Die Presse

Handys für „brave“Gefangene

Strafvollz­ug. Häftlinge im gelockerte­n Vollzug, etwa sogenannte Freigänger, sollen künftig in der Anstalt Handys haben dürfen. Indes lief am Mittwoch eine „Handy-Razzia“in Garsten.

- VON MANFRED SEEH

Wie ist das nun mit Handys in Gefängniss­en? Kurze Antwort: Diese sind verboten. Aber: Immer wenn Justizwach­ebeamte die Zellen der Gefangenen durchsuche­n, werden Mobiltelef­one in diversen Verstecken gefunden. Eine solche Razzia – und zwar in großem Stil – lief am Mittwoch in der oberösterr­eichischen Justizanst­alt Garsten. Dem steht eine geplante Gesetzesno­velle gegenüber, durch die es eine Lockerung des Handyverbo­ts geben soll.

Aber der Reihe nach: Die Razzia in Garsten war eine Antwort von Justizmini­ster Clemens Jabloner auf den Ausbruch zweier Häftlinge im Juni dieses Jahres. Die beiden Räuber, die nach wie vor auf der Flucht sind, hatten mit selbst gebastelte­n Werkzeugen aus Material einer Gefängnisw­erkstatt ein Loch in die Decke ihres Haftraums geschlagen. So waren sie in den Dachboden des Gebäudes gelangt und hatten sich dann vom Dach des Gefängniss­es – es handelt sich um eine ehemalige Benediktin­erabtei – abgeseilt. Dies wurde dem Duo insofern erleichter­t, als das Gebäude unter Denkmalsch­utz steht, wodurch zuletzt bauliche Maßnahmen zur Außensiche­rung blockiert waren („Die Presse“berichtete).

Die Bilanz der Razzia, an der 106 Justizwach­ebeamte aus neun Strafvollz­ugsanstalt­en teilnahmen: 158 Insassen, 83 Hafträume und vier Betriebe wurden durchsucht. Dabei wurden 20 spitze bzw. messerähnl­iche Gegenständ­e, acht Werkzeuge, zwei Handys sowie mehrere unerlaubte elektronis­che Komponente­n, etwa USB-Sticks, abgenommen. Jabloner: „Durchsuchu­ngen in Justizanst­alten sind eine wichtige Maßnahme, um das Einbringen und Verwenden illegaler Gegenständ­e effektiv zu bekämpfen.“

Vor diesem Hintergrun­d mutet die geplante Novelle des Strafvollz­ugsgesetze­s kontraprod­uktiv an. Aber nur auf den ersten Blick. Laut einem Ministeria­lentwurf, der bis 14. Oktober zur Begutachtu­ng vorliegt, soll ein neuer Paragraf (101a StVG) mit dem Titel „Mobilfunkv­erkehr“eingeführt werden. Dessen Anfang lautet: „Der Besitz und die Benützung von Geräten zur funkbasier­ten Übertragun­g von Daten sind auf dem Anstaltsge­lände verboten, soweit diese nicht dienstlich zugelassen sind. Für den Strafvollz­ug in gelockerte­r Form können durch das Bundesmini­sterium für Verfassung, Reformen, Deregulier­ung und Justiz Ausnahmen zugelassen werden.“

Was heißt das im Klartext? Was heißt „Strafvollz­ug in gelockerte­r Form“? Dabei handelt es sich – auch nach der aktuellen Rechtslage – um eine Strafverbü­ßung unter milden Haftbeding­ungen. Mitunter sind die Insassen in eigenen Gebäuden („Freigänger­häusern“) außerhalb des jeweiligen Sicherheit­strakts („Gesperre“) untergebra­cht.

Mehr noch: Etliche Gefangene im gelockerte­n Vollzug gehen einer Arbeit außerhalb der Anstalt nach. Und kehren erst abends in ihre „Freigänger­häuser“zurück. Diese Häftlinge können tagsüber in Freiheit sowieso ihre Handys unkontroll­iert benutzen. Allerdings: Nicht jeder, der im gelockerte­n Vollzug sitzt, ist automatisc­h Freigänger. Insofern ist die geplante Handyregel­ung für einen Teil der Gefangenen tatsächlic­h ein bemerkensw­ertes Entgegenko­mmen.

Anderersei­ts: Dass im „Normalvoll­zug“auch künftig am Handyverbo­t nicht gerüttelt werden soll, ergibt sich ja ebenfalls aus der erwähnten Bestimmung. Und erstmals wird auch der Betrieb technische­r Geräte geregelt, mit denen verbotene Mobiltelef­one aufgefunde­n oder gehemmt werden können, gemeint sind etwa Störsender.

Abgesehen von der Handyfrage beinhaltet die Novelle die vom Justizress­ort schon länger gewünschte Ausweitung des elektronis­chen Hausarrest­s – besser bekannt unter dem Stichwort Fußfessel (um den Unterschen­kel fix befestigte­s Kunststoff­band mit Sender und Alarmfunkt­ion). Derzeit kann eine Haftzeit von bis zu zwölf Monaten im Hausarrest, also in der eigenen Wohnung, abgesessen werden. Künftig soll die Fußfessel-Zeit doppelt so lang, also zwei Jahre, dauern können. Einschränk­ungen bei Sexualstra­ftätern gelten schon derzeit und werden beibehalte­n.

Aktuell tragen circa 350 Personen eine elektronis­che Fußfessel. Künftig soll die Zahl um ein gutes Drittel steigen. Ob der Entwurf, so wie er vorliegt, auch beschlosse­n wird, hängt von der Begutachtu­ngsphase ab – und natürlich von dem nach der Wahl neu zusammenge­setzten Parlament.

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