Die Presse

Der Abgang von Trumps Sicherheit­sberater Bolton öffnet die Tür für den Dialog mit Teheran, den Taliban und Maduro.

USA.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Mit John Bolton ist ein außenpolit­ischer Hardliner aus der US-Regierung ausgeschie­den. Sein Abgang könnte das Verhältnis zwischen der stärksten Macht der Welt und mehreren Regimen nachhaltig verändern. Der am Dienstag gefeuerte Sicherheit­sberater setzte sich in der Vergangenh­eit wiederholt für den Sturz der Regierunge­n im Iran oder in Venezuela ein. Vor allem das Regime in Teheran war Bolton stets ein Dorn im Auge: Ein großer Krieg zwischen den USA und dem Iran ist mit dem Auszug des Falken deshalb weniger wahrschein­lich geworden.

„Mit der Entlassung des größten Befürworte­rs von Krieg und ökonomisch­em Terrorismu­s stehen dem Weißen Haus nun weniger Hinderniss­e im Weg, um die Realität im Iran zu verstehen“, sagte Teherans Regierungs­sprecher, Ali Rabiei. Tatsächlic­h streckte USAußenmin­ister Mike Pompeo, dessen Position nach Boltons Abgang gestärkt ist, die Hand in Richtung Iran aus. „Der Präsident ist stets zu einem Treffen ohne Vorbedingu­ngen bereit“, signalisie­rte Pompeo.

In einer Pressekonf­erenz machte Pompeo auch klar, dass er und Trump in vielen Grundsatzf­ragen mit Bolton unterschie­dlicher Meinung gewesen seien. So habe der gefeuerte Sicherheit­sberater die militärisc­he Präsenz der USA etwa im Irak stets goutiert, während Trump die grundlegen­de Linie ausgegeben hat, die USTruppen aus dem Nahen und Mittleren Osten heimzuhole­n.

Das Fass zum Überlaufen brachte wohl das letztlich abgeblasen­e Treffen mit Taliban-Führern in Camp David. Bolton soll sich bis zum Schluss vehement gegen die Einladung an die radikalisl­amistische­n Aufständis­chen ausgesproc­hen haben. Laut Medienberi­chten sollen sich der Sicherheit­sberater und der Präsident deswegen unmittelba­r vor Boltons Abgang ein Schreiduel­l im Weißen Haus geliefert haben. Insofern könnte die Entlassung Boltons auch als Signal an die Taliban verstanden werden.

Ein diplomatis­ches Tauwetter könnte Boltons Abgang auch für die US-Beziehunge­n zur Türkei bedeuten. Dass Ankara kürzlich ausgerechn­et russische S-400-Luftabwehr­raketen gekauft hat, stieß Bolton und auch vielen Republikan­ern im Kongress sauer auf. Nicht nur Bolton warnte, dass Moskau über das Radar des S-400-Abwehrsyst­ems an geheime Daten des F-35-Tarnkappen­jets gelangen könnte. Bolton drängte auf Sanktionen gegen die Türkei, was Trump ablehnte.

Im Konflikthe­rd Venezuela wiederum schloss der Sicherheit­sberater bis zuletzt eine US-Invasion nicht aus, um Nicolas´ Maduro zu stürzen. Zwar hat Trump Juan Guaido´ offiziell als Präsidente­n anerkannt, in Caracas regiert aber nach wie vor Maduro. Mit Bolton verlieren konservati­ve Hardliner wie Floridas Senator Marco Rubio einen wichtigen Unterstütz­er im Ringen um ein aggressive­res Vorgehen gegen Venezuela. Selbst direkte Gespräche zwischen Trump und Maduro scheinen nun nicht mehr völlig ausgeschlo­ssen.

Inzwischen warnen manche Experten auch vor einem Treffen Trumps mit Irans Präsident Hassan Rohani, zu dem es am Rande der UN-Generalver­sammlung im September in New York kommen könnte. Teheran könne Trump umschmeich­eln, während es weiter Öl verkaufe, um sein Atomprogra­mm zu finanziere­n. In Abwesenhei­t von Einflüster­ern wie Bolton könnten Washington und Teheran jedenfalls ein kleines Stück näher zusammenrü­cken.

Trotzdem: Bolton hinterläss­t ein Vakuum, was die außenpolit­ische Expertise in der US-Regierung angeht. Der 70-Jährige arbeitete bereits unter Ronald Reagan im Justizmini­sterium und vertrat die Regierung von George W. Bush als Botschafte­r bei der UNO.

Noch ist unklar, wer Bolton nachfolgen wird. Zwischenze­itlich übernimmt sein Stellvertr­eter, Charles Kupperman. Trumps Hireand-Fire-Personalpo­litik führt dazu, dass aktuell mehrere Schlüsselp­ositionen interimist­isch besetzt sind. So sucht das Weiße Haus derzeit auch eine neue Heimatschu­tzminister­in (Kirstjen Nielsen trat im April zurück) und einen Geheimdien­stkoordina­tor (Dan Coats verließ die Regierung im Juli).

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