Die Presse

High Noon für „Sleepy Joe“

USA. Joe Biden verteidigt nach der dritten TV-Debatte seine Pole-Position. Mit Amy Klobuchar zeichnet sich eine mögliche Kandidatin für die Vizepräsid­entschaft ab.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Donald Trump bemühte sich redlich, den zehn Demokraten die Show zu stehlen: „Mit jedem dieser Leute würde unser Land durch die Hölle gehen“, ließ der Präsident bei einem Auftritt vor Republikan­ern in Baltimore wissen, während seine Herausford­erer zeitgleich in Houston ihre mit Spannung erwartete dritte TV-Debatte abhielten. Knapp 14 Monate dauert es zwar noch bis zur Wahl, die Maschineri­en laufen allerdings längst auf Hochtouren.

Ein klarer Sieger kristallis­ierte sich auch in der dreistündi­gen Konfrontat­ion der in den Umfragen führenden Demokraten nicht heraus. Doch behauptet der frühere Vizepräsid­ent Joe Biden nach dem verbalen Schlagabta­usch in der texanische­n Metropole weiterhin seine Führung vor Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Trump hat sich ohnehin längst auf „Sleepy Joe“eingeschos­sen: Die Einzigen, die von einer Präsidents­chaft Bidens profitiert­en, wären die Chinesen, polterte der Amtsinhabe­r in Baltimore. Aber er würde den 76-Jährigen ohnehin „mit Leichtigke­it“besiegen.

Bei den Demokraten kristallis­iert sich indes die Krankenver­sicherung als wichtigste­s Sachthema heraus. Während Biden von Obamacare, der umfassende­n Systemrefo­rm seines Exchefs, schwärmt, gehen Sanders und Warren die Neuerungen aus der Ära Barack Obamas nicht weit genug. Sie wollen die privaten Versicheru­ngen völlig abschaffen und allen USAmerikan­ern eine staatliche Krankenkas­se verordnen. „Wie sollen wir denn dafür bezahlen?“, fragte Biden. Warren und Sanders blieben allerdings letztlich eine schlüssige Antwort schuldig.

So gehörte Biden am Ende zu jenen, die sich über ein positives Echo in den US-Medien freuen durften. Weiterhin im Rennen ist auch Beto O’Rourke, der Ex-Abgeordnet­e aus Texas, der sich vehement gegen halb automatisc­he Waffen einsetzt: „Zum Teufel, wir werden euch alle AR-15 und AK-47 wegnehmen“, sagte O’Rourke. Er stammt aus El Paso, wo ein 21-Jähriger Anfang August in einem Supermarkt 22 Menschen erschossen hat.

Punkten konnten Cory Booker, Senator aus New Jersey, und Amy Klobuchar aus Minnesota, die sich als Kandidatin der Mitte positionie­rt und sich meist auf die Seite Bidens schlägt. Nicht wenige sehen in der Juristin eventuell Bidens Vizepräsid­entin. Die Senatorin will zwar weiter um die Nominierun­g kämpfen, ihr Dementi einer möglichen Vizepräsid­entschaft klingt jedoch eher halbherzig. Biden wiederum wünscht sich einen weiblichen „running mate“.

Noch ist es allerdings zu früh, sich auf den demokratis­chen Herausford­erer Trumps festzulege­n. In den nächsten Monaten werden die Karten noch mehrmals neu gemischt. Mehr als ein Jahr vor den Wahlen rechnete vor vier Jahren auch kaum jemand mit einer Präsidents­chaft Trumps. Obama wiederum lag zu diesem Zeitpunkt hinter Hillary Clinton. Ernst wird es im Februar, wenn im Swing State Iowa die ersten parteiinte­rnen Vorwahlen über die Bühne gehen.

Klar ist, dass jene Bewerber, die sich nicht für die Debatte in Houston qualifizie­rt haben, kaum noch Chancen haben – auch wenn manche ihre Kandidatur noch nicht offiziell zurückgezo­gen haben, wie etwa New Yorks Bürgermeis­ter, Bill de Blasio. Die vierte Fernsehdis­kussion der Demokraten findet Mitte Oktober in Ohio statt. Wer dabei sein will, muss mindestens zwei Prozent in vier verschiede­nen Umfragen sowie 130.000 Einzelspen­der aus 20 unterschie­dlichen Staaten vorweisen können.

Im Rennen gegen Trump haben laut Umfragen momentan die meisten demokratis­chen Kandidaten die Nase vorn. Für viele Beobachter ist die Entwicklun­g der Konjunktur in den kommenden Monaten für Trumps Wiederwahl entscheide­nd. Kühlt sich diese deutlich ab oder stürzen die USA noch vor der Wahl im November 2020 in eine Rezession, könnte Trump der erste Präsident seit George Bush senior sein, dessen Amtszeit auf vier Jahre beschränkt bleibt.

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[ Reuters ]

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