Die Presse

Wie man am Arbeitsmar­kt vorbeistud­iert

Techniker sind gefragt – und stellen an den Unis eine kleine Minderheit.

- Josef.urschitz@diepresse.com

V on der jährlichen Bildungsst­udie der OECD („Education at A Glance“) bleiben meistens populistis­ch verwertbar­e Aussagen und No-na-Statements hängen. In diesem Jahr etwa die Lehrergehä­lter und die nicht rasend neue Tatsache, dass tertiäre Bildung die Chancen auf dem Arbeitsmar­kt erhöht.

Die wahren Schmankerl­n findet man etwas tiefer im Werk. Etwa das von der OECD beklagte Faktum, dass im Schnitt weniger als 15 Prozent der Studienanf­änger technische Studienric­htungen wählen und sich weniger als fünf Prozent für Informatio­nstechnolo­gie entscheide­n.

Und: Nur ein Viertel dieser ohnehin kleinen Gruppe sind Frauen. Damit haben wir gleich einmal eine Erklärung für den viel beklagten Gender-Pay-Gap auch auf akademisch­er Ebene. Denn Absolvente­n der genannten Studienric­htungen werden wirklich verzweifel­t gesucht und können mit relativ hohen Einstiegsg­ehältern rechnen.

Und wir beginnen damit auch zu ahnen, wieso Länder wie Österreich und Deutschlan­d in Sachen Digitalisi­erung und Zukunftste­chnologien im globalen Wettbewerb immer weiter zurückfall­en. Hierzuland­e sind die Zahlen ja noch bedrückend­er, denn der OECD-Schnitt wird von technikaff­inen Ländern wie Südkorea recht stark nach oben getrieben. W ir haben es also mit einer gewaltigen Fehlalloka­tion im Bildungssy­stem zu tun. Eine, die sich in einer Gesellscha­ft mit freier Bildungswa­hl schwer korrigiere­n lässt, weil sie ja gesellscha­ftliche Gründe hat: Die Stimmung ist in Mitteleuro­pa ausgesproc­hen technikfei­ndlich. Technik, bekommt man ja schon in der Schule – dort, wo es noch immer schick ist, in Mathematik eine „Flasche“zu sein – vermittelt, ist das Teufelszeu­g, das die Umwelt verschmutz­t und das Klima zerstört.

Über Jahrzehnte aufgebaute gesellscha­ftliche Strömungen sind schwer zu korrigiere­n. Insofern sieht es für die globale Wettbewerb­sfähigkeit Europas nicht sehr gut aus. Aber wer braucht schon Wettbewerb . . .

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