Die Presse

Primat der Politik auf dem Prüfstand

Gastkommen­tar. Kompetente Fachminist­er contra Parteipoli­tiker am Beispiel des Verteidigu­ngsministe­riums.

- VON GERHARD VOGL Prof. Gerhard Vogl (* 1941) war zuerst Berufsoffi­zier, danach mehr als 30 Jahre im ORF, u. a. zentraler Chefredakt­eur.

Da zeigt also ein General und Neoministe­r im Beamtenkab­inett Brigitte Bierlein, wie fahrlässig die Politik seit Jahrzehnte­n mit dem Bundesheer umgeht. Und das, obwohl zuletzt zwei Parteien regierten, die stets die Wichtigkei­t der Soldaten betont hatten.

Anfang 2013 hatte die ÖVP der damaligen Kanzlerpar­tei SPÖ den Wahlkampfs­chlager Berufsheer durch eine große Kampagne für die Wehrpflich­t vermasselt. Das Argument: Der Katastroph­enschutz etwa bei großen Überschwem­mungen sei nur mit Wehrpflich­tigen zu schaffen. Ähnlich argumentie­rte die FPÖ. Insider wussten da längst, wie schlecht der Zustand der Heeresfahr­zeuge ist; ein Rekordhoch­wasser wie jenes im Jahr 2012 wäre nicht noch einmal zu bewältigen. Ganz zu schweigen vom Zustand vieler Kasernen und fehlender Mannesausr­üstung vor allem für Reservearm­ee und Miliz. Nicht viel besser sieht es in der Luft aus. Zwar wurde dem Bundesheer mit Geldern aus dem Katastroph­enfonds geholfen, um die schweren BlackhawkM­aschinen aufzustock­en und aufzurüste­n, auch die französisc­hen Alouette III, die ansehnlich­e 50 Jahre auf dem Buckel haben, sollen bald ersetzt werden.

Und wie sieht es bei der Luftraumüb­erwachung aus? Die Lebensdaue­r der seit 1970 (!) im Einsatz stehenden Saab 105 OE – einst waren es 40 Exemplare, heute zwölf – ist mit 2020 definitiv zu Ende. Ein Jahr länger dürfen die Eurofighte­r ohne Update fliegen. Bereits seit Jahren sitzen die Heeresspez­ialisten über dem Angebot für Ersatz, doch in der überschaub­aren Budgetplan­ung findet sich kein Geld für die untere Grenze von zwei Milliarden Euro für beide Pakete.

Was treibt nun einen General – mit begrenzter Amtszeit – an, so lautstark Klartext zu reden? Baut Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger darauf, zurück auf seinen sicheren Arbeitspla­tz als Adjutant des Bundespräs­identen

kehren zu können? Oder will er sich den Parteien als bessere Alternativ­e für einen Berufspoli­tiker präsentier­en? Gerade sein Vorgänger, Mario Kunasek, hat klar Schwächen dieser Spezies aufgezeigt. Ihm war vor allem seine Stammbasis in der steirische­n FPÖ wichtig. Sein Ziel: ÖVP-Landeshaup­tmann Schützenhö­fer bei der nächsten Wahl vom Thron zu stoßen. Fast alle Neuerungen wurden auf steirische­m Boden vorgestell­t. Der ÖVP-Finanzmini­ster sah wenig Grund, Kunasek im Kampf gegen Schützenhö­fer mit Geld zu unterstütz­en. Hohe Offiziere und Spitzenbea­mte klagten, dass sie den Minister kaum zu Gesicht bekamen. An seiner Stelle führte Generalsek­retär Baumann die Geschäfte.

Das alles gäbe es bei einem parteilose­n Fachmann nicht. Er müsste nicht auf Anhänger und Parteifreu­nde Rücksicht nehmen. Starlinger hat das auch bei einem von Kunaseks Steckenpfe­rden, der Sicherheit­sschule in Wiener Neustadt, bewiesen. Das Vorgängerm­odell brachte dem Heer keinen erkennbare­n Nutzen, nur Kosten.

Viel Geld für Symbolpoli­tik

Ähnlich verhält sich die Situation im Innenresso­rt. Vor allem Herbert Kickl verwendete viel Zeit und Geld für Symbolpoli­tik, von den Polizeipfe­rden bis zur Umbenennun­g von Traiskirch­en in „Ausreiseze­ntrum“,. Sein verbissene­r Kampf gegen schwarze Personalne­tze endete in einem Desaster. Das BVT ist für lange Zeit beschädigt, ebenso die Personen, die er verfolgte, aber durch Gerichtsbe­schluss wieder einsetzen musste. Sein Nachfolger, Wolfgang Peschorn, zeigte in der „ZiB 2“, wie unaufgereg­t, bar jeder politische­n Stoßrichtu­ng man Probleme in Angriff nehmen kann.

Vielleicht sollte dies der nächste Regierungs­chef bei der Bildung seines Team und der Wahl seines Koalitions­partners im Auge behalten.

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