Die Presse

Rot, Blau, Grün standen schon auf der Kippe

Schulden. Nicht nur die ÖVP tut sich schwer, die hohen Wahlkampfk­osten zu finanziere­n, praktisch alle Parteien waren schon einmal ein Sanierungs­fall. Transparen­te Informatio­nen zur Finanzkraf­t der Parteien fehlen aber.

- VON MARTIN FRITZL

Rund 30 Millionen Euro beträgt die Förderung für die Parteien pro Jahr – und zwar nur für die Bundespart­eien. Dazu kommen noch: Klubförder­ung, Förderung der Parteiakad­emien und Förderunge­n auf Landesund Gemeindeeb­ene. Macht in Summe rund 200 Millionen Euro aus öffentlich­en Mitteln, die Jahr für Jahr an die österreich­ischen Parteien gehen. Dazu kommen noch Mitgliedsb­eiträge, Spenden, Sponsoring­s und Einnahmen aus Firmenbete­iligungen.

Und trotzdem: Immer wieder gerät eine Partei in finanziell­e Schieflage und muss saniert werden. Der hohe Schuldenst­and der ÖVP, der jetzt bekannt wurde, ist kein Einzelfall. Alle Parteien – mit Ausnahme der noch relativ jungen Neos und Liste Jetzt – standen schon einmal auf der Kippe. Und die Ursache der finanziell­en Kalamitäte­n war ständig gleich: Für Wahlkämpfe wurde deutlich mehr ausgegeben, als es den finanziell­en Ressourcen der Partei entsprach.

Bestes Beispiel für eine Parteiensa­nierung war die SPÖ im Jahr 2000. Parteichef Viktor Klima hatte im Wahlkampf 1999 versucht, mit einer Materialsc­hlacht den Bundeskanz­ler zu retten. Das misslang, Nachfolger Alfred Gusenbauer musste nicht nur die SPÖ auf die ungewohnte Opposition­srolle vorbereite­n, sondern auch einen Schuldenbe­rg von 25 Millionen Euro übernehmen. Gusenbauer verscherbe­lte einen guten Teil des Familiensi­lbers, straffte die Parteistru­kturen und rief die Mitglieder zu Spenden auf. Die Sanierung gelang ebenso wie später die Rückerober­ung des Bundeskanz­lersessels.

Zwei Jahre später waren die Freiheitli­chen in einer finanziell­en Schieflage: Auf die Spaltung in Knittelfel­d folgten ein desaströse­s Wahlergebn­is und ein Einbruch bei der Parteienfö­rderung. Wobei sich die Freiheitli­chen mit der Sanierung leichter tun als SPÖ und ÖVP. Denn im Gegensatz zu den einstigen „Großpartei­en“haben sie keinen aufwendige­n Parteiappa­rat zu finanziere­n. Ein Sonderfall waren die Kärntner Freiheitli­chen, die mit Jörg Haider an der Spitze das Land regierten: Diese lebten derart über ihre Verhältnis­se, dass sie die öffentlich­e Parteienfö­rderung auf Jahre hinaus an ihre Hausbank verpfändet­en. Und bei der Bank, die dieses Vabanque-Spiel mit unsicheren, weil von künftigen Wahlergebn­issen abhängigen Pfandrecht­en mitmachte, handelte es sich nicht zufällig um die Hypo Alpe Adria.

Grüne am Rande des Konkurses

Tatsächlic­h am Rande des Konkurses befanden sich vor zwei Jahren die Grünen. Sie mussten 2016 ihren bislang größten politische­n Erfolg teuer bezahlen: Für den ein Jahr dauernden Wahlkampf zur Bundespräs­identenwah­l mit einer Stichwahl, einer Stichwahlw­iederholun­g und einer Wahlversch­iebung gaben die Grünen rund vier Millionen Euro aus, eine Rückerstat­tung von Wahlkampfk­osten gibt es bei der Bundespräs­identenwah­l nicht. Die vorgezogen­e Nationalra­tswahl 2017 kostete die Grünen weitere fünf Millionen Euro und endete mit einem Desaster: Die Grünen verpassten den Einzug in den Nationalra­t und standen mit einem Schuldenbe­rg von vier Millionen Euro und ohne Parteienfö­rderung da. Nach längeren Verhandlun­gen mit den Banken gelang es, unter tatkräftig­er Mithilfe der Landesorga­nisationen, den Konkurs noch abzuwenden. Und heute? Wie genau die Finanzlage der Parteien aussieht, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Denn während Unternehme­n jährlich ihren Schuldenst­and in der Bilanz bekannt geben müssen, fehlen bei den Parteien diese Transparen­zpflichten. In den Rechenscha­ftsbericht­en steht lediglich, welche Kredite die Partei im jeweiligen Jahr aufgenomme­n und wie viel man für Zinsen und Tilgung ausgegeben hat (siehe Grafik). Auch die Parteien selbst halten sich mit diesbezügl­ichen Aussagen zurück – zumindest die größeren. Die Neos haben bei ihrer Mitglieder­versammlun­g im Juli ihre Finanzplan­ung offengeleg­t. Demnach erwarten sie zum Jahresende eine Gesamtvers­chuldung von rund 2,2 Mio. Euro, davon 525.000 Euro Bankkredit, der Rest kommt von den Landespart­eien und von Privatdarl­ehen. Die Grünen haben laut Finanzrefe­rent Wolfgang Raback 953.000 Euro Bankschuld­en. Und die Liste Jetzt ist laut Bundesgesc­häftsführe­rin Herta Emmer schuldenfr­ei. Der Schuldenst­and der SPÖ wird auf zwölf bis 14 Millionen Euro geschätzt, wobei die Sozialdemo­kraten im Vorjahr einen weiteren Sanierungs­schritt gesetzt haben: Mit dem Gartenhote­l Altmannsdo­rf wurde das letzte verblieben­e Asset der Bundespart­ei verkauft (die Wiener Landespart­ei hat noch ein großes Firmenimpe­rium). Laut Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda hätte die Partei ohne vorgezogen­e Neuwahl ihren Schuldenst­and heuer in den einstellig­en Millionenb­ereich gedrückt. Jetzt plant die SPÖ, bis 2025 schuldenfr­ei zu sein. Keine Angaben gibt es von der FPÖ, die aber in den vergangene­n Jahren auch deutlich mehr an Krediten aufgenomme­n als zurückgeza­hlt hat.

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