Norbert Hofers ungarische Wurzeln
Burgenland. In der Kleinstadt Pinkafeld, einst Sitz der ungarischen Adelsfamilie Batthy´any, gibt es eine freiheitliche Enklave. Hier startete Norbert Hofer seine Karriere. Aus Solidarität mit dem Vater.
Der erste Eindruck von Pinkafeld: ein Plakat mit Herbert Kickl. Ist der Plakatfirma womöglich ein Fehler unterlaufen? Immerhin stammt der andere Teil der aktuellen FPÖ-Bundesparteispitze von hier und nicht der ehemalige Innenminister. Nein, alles gut: Auf Kickls Rückseite ist eh Norbert Hofer abgebildet, „fair, sozial, heimattreu“, wie es ja nicht nur im Südburgenland heißt.
Heimattreu? In Pinkafeld, mit fast 6000 Einwohnern eine mittelgroße burgenländische Stadt, kann man das durchaus bestätigen. Auch wenn der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat und Verkehrsminister, der am Samstag in Graz zum neuen Obmann der selbst ernannten Heimatpartei FPÖ gewählt wird, berufsbedingt die meiste Zeit in Wien verbringt.
Aber Norbert Hofer ist hier aufgewachsen, mit drei Geschwistern, an der Grenze zum Eisernen Vorhang, wie er erst am Dienstag wieder betont hat, als er seinen „langjährigen Freund“Viktor Orban´ in Budapest besuchte. Mit Ehefrau und Tochter (drei weitere Kinder stammen aus erster Ehe) bewohnt Hofer heute ein Haus in Pinkafeld, mit Fasspool und Außensauna, wie die „Krone“einmal berichtet hat.
Im Ort, nein: in der Stadt ist Norbert Hofer durchaus präsent, nicht nur auf Plakaten. Er wird regelmäßig beim Fahrradfahren und Einkaufen gesichtet, zum Beispiel im „Dorfladen“. An dessen Rückseite befindet sich die Bude der Pinkafelder Burschenschaft Marko-Germania, die Hofer vor Jahren die Ehrenmitgliedschaft verliehen hat. Die „geschichtswidrige Fiktion einer österreichischen Nation“lehnt die Marko-Germania ab, wie man – laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes – ihrer Festschrift aus dem Gründungsjahr 1994 entnehmen kann. Man ist, wie der Name schon sagt, mehr dem deutschen Vaterland zugetan, unabhängig von bestehenden Staatsgrenzen.
Passanten können sich nicht erinnern, Hofer hier schon einmal in Burschenschafter-Uniform gesehen zu haben. Eher schon kennt man ihn als Stammgast im Kebabund-Pizza-Laden einige Straßen weiter. Seit 20 Jahren hole er sich seinen Döner hier, nicht selten mit Frau und Tochter, eine so nette Familie, erzählt der Ladenbesitzer mit türkischen Wurzeln.
Norbert Hofer hat (väterlicherseits) steirische und burgenländische Wurzeln, die ja im Grunde ungarische sind. Pinkafeld, im Ungarischen Pinkafö, liegt auf ehemals deutsch-westungarischem Gebiet. Seinen Namen verdankt es der Pinka, einem nicht gerade reißenden Nebenfluss der Raab.
Vom Rathaus fällt der Blick auf den Hauptplatz: In der Mitte eine Art Stadtpark mit Bäumen und Brunnen; ringsum Parkplätze vor Gasthäusern und Geschäftslokalen, die Banken, Ärzte, Konditoreien oder auch ein Bestattungsunternehmen beherbergen. Alles, was man zum Leben und zum Sterben braucht.
Links vom Rathaus steht die Kirche, unmittelbar neben dem Feuerwehrhaus. Von dort führt ein Stadtwanderweg vorbei an hübschen burgenländischen Altbauten, die um die Mittagszeit nach Apfelstrudel riechen, und weniger hübschen Wohnblöcken zum Schloss Batthyany,´ das Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde. Hier lebten und herrschten einst die Batthyanys,´ in der österreichisch-ungarischen Monarchie eine der einflussreichsten Adelsfamilien, später dann weitgehend enteignet. Seit 1950 ist die Landesberufsschule in dem denkmalgeschützten Gebäude untergebracht.
