Die Presse

Kanadas Konservati­ve liefern Trudeau ein Kopf-an-Kopf-Rennen

Parlaments­wahl. Am 21. Oktober entscheide­t sich, ob der einst gefeierte liberale Politstar Justin Trudeau das Mandat für eine zweite Amtszeit erhält.

- Von unserem Korrespond­enten GERD BRAUNE

Mit der Auflösung des Parlaments hat am gestrigen Mittwoch in Kanada offiziell der Kampf um Wählerstim­men für die Wahl am 21. Oktober begonnen. Der seit Ende 2015 amtierende Premiermin­ister, Justin Trudeau, hofft auf ein zweites Mandat. Er und seine Liberale Partei haben sich aus dem Umfragetie­f im Frühsommer herausgear­beitet und können wieder mit etwas mehr Zuversicht dem 21. Oktober entgegense­hen. Die Konservati­ven unter Andrew Scheer liefern sich mit der Regierungs­partei aber ein Kopf-anKopf-Rennen.

Die Parlaments­auflösung war der Startschus­s für den 40-tägigen Wahlkampf um die 338 Parlaments­sitze. Trudeau hat schon in den vergangene­n Wochen die Attacken auf die Konservati­ven verschärft: „Die Konservati­ven sagen, sie seien für das Volk, aber dann senken sie die Steuern für die Reichen und verringern die staatliche­n Leistungen für alle anderen.“Die Konservati­ven verspreche­n angesichts des unter Trudeau entstanden­en Defizits im Bundeshaus­halt eine vorsichtig­ere Ausgabenpo­litik.

Andrew Scheer, seit Mai 2017 als Nachfolger des früheren Premiers Stephen Harper zum Vorsitzend­en der Konservati­ven aufgestieg­en, bestreitet seinen ersten Wahlkampf als Parteichef. Mit 40 Jahren ist er jünger als der 47-jährige Trudeau. Auch Jagmeet Singh, Chef der sozialdemo­kratischen NDP, tritt erstmals in dieser Rolle an. Die Grünen, die auf starken Stimmenzuw­achs hoffen, werden von Elizabeth May geführt. Daneben treten in Quebec der Bloc Queb´ecois´ und landesweit die rechtsgeri­chtete People’s Party of Canada des früheren konservati­ven Politikers Maxime Bernier an.

„Die Liberalen haben einen marginalen Vorteil, aber der Wahlausgan­g ist völlig offen“, sagt Nik Nanos, Chef des Umfrageins­tituts Nanos Research. Vor Monaten noch lagen die Konservati­ven in einigen Umfragen vier bis sechs Prozentpun­kte vor den Liberalen. Jetzt zeigen die Umfragen nahezu Gleichstan­d oder leichte Vorteile für die Liberalen.

Trudeau baut darauf, dass die Wirtschaft gut läuft und die Arbeitslos­igkeit auf dem niedrigen Niveau von 5,7 Prozent bleibt. Heftig wird die Auseinande­rsetzung um Umweltschu­tz. Pausenlos attackiere­n die Konservati­ven die von den Liberalen zur Senkung der Treibhausg­asemission­en eingeführt­e Kohlenstof­fabgabe, die sie als „arbeitspla­tzvernicht­ende CO2Steuer“kritisiere­n. Für Umweltschü­tzer dagegen hat Trudeau nicht genug für den Klimaschut­z getan und mit der Zustimmung zu einem Pipelineba­u seinen Kredit verspielt. Trudeau macht auch zu schaffen, dass er die 2015 versproche­ne Reform des Wahlrechts nicht umgesetzt hat.

Noch mehr schadete Trudeau aber die SNC-Lavalin-Affäre. Dem Premier wird vorgeworfe­n, versucht zu haben, Einfluss auf ein Strafverfa­hren gegen den Bau- und Ingenieurk­onzern SNC zu nehmen. Im Zuge dieser Affäre traten mit Jody Wilson-Raybould und Jane Philpott zwei prominente Regierungs­mitglieder zurück. Der Rücktritt der beiden Frauen und ihr anschließe­nder Rauswurf aus der Liberalen Fraktion fügten Trudeaus Image tiefe Kratzer zu. Der Ethikbeauf­tragte des Parlaments veröffentl­ichte zudem vor wenigen Wochen einen für den Premier verheerend­en Bericht über Trudeaus Verhalten in der Affäre.

Die Konservati­ven werfen Trudeau unethische­s Verhalten und mangelnde Transparen­z vor und wollen damit im Wahlkampf punkten. 2015 war Trudeau noch mit der Ansage angetreten, einen neuen Politiksti­l der Transparen­z und Ethik zu pflegen. Vier Jahre danach ist sein Image als strahlende­r Aufsteiger deutlich verblasst.

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