Warum ein Italiener für Sparpläne zuständig ist
Neue EU-Kommission. Dass Ursula von der Leyen ausgerechnet den linksgerichteten Ex-Premier Paolo Gentiloni zum Wirtschaftskommissar machen will, verwundert viele. Die Ernennung ist ein deutliches Signal an das kriselnde Rom.
Ein Italiener, der für Spardisziplin in Europa zuständig ist – und das im Team einer Deutschen. Dass die designierte EUKommissionschefin Ursula von der Leyen, Vertraute von Sparmeisterin Angela Merkel, ausgerechnet den linksgerichteten Paolo Gentiloni für das gewichtige Wirtschaftsressort vorsieht, sorgt unter konservativen EU-Parlamentariern für Unmut.
Denn Italiens ExPremier ist als Wirtschaftskommissar auch für den EU-Stabilitätspakt zuständig, muss also besonders seinem tief verschuldeten Heimatland genau auf die Finger schauen. Allein im vergangenen Jahr entging die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft zwei Mal knapp einem EUVerfahren wegen zu hoher Ausgabeplänen (bei einer Staatsverschuldung von 132 Prozent des BIPs).
Möglicherweise war genau dieses schwierige Verhältnis zwischen Italien und der EU-Kommission Grund für die Ernennung des 64-Jährigen: Nach einem angespannten Jahr herrscht zwischen Rom und Brüssel jetzt wieder De-´ tente – Gentilonis Nominierung ist ein Signal für einen Neuanfang. Nach Austritt der rechten, euroskeptischen Lega regiert die Fünf-Sterne-Bewegung jetzt mit Gentilonis EU-freundlichen Linksdemokraten, Premier Giuseppe Conte hat sich ausdrücklich zum EUKurs bekannt. Wobei er sowohl bei seiner Antrittsrede als auch bei seinem gestrigen Antrittsbesuch in Brüssel durchblicken ließ, dass seine Regierung Ausgaben plant, um die stagnierende Wirtschaft anzukurbeln. Die Feuerprobe für die EU-Beziehung steht mit Italiens Budgetplan für 2020 bevor, der im Herbst verabschiedet wird: Das Defizit könnte darin erneut höher ausfallen, als Brüssel genehm ist.
Ex-Journalist und Aristokrat
Vielleicht will von der Leyen mit Gentiloni den EU-Kurs Italiens absichern. Als Kommissar und somit Hüter der EU-Verträge muss der Italiener daheim unbeliebte EUPositionen durchsetzen. Gentiloni ist in Rom ein Schwergewicht: Viele hätten sich ihn wieder als Premier gewünscht. Der Ex-Journalist mit aristokratischen Wurzeln machte sich erst als Außenminister (2014-16) und später als Premier (2016-18) durch seine sachliche, unaufgeregte Art einen Namen. Damals war er der Politiker mit den höchsten Zustimmungsraten im Land. Wegen parteiinterner Streitereien trat er 2018 allerdings nicht als Spitzenkandidat an. Gentiloni wird die Aufgabe als strenger Prüfer der italienischen Finanzen nicht leicht fallen. Er selbst äußerte sich stets skeptisch über einen zu rigorosen Sparkurs: Auch während seiner Amtszeit kam es zu Reibereien mit Brüssel. Seit Jahren pochen Gentilonis Linksdemokraten auf eine Lockerung der EU-Schuldengrenze. Dies fordert übrigens auch die Regierung Conte.
Manch einer in Rom hofft, dass diese Ernennung ein Zeichen eines finanzpolitischen Umdenkens in Berlin und Brüssel ist – auch angesichts der drohenden Rezession in Deutschland. Derzeit ist das wohl Wunschdenken: Für eine Vertragsänderung müssten alle EU-Mitglieder zustimmen – und der Widerstand ist groß. Andere weisen darauf hin, dass von der Leyens Vertrauen in Gentiloni nicht blind ist: So hat sie ihm den Letten Valdis Dombrovski als Aufpasser zur Seite gestellte: Mit dem EU-Kommissar für Finanzdienstleistungen, dem Vize-Kommissionschef, muss sich der Italiener künftig absprechen.