Pinkafeld gilt heute als Schulstadt mit einem Technikschwerpunkt. Entsprechend hat sich die Infrastruktur entwickelt: Gegenüber der HTL befindet sich die Diskothek Hallelujah. Vor dem Eingang sind noch die Spuren des Wochenendes in Bierflaschenform zu sehen. In einem Schaukasten, nicht weit vom Schloss entfernt, wirbt die Marko-Germania mit ihrem Wahlspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“und einer Ode an den Fechtsport um neue Mitglieder. Ein Stück stadteinwärts, auf dem Marktplatz, treffen sich Schüler und Fachhochschüler mitunter auch in einem für das Burgenland doch eher untypischen Irish Pub.
Norbert Hofer besuchte die Volks- und die Hauptschule in Pinkafeld, danach die HTL in Eisenstadt, wo es einen FlugtechnikZweig gibt. Der Heimat blieb er immer verbunden. In Pinkafeld kennt man denselben Norbert Hofer wie in Wien: ein netter Kerl, von dem man annimmt, dass er auch eine weniger verbindliche Seite haben muss, sonst wäre er ja nicht in der FPÖ. Sympathisch sei er schon, sagt eine Frau auf dem Marktplatz, aber halt auch bei den Freiheitlichen. „Wobei es bei uns immer einige Blaue gegeben hat.“
Im Zweifel betrachten die Pinkafelder Norbert Hofer jedoch als einen der Ihren. Bei der Bundespräsidentenwahl 2016 wählten ihn hier über 60 Prozent im ersten Wahlgang und über 70 Prozent in der Stichwahl gegen Alexander Van der Bellen. Bei der Nationalratswahl vor zwei Jahren war die FPÖ in Pinkafeld stärkste Partei mit 34,7 Prozent, vor den Sozialdemokraten (30,9) und der ÖVP (24,2).
In der Gemeinde aber ist sie in der Minderheit. In der Zweiten Republik wurde die Stadt fast durchgehend von ÖVP-Bürgermeistern regiert. Seit 2002 führt allerdings der Sozialdemokrat Kurt Maczek die Amtsgeschäfte im Rathaus, ein ehemaliger HTL-Lehrer und lokaler Fußballheld, in den Siebzigerjahren Tormann des SC Pinkafeld in der Landes- und Regionalliga.
Norbert Hofers Vater war einst Direktor der Pinkafelder E-Werke und ÖVP-Gemeinderat. Nach dem Tod einer Tochter zog sich Gerwald Hofer zunächst aus der Politik zurück. Einige Jahre später kandidierte er dann als Parteifreier für die FPÖ, was seinem Arbeitgeber nicht behagte. Aus Solidarität mit dem Vater engagierte sich Anfang der Neunzigerjahre auch Norbert Hofer, Jahrgang 1971, für die FPÖ.
Karriere machte er später in Eisenstadt, wo er – im Ortsteil Sankt Georgen – mit seiner ersten Frau und den drei Kindern lebte. Den Gemeinderatskollegen in der Landeshauptstadt, auch jenen anderer Fraktionen, ist Hofer als konsensorientierter, umsichtiger Politiker in Erinnerung, der allenfalls bei Parteiveranstaltungen andere Töne anschlug. Dem Aufstieg in der Landespartei folgte 2005 jener zum stellvertretenden Bundesparteiobmann. Nach der Gründung des BZÖ war Hofer von Heinz-Christian Strache für dessen Treue zur FPÖ belohnt worden.
Damals konnte Strache nicht ahnen, dass ihn sein Stellvertreter eines Tages an der Parteispitze ablösen und seine Rückkehr in die Politik blockieren würde. Formal ist Norbert Hofer nun schon bald Parteiobmann. Tatsächlich teilt er sich die Führung der FPÖ mit Klubchef Herbert Kickl, wie auch der janusköpfige Plakatständer in Pinkafeld verrät: Auf der einen Seite der ernste, strenge Herbert Kickl. Und auf der anderen: Norbert Hofer. Immer schön brav lächelnd.