Die Presse

Razzien als „Antwort“auf Moskau-Wahl

Behörden haben Büros des Opposition­ellen Nawalny in den Regionen im Visier.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Als die Polizisten seine Wohnung in Nowosibirs­k betraten, hatte Sergej Bojko das wichtigste Material schon in Sicherheit gebracht. Auf einer Drohne hatte der Lokalpolit­iker und Verbündete des Opposition­ellen Alexej Nawalny mehrere Disketten mit wichtigen Informatio­nen befestigt und diese an einen unbekannte­n Ort dirigiert. Das alles ist in einem Video auf YouTube festgehalt­en, ebenso wie die nachfolgen­de Hausdurchs­uchung.

Die Razzia in Bojkos Wohnung war eine von mehr als 150 Adressen, die die Behörden im Zusammenha­ng mit den Ermittlung­en gegen Nawalnys Stiftung diese Woche durchkämmt­en. In Büros und Wohnungen in Perm, Jekaterinb­urg, Krasnojars­k und anderen Städten beschlagna­hmten sie ebenfalls Material. Es war die bisher größte konzertier­te Aktion gegen Nawalnys Antikorrup­tionsfonds. Die russischen Behörden werfen dem Aktivisten Geldwäsche im Wert von einer Milliarde Rubel (13,7 Millionen Euro) vor. Bereits im August hatte die Justiz Ermittlung­en eingeleite­t. Nawalny weist die Vorwürfe zurück.

Für ihn steht die Aktion im Zusammenha­ng mit den russischen Lokalwahle­n vom Sonntag. Dort hatte die Strategie der „klugen Stimmabgab­e“zu Gewinnen opposition­eller Parteien im künftigen Stadtparla­ment Moskaus beigetrage­n. Mittels Repression wolle der Kreml nun politische Gegner in den Regionen loswerden. Tatsächlic­h ist Nawalny einer der wenigen opposition­ellen Akteure, die über landesweit­e Strukturen verfügen und mit ihren Enthüllung­en lokalen Vertretern der Machtelite lästig sind.

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