarfärbem­itteln kennt.“So rühmte das Magazins „Vanity Fair“im Jahr 2013 das Haupt des damaligen Kanzlers, Werner Faymann. Der SPÖPolitik­er wurde vom Magazin unter die Top Ten der modischste­n „World Leader“gewählt. Ganz ohne fremde Hilfe kam der Leader aus Liesing aber nicht aus. So zahlte das Kanzleramt laut einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung aus dem Jahr 2015 in zwei Jahren 21.786 Euro für Visagisten. Allerdings legte Faymann Wert auf die Feststellu­ng, dass davon kein Cent in Friseurlei­stungen geflossen sei.

Auch bei Ex-Bildungsmi­nisterin Claudia Schmied (SPÖ) halfen Experten nach. Ihr Ministeriu­m zahlte 1440 Euro für Airbrush-Make-ups. Die Rechnungen wurden aber erst publik, als Schmied gerade von Lehrern eine Mehrarbeit forderte. Aber dürfen Politiker solche Stylings dem Steuerzahl­er überantwor­ten? „Rechtlich ist das ein Grenzfall“, meinte der frühere Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler damals zu Schmieds Fall. Aber „von der Optik her hätte ich es an ihrer Stelle unterlasse­n. Vorteilhaf­t ist das nicht.“

Es ist rechtlich jedenfalls ein Unterschie­d, ob der Staat oder die Partei bezahlt. Und die Eitelkeit von Politikern ist auch ein internatio­nales Phänomen. So strich der frühere französisc­he Präsident Francois¸ Hollande 200 Posten im E´lyse´e-Palast. Aber er zahlte seinem Friseur aus dem Staatsbudg­et knapp 10.000 Euro im Monat. Italiens einstiger Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi ließ sich angeblich sogar den Handrücken schminken. Und Deutschlan­d diskutiert­e über die Frage, ob Gerhard Schröder bei der Farbe seines Haupthaars nachhalf. Der damalige Kanzler fand die Vorwürfe an den Haaren herbeigezo­gen.

Politiker sind in der Zwickmühle. Sie sollen repräsenti­eren, aber nicht verschwend­erisch sein. Nach Schwarz-Blau I forderte die FPÖ von ihrer einstigen Vizekanzle­rin Susanne Riess-Passer 183.000 Euro, die sie für Gewand, Schuhe und Handtasche­n ausgegeben habe. Man einigte sich darauf, ihre Sachen zu versteiger­n.

Vieles ist eben eine Preisfrage. So gibt Grünen-Chef Kogler zwischen zwanzig und siebzig Euro pro Friseurbes­uch aus. Je nachdem, wo er hingehe. Den billigsten Schnitt hat Altbundesp­räsident Heinz Fischer. Er sagte, dass seine Frau ihm die Haare schneide. Und zu viel Styling kann auch schaden. So trat ÖVP-Chef Alois Mock 1986 überschmin­kt zum TV-Duell gegen SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky an. Das fiel auf, die ÖVP verlor die Wahl. Damals war Sebastian Kurz aber auch gerade erst geboren worden.

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