High Noon für „Sleepy Joe“
USA. Joe Biden verteidigt nach der dritten TV-Debatte seine Pole-Position. Mit Amy Klobuchar zeichnet sich eine mögliche Kandidatin für die Vizepräsidentschaft ab.
Donald Trump bemühte sich redlich, den zehn Demokraten die Show zu stehlen: „Mit jedem dieser Leute würde unser Land durch die Hölle gehen“, ließ der Präsident bei einem Auftritt vor Republikanern in Baltimore wissen, während seine Herausforderer zeitgleich in Houston ihre mit Spannung erwartete dritte TV-Debatte abhielten. Knapp 14 Monate dauert es zwar noch bis zur Wahl, die Maschinerien laufen allerdings längst auf Hochtouren.
Ein klarer Sieger kristallisierte sich auch in der dreistündigen Konfrontation der in den Umfragen führenden Demokraten nicht heraus. Doch behauptet der frühere Vizepräsident Joe Biden nach dem verbalen Schlagabtausch in der texanischen Metropole weiterhin seine Führung vor Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Trump hat sich ohnehin längst auf „Sleepy Joe“eingeschossen: Die Einzigen, die von einer Präsidentschaft Bidens profitierten, wären die Chinesen, polterte der Amtsinhaber in Baltimore. Aber er würde den 76-Jährigen ohnehin „mit Leichtigkeit“besiegen.
Bei den Demokraten kristallisiert sich indes die Krankenversicherung als wichtigstes Sachthema heraus. Während Biden von Obamacare, der umfassenden Systemreform seines Exchefs, schwärmt, gehen Sanders und Warren die Neuerungen aus der Ära Barack Obamas nicht weit genug. Sie wollen die privaten Versicherungen völlig abschaffen und allen USAmerikanern eine staatliche Krankenkasse verordnen. „Wie sollen wir denn dafür bezahlen?“, fragte Biden. Warren und Sanders blieben allerdings letztlich eine schlüssige Antwort schuldig.
So gehörte Biden am Ende zu jenen, die sich über ein positives Echo in den US-Medien freuen durften. Weiterhin im Rennen ist auch Beto O’Rourke, der Ex-Abgeordnete aus Texas, der sich vehement gegen halb automatische Waffen einsetzt: „Zum Teufel, wir werden euch alle AR-15 und AK-47 wegnehmen“, sagte O’Rourke. Er stammt aus El Paso, wo ein 21-Jähriger Anfang August in einem Supermarkt 22 Menschen erschossen hat.
Punkten konnten Cory Booker, Senator aus New Jersey, und Amy Klobuchar aus Minnesota, die sich als Kandidatin der Mitte positioniert und sich meist auf die Seite Bidens schlägt. Nicht wenige sehen in der Juristin eventuell Bidens Vizepräsidentin. Die Senatorin will zwar weiter um die Nominierung kämpfen, ihr Dementi einer möglichen Vizepräsidentschaft klingt jedoch eher halbherzig. Biden wiederum wünscht sich einen weiblichen „running mate“.
Noch ist es allerdings zu früh, sich auf den demokratischen Herausforderer Trumps festzulegen. In den nächsten Monaten werden die Karten noch mehrmals neu gemischt. Mehr als ein Jahr vor den Wahlen rechnete vor vier Jahren auch kaum jemand mit einer Präsidentschaft Trumps. Obama wiederum lag zu diesem Zeitpunkt hinter Hillary Clinton. Ernst wird es im Februar, wenn im Swing State Iowa die ersten parteiinternen Vorwahlen über die Bühne gehen.
Klar ist, dass jene Bewerber, die sich nicht für die Debatte in Houston qualifiziert haben, kaum noch Chancen haben – auch wenn manche ihre Kandidatur noch nicht offiziell zurückgezogen haben, wie etwa New Yorks Bürgermeister, Bill de Blasio. Die vierte Fernsehdiskussion der Demokraten findet Mitte Oktober in Ohio statt. Wer dabei sein will, muss mindestens zwei Prozent in vier verschiedenen Umfragen sowie 130.000 Einzelspender aus 20 unterschiedlichen Staaten vorweisen können.
Im Rennen gegen Trump haben laut Umfragen momentan die meisten demokratischen Kandidaten die Nase vorn. Für viele Beobachter ist die Entwicklung der Konjunktur in den kommenden Monaten für Trumps Wiederwahl entscheidend. Kühlt sich diese deutlich ab oder stürzen die USA noch vor der Wahl im November 2020 in eine Rezession, könnte Trump der erste Präsident seit George Bush senior sein, dessen Amtszeit auf vier Jahre beschränkt bleibt.