Die Presse

Jubel in Wien für irischen Folkrockmu­siker

Hoziers Debüt im Konzerthau­s wirkte wie ein Heimspiel. Sogar seine ruhigen Lieder lösten Euphorie aus.

- VON SAMIR H. KÖCK

„Ich würde es sehr schätzen, wenn ihr die Sitze als bloßen Vorschlag interpreti­eren würdet“, meinte Hozier nach wenigen Songs. Und schon sprangen die Massen im großen Saal des Wiener Konzerthau­ses auf, drängten gegen die Bühne. Hozier hat mit seinem heuer erschienen­en, zweiten Album „Wasteland, Baby!“bewiesen, dass seine anspruchsv­olle Mischung aus Folk, Blues und Gospel dauerhaft hitparaden­tauglich ist. Vielen galt der aus Dublin stammende 30-Jährige nämlich zunächst als One-Hit-Wonder. 2014 war sein Gospeltune „Take Me to Church“in aller Ohren. Daran anzuschlie­ßen schien schwierig. Doch Hozier schaffte Platz eins in den USA und übertrumpf­te sich selbst – das Debüt schaffte nur Platz zwei. Für den Erfolg engagierte er eine Menge Musiker(innen) aus Nashville, kollaborie­rte mit US-Soul-Stars wie Mavis Staples und Booker T. Jones.

Das mit Mavis Staples eingesunge­ne „Nina Cried Power“war die dritte Nummer des Abends. Obwohl es Hozier mit delikatem Zungenschl­ag intonierte, ging die mächtige Stimme von Staples, einer Bürgerrech­tsikone der Sechzigerj­ahre, ab. „It’s not the song, it’s the singin’, it’s the heaven of the human spirit ringin’, it’s the bringin’ of the line“, sang Hozier mit gepresster Stimme zum jubilieren­den Harmoniege­sang seiner Band. Das Lied erinnerte an die expressive Kunst der Afroamerik­aner der 60er- und 70er-Jahre, als politische und gesellscha­ftskritisc­he Inhalte wichtiges Thema der Popmusik waren. Etwas, das trotz finsterer Zeiten ein wenig in Vergessenh­eit geraten ist. Nicht bei Hozier, der mit voller Stimme zur Revolution aufrief: „It’s not the wakin’, it’s the rising.“

Hozier beherrscht auch die Kunst der Minne. Etwa wenn er in die attraktiv verschlepp­ten Rhythmen von „Would That I“Bekenntnis­haftes a` la „I still worship the flame“einwebt. Ein Highlight: das bluesige „To Be Alone“, für das Hozier eine eigentümli­che Gitarre spielte. Ihr Korpus bestand aus einem Ölkanister der Marke Mercury, was ihren Sound angenehm exotisch machte. Einprägsam war „Someone New“, dessen Refrain eine Leichtigke­it hatte, die beim nachdenkli­chen Hozier rar ist. Das größtentei­ls weibliche Publikum jubelte schon bei den ersten Klängen von „Angel of Small Death & The Codeine Scene“frenetisch. Überrasche­n konnte Hozier mit einer Ansage, in der er über das nicht morgen zu erwartende Ende des Universums dozierte. Aber auch mit der ersten Zugabe, dem kaum je gespielten „As It Was“. Dass bei „Take Me to Church“alles Kopf stand, war zu erwarten. Dass aber auch ruhige Lieder so viel Jubel auslösten, erstaunte.

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