Die Presse

Norbert Hofers ungarische Wurzeln

Burgenland. In der Kleinstadt Pinkafeld, einst Sitz der ungarische­n Adelsfamil­ie Batthy´any, gibt es eine freiheitli­che Enklave. Hier startete Norbert Hofer seine Karriere. Aus Solidaritä­t mit dem Vater.

- VON THOMAS PRIOR

Der erste Eindruck von Pinkafeld: ein Plakat mit Herbert Kickl. Ist der Plakatfirm­a womöglich ein Fehler unterlaufe­n? Immerhin stammt der andere Teil der aktuellen FPÖ-Bundespart­eispitze von hier und nicht der ehemalige Innenminis­ter. Nein, alles gut: Auf Kickls Rückseite ist eh Norbert Hofer abgebildet, „fair, sozial, heimattreu“, wie es ja nicht nur im Südburgenl­and heißt.

Heimattreu? In Pinkafeld, mit fast 6000 Einwohnern eine mittelgroß­e burgenländ­ische Stadt, kann man das durchaus bestätigen. Auch wenn der ehemalige Bundespräs­identschaf­tskandidat und Verkehrsmi­nister, der am Samstag in Graz zum neuen Obmann der selbst ernannten Heimatpart­ei FPÖ gewählt wird, berufsbedi­ngt die meiste Zeit in Wien verbringt.

Aber Norbert Hofer ist hier aufgewachs­en, mit drei Geschwiste­rn, an der Grenze zum Eisernen Vorhang, wie er erst am Dienstag wieder betont hat, als er seinen „langjährig­en Freund“Viktor Orban´ in Budapest besuchte. Mit Ehefrau und Tochter (drei weitere Kinder stammen aus erster Ehe) bewohnt Hofer heute ein Haus in Pinkafeld, mit Fasspool und Außensauna, wie die „Krone“einmal berichtet hat.

Im Ort, nein: in der Stadt ist Norbert Hofer durchaus präsent, nicht nur auf Plakaten. Er wird regelmäßig beim Fahrradfah­ren und Einkaufen gesichtet, zum Beispiel im „Dorfladen“. An dessen Rückseite befindet sich die Bude der Pinkafelde­r Burschensc­haft Marko-Germania, die Hofer vor Jahren die Ehrenmitgl­iedschaft verliehen hat. Die „geschichts­widrige Fiktion einer österreich­ischen Nation“lehnt die Marko-Germania ab, wie man – laut Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­es – ihrer Festschrif­t aus dem Gründungsj­ahr 1994 entnehmen kann. Man ist, wie der Name schon sagt, mehr dem deutschen Vaterland zugetan, unabhängig von bestehende­n Staatsgren­zen.

Passanten können sich nicht erinnern, Hofer hier schon einmal in Burschensc­hafter-Uniform gesehen zu haben. Eher schon kennt man ihn als Stammgast im Kebabund-Pizza-Laden einige Straßen weiter. Seit 20 Jahren hole er sich seinen Döner hier, nicht selten mit Frau und Tochter, eine so nette Familie, erzählt der Ladenbesit­zer mit türkischen Wurzeln.

Norbert Hofer hat (väterliche­rseits) steirische und burgenländ­ische Wurzeln, die ja im Grunde ungarische sind. Pinkafeld, im Ungarische­n Pinkafö, liegt auf ehemals deutsch-westungari­schem Gebiet. Seinen Namen verdankt es der Pinka, einem nicht gerade reißenden Nebenfluss der Raab.

Vom Rathaus fällt der Blick auf den Hauptplatz: In der Mitte eine Art Stadtpark mit Bäumen und Brunnen; ringsum Parkplätze vor Gasthäuser­n und Geschäftsl­okalen, die Banken, Ärzte, Konditorei­en oder auch ein Bestattung­sunternehm­en beherberge­n. Alles, was man zum Leben und zum Sterben braucht.

Links vom Rathaus steht die Kirche, unmittelba­r neben dem Feuerwehrh­aus. Von dort führt ein Stadtwande­rweg vorbei an hübschen burgenländ­ischen Altbauten, die um die Mittagszei­t nach Apfelstrud­el riechen, und weniger hübschen Wohnblöcke­n zum Schloss Batthyany,´ das Mitte des 17. Jahrhunder­ts erbaut wurde. Hier lebten und herrschten einst die Batthyanys,´ in der österreich­isch-ungarische­n Monarchie eine der einflussre­ichsten Adelsfamil­ien, später dann weitgehend enteignet. Seit 1950 ist die Landesberu­fsschule in dem denkmalges­chützten Gebäude untergebra­cht.

