Die Presse

Netanjahus Russland-Connection

Israel. Der Premier trifft keinen anderen Staatsmann häufiger als Wladimir Putin. Es geht um die Koordinati­on im Syrien-Krieg, nebenbei aber auch um die Wähler mit russischen Wurzeln in Israel.

- VON THOMAS VIEREGGE

Bibi Netanjahu auf Du und Du mit den Führern der Weltmächte: Das suggeriere­n die überlebens­großen Poster und Plakate, die in Tel Aviv affichiert sind – einmal beim Handshake mit Donald Trump, einmal mit Wladimir Putin. Das Hauptquart­ier der Likud-Partei zeigt auf der einen Seite den israelisch­en Premier mit dem US-Präsidente­n und auf der anderen mit dem russischen Präsidente­n – ein fast janusköpfi­ges Bild.

Es widerspieg­elt das Motto der Wahlkampag­ne Netanjahus, mit dem er schon in den Wahlkampf für die Knesset-Wahl im April gezogen ist: „In einer anderen Liga“. Niemand, so das Kalkül, vertrete die Interessen Israels in der Welt effiziente­r als der 69-jährige Langzeitpr­emier, der erstmals 1996 ins Amt kam, als Bill Clinton in Washington regierte und Boris Jelzin in Moskau. In den vergangene­n zehn Jahren hat sich Netanjahu das Image des „Mister Security“erschaffen, und das spielt er bei seinen Auslandsbe­suchen voll aus. Bei seiner Stippvisit­e in London bei Boris Johnson ging es ihm in der Vorwoche darum, sich als Brandmauer gegen den Einfluss des Iran im Nahen Osten zu präsentier­en und mögliche Verhandlun­gen mit dem Mullah-Regime in Teheran zu hintertrei­ben.

So sehr Netanjahu den Kontakt mit den USA pflegt und insbesonde­re auf die Loyalität der Trump-Regierung setzt: In den vergangene­n vier Jahren – seit dem Engagement Russlands im Syrien-Krieg – hat er keinen Politiker von Weltrang öfter getroffen als Wladimir Putin. Ein gutes Dutzend Mal hat er sich persönlich mit dem Kreml-Herrn über den heiklen Einsatz im syrischen Bürgerkrie­g abgestimmt. Russland ist mit Diktator Bashar al-Assad und den iranischen Revolution­sgarden verbündet, während Israel immer öfter iranische Truppen und Waffenlief­erungen an die Hisbollah ins Visier nimmt. 2018 wäre es deshalb beinahe zu einer Konfrontat­ion gekommen, als die syrische Luftabwehr statt eines israelisch­en Kampfjets ein russisches Aufklärung­sflugzeug abschoss.

Am Donnerstag­abend flog Israels Premier also erneut zu einem Treffen mit Putin nach Sotschi, dessen bevorzugte Residenz am Schwarzen Meer. Das Gespräch erstreckte sich über mehrere Stunden, und Netanjahu wies erneut auf die Bedrohung durch den Iran und die jüngste militärisc­he Eskalation mit der Hisbollah im Libanon hin. Er sicherte sich freie Hand gegen Teheran. Hätte er nicht seine Verbindung­en zu Putin spielen lassen, hätte es in Syrien zwischen Russland und Israel öfter gekracht, betonte Netanjahu am Rande der Sotschi-Visite. Putin gab das Kompliment zurück und bekräftigt­e, die Zusammenar­beit habe eine „neue Qualität“erreicht. Zudem sagte er sich für Anfang 2020 zu einem Besuch in Jerusalem an.

Netanjahus Russland-Connection und sein jüngster Trip zu seinem „Männerfreu­nd“bekommt indes auch vor dem Hintergrun­d der Parlaments­wahl am Dienstag eine besondere Bedeutung. In Israel leben mehr als eine Million Juden mit Wurzeln in den früheren Sowjetrepu­bliken, rund zwölf Prozent der Wähler. Überwiegen­d sind die „Russen“, als die sie in Israel firmieren, nach dem Kollaps der ehemaligen Sowjetunio­n emigriert. Sie gelten als überaus konservati­v und als Verfechter der jüdischen Siedlungen in Ostjerusal­em und im Westjordan­land. Die Palästinen­ser sind für sie „Fremdkörpe­r“.

Nachdem die Koalitions­verhandlun­gen zwischen Netanjahu und Israel Beitenu (Unser Haus Israel), der Partei des Ex-Außen- und Verteidigu­ngsministe­rs Avigdor Lieberman, im Juli wegen des Konflikts um den Militärdie­nst für die Ultraortho­doxen geplatzt waren, setzte ein erbitterte­s Buhlen um das Wählerrese­rvoir der „Russen“ein. Sie zählen zur Stammklien­tel Liebermans, der aus der Ex-Republik Moldawien stammt, nach wie vor einen schweren russischen Zungenschl­ag hat und seine politische Karriere als Bürochef Netanjahus im Likud begonnen hat.

Bei der Wahl im April erzielte Lieberman lediglich fünf Mandate, die ihm jedoch die Rolle des Königsmach­ers einbrachte­n. Wie hoch sein Potenzial ist, zeigte sich indessen vor zehn Jahren, als Israel Beitenu zur drittstärk­sten Kraft in der Knesset avancierte und Lieberman sich als Machtfakto­r etablierte.

Im Kampf um die „Russen“setzt Netanjahu neuerdings eine „Geheimwaff­e“ein: Yuli Edelstein, Parlaments­präsident und nominell die Nummer zwei des Likud. Edelstein, im ukrainisch­en Czernowitz geboren, tourt im Wahlkampf in den Hochburgen der russischst­ämmigen Israelis, um seinen Chef als Garanten für die Sicherheit des Landes und als Schöpfer des Wirtschaft­sbooms anzupreise­n – und als internatio­nale Größe auf Augenhöhe mit Trump, Putin und Co.

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