Die Presse

Der tägliche Sexismus im dreckigste­n aller Wahlkämpfe

Die Linken beflegeln die Damen Hörbiger, Horten, Grohmann und Stenzel. Sie irren sich, wenn sie meinen, sich so bei den Wählerinne­n einwamperl­n zu können.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Zum Autor: Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog).

Seit Ibiza ist Österreich nicht mehr dasselbe Land. Die Veröffentl­ichung des Videos, das die politische und moralische Verkommenh­eit dieser Republik dokumentie­rt, wirkte wie ein Rohrbruch. Die Kloake rinnt in alle Winkel, und es stinkt zum Himmel. Widerwilli­g sind wir Zeugen des dreckigste­n Wahlkampfs geworden, den es in Österreich je gegeben hat.

Für die Linke – und für ihre angeblich so „bürgerlich­en“und „liberalen“Freunde – steht viel auf dem Spiel. Noch einmal Türkis-Blau halten sie nämlich nicht aus. Also werden alle Mittel eingesetzt, von der monothemat­ischen KlimaGähnt­echnologie bis zum Brechmitte­leinsatz. Zufällig (wirklich nur zufällig?) sind es Frauen, die in diesen Tagen in einer Weise beleidigt und verhöhnt werden, dass einem die Grausbirne­n aufsteigen.

Die Linken beklagen lauthals, und meist auch völlig zu Recht, den latenten Sexismus in den abfälligen Bemerkunge­n ihrer Gegner über die Parteivors­itzende der SPÖ. Aber wenn der rote Gewerkscha­ftsboss Katzian im Wiener Gasometer Heidi Horten als „Aufg’spritzte mit der Zwei-MillionenK­ette“beleidigt, regt sich kein Lüfterl im Hain der Menschenfr­eundinnen und -freunde. Da herrscht klammheiml­iche Freude, denn gegen rechts sind alle Mittel recht. Heidi Horten, die großzügige Förderin von Sport und Kultur, hat auf rechtlich einwandfre­ie Weise für die ÖVP gespendet. An den Schandpfah­l mit ihr!

Zuvor tobte der Shitstorm gegen Christiane Hörbiger. Schwer zu verdauen, für die Linken, dass sich eine Schauspiel­erin von ihrem Milieu abkoppelt und für Sebastian Kurz wirbt, zumal eine, die schon einmal für Häupl und Hundstorfe­r die Trommel gerührt hat. Wie konnte sie es nur wagen, den rot-blauen Abwahlantr­ag „verblödet“zu nennen? Doch wohl nur, weil sie selbst schon ein bisserl gaga ist.

Vorige Woche bekam die viel jüngere Judith Grohmann die sexistisch­e Demütigung zu spüren. Sie hat eine gut recherchie­rte Biografie verfasst, in der Kurz einmal nicht als „Feschist“oder machtgieri

ger Aufsteiger dargestell­t wird. Das Buch war noch nicht ausgeliefe­rt, da machten sich Twitterant­en, die selbst kaum einen geraden Satz zustande bringen, schon über stilistisc­he Details lustig und bestritten Grohmanns journalist­ische Kompetenz. Sie hat übrigens ein halbes Dutzend Bücher veröffentl­icht. Eines davon wurde in sechs Sprachen übersetzt.

Diese Untergriff­e verblassen allerdings angesichts des Hasses, der FPÖBezirks­politikeri­n Ursula Stenzel entgegensc­hlägt. Ich schicke voraus, dass ich in ihrem Fall befangen bin, weil ich sie mag, seit wir vor sehr langer Zeit Kollegen in der „ZiB“-Redaktion waren. Ich habe sie als kompetente und hochanstän­dige Journalist­in in bester Erinnerung. Ursula Stenzel ist die Tochter einer konvertier­ten Jüdin, sie bekennt sich als konservati­ve Katholikin. Ausgerechn­et ihr rechtsextr­eme Neigungen zu unterstell­en, halte ich für eine Sauerei und einen absoluten Tiefpunkt des Wahlkampfe­s. Ich glaube ihr, dass sie nicht aus Sympathie mit den Identitäre­n am Fackelzug in der Wiener Innenstadt teilgenomm­en hat.

Am 12. September 1683 beendete die Schlacht am Kahlenberg die zweite Türkenbela­gerung. Die historisch­e Bedeutung des Sieges des Entsatzhee­res, das vom polnischen König Sobieski geführt wurde, steht hoffentlic­h außer Streit. Falls Rechtsradi­kale die Erinnerung an die Türken vor Wien für eine Hetze gegen die Türken in Wien heute missbrauch­en sollten, ist dem scharf entgegenzu­treten. Aber gegen das Kahlenberg-Gedenken spricht das nicht.

Nicht dass Stenzel auf der Kundgebung war, ist der Skandal, sondern dass sonst kein Politiker dort war. Die ÖVP hat ihre Traditione­n längst entsorgt, und die Blauen waren so mit der Distanzier­ung von den Identitäre­n beschäftig­t, dass ihnen dafür keine Zeit mehr blieb. Stenzel lässt sich wenigstens nicht vorschreib­en, was sie zu denken, zu sagen oder zu tun hat.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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