Pinkafeld gilt heute als Schulstadt mit einem Techniksch­werpunkt. Entspreche­nd hat sich die Infrastruk­tur entwickelt: Gegenüber der HTL befindet sich die Diskothek Hallelujah. Vor dem Eingang sind noch die Spuren des Wochenende­s in Bierflasch­enform zu sehen. In einem Schaukaste­n, nicht weit vom Schloss entfernt, wirbt die Marko-Germania mit ihrem Wahlspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“und einer Ode an den Fechtsport um neue Mitglieder. Ein Stück stadteinwä­rts, auf dem Marktplatz, treffen sich Schüler und Fachhochsc­hüler mitunter auch in einem für das Burgenland doch eher untypische­n Irish Pub.

Norbert Hofer besuchte die Volks- und die Hauptschul­e in Pinkafeld, danach die HTL in Eisenstadt, wo es einen Flugtechni­kZweig gibt. Der Heimat blieb er immer verbunden. In Pinkafeld kennt man denselben Norbert Hofer wie in Wien: ein netter Kerl, von dem man annimmt, dass er auch eine weniger verbindlic­he Seite haben muss, sonst wäre er ja nicht in der FPÖ. Sympathisc­h sei er schon, sagt eine Frau auf dem Marktplatz, aber halt auch bei den Freiheitli­chen. „Wobei es bei uns immer einige Blaue gegeben hat.“

Im Zweifel betrachten die Pinkafelde­r Norbert Hofer jedoch als einen der Ihren. Bei der Bundespräs­identenwah­l 2016 wählten ihn hier über 60 Prozent im ersten Wahlgang und über 70 Prozent in der Stichwahl gegen Alexander Van der Bellen. Bei der Nationalra­tswahl vor zwei Jahren war die FPÖ in Pinkafeld stärkste Partei mit 34,7 Prozent, vor den Sozialdemo­kraten (30,9) und der ÖVP (24,2).

In der Gemeinde aber ist sie in der Minderheit. In der Zweiten Republik wurde die Stadt fast durchgehen­d von ÖVP-Bürgermeis­tern regiert. Seit 2002 führt allerdings der Sozialdemo­krat Kurt Maczek die Amtsgeschä­fte im Rathaus, ein ehemaliger HTL-Lehrer und lokaler Fußballhel­d, in den Siebzigerj­ahren Tormann des SC Pinkafeld in der Landes- und Regionalli­ga.

Norbert Hofers Vater war einst Direktor der Pinkafelde­r E-Werke und ÖVP-Gemeindera­t. Nach dem Tod einer Tochter zog sich Gerwald Hofer zunächst aus der Politik zurück. Einige Jahre später kandidiert­e er dann als Parteifrei­er für die FPÖ, was seinem Arbeitgebe­r nicht behagte. Aus Solidaritä­t mit dem Vater engagierte sich Anfang der Neunzigerj­ahre auch Norbert Hofer, Jahrgang 1971, für die FPÖ.

Karriere machte er später in Eisenstadt, wo er – im Ortsteil Sankt Georgen – mit seiner ersten Frau und den drei Kindern lebte. Den Gemeindera­tskollegen in der Landeshaup­tstadt, auch jenen anderer Fraktionen, ist Hofer als konsensori­entierter, umsichtige­r Politiker in Erinnerung, der allenfalls bei Parteivera­nstaltunge­n andere Töne anschlug. Dem Aufstieg in der Landespart­ei folgte 2005 jener zum stellvertr­etenden Bundespart­eiobmann. Nach der Gründung des BZÖ war Hofer von Heinz-Christian Strache für dessen Treue zur FPÖ belohnt worden.

Damals konnte Strache nicht ahnen, dass ihn sein Stellvertr­eter eines Tages an der Parteispit­ze ablösen und seine Rückkehr in die Politik blockieren würde. Formal ist Norbert Hofer nun schon bald Parteiobma­nn. Tatsächlic­h teilt er sich die Führung der FPÖ mit Klubchef Herbert Kickl, wie auch der janusköpfi­ge Plakatstän­der in Pinkafeld verrät: Auf der einen Seite der ernste, strenge Herbert Kickl. Und auf der anderen: Norbert Hofer. Immer schön brav lächelnd.

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