Wie der Donut zum Krapfen wird
Raumplanung. Wie lässt sich wieder Leben in verödete Ortskerne am Land zurückbringen? Die steirische Kleinstadt Trofaiach versucht die Wende.
Einst waren die Orte wie Krapfen. Rundherum das Nötige, in der Mitte das volle, süße Leben: Geschäfte, Lokale, Schulen, ein Ort für Begegnungen – auch, weil man an diesem zu Fuß unterwegs war. Mit diesem „süßen Leben“, wie Architekt Roland Gruber vom Planungsbüro Nonconform sagt, ist es in vielen kleineren und mittelgroßen Städten heute längst vorbei.
Arbeiten, Wohnen, Einkaufen, Schule, tägliche Besorgungen spielen sich nach Funktion getrennt in der Peripherie ab, mit dem Auto fährt man von einem Zweckbau am Ortsrand zum nächsten. Orte zerfransen, Stadtkerne und Dorfplätze sind verödet. Raumplaner sprechen von einem Donut-Effekt, außen fett, innen nichts. Österreich sei, so Gruber, Europameister bei dieser Entwicklung, wie Statistiken zum Flächenverbrauch, zur Zahl der Einkaufszentren oder zur Einkaufsfläche pro Kopf zeigen.
Lässt sich das umkehren? Diese Frage gerät, nachdem jahrzehntelang (und noch immer) Funktionstrennung und Zersiedelung betrieben wurden, zunehmend in den Fokus. „Nachdem die letzte Bank aus dem Zentrum abgesiedelt war, ist nur Tristesse geblieben“, erzählt Mario Abl, SPÖ-Bürgermeister im obersteirischen Trofaiach, aus seinem 11.160-Einwohner-Städtchen. 36 Leerstände, Durchzugsverkehr durch die Stadt, Wettbüros und Ramschläden zeigen alte Bilder der Hauptstraße. Heute ist in Trofaiach die Trendwende gelungen. Nächste Woche findet dort, in Kooperation mit Bundeskanzleramt, Städtebund und Land Steiermark, die Konferenz „Wir kümmern uns“zum Thema Zukunftsräume statt.
Wie ist in Trofaiach diese Wende gelungen? Abl spricht viel von Prozessen – von intensiver Bürgerbeteiligung (etwa in Form eines mehrtägigen Straßenfestes), Planung (auch von TU-Studenten), von einer langen, auch an Kontroversen reichen Phase des Umdenkens, die 2015 eingeleitet wurde.
Heute sieht man die Resultate: Entstanden ist etwa eine verkehrsberuhigte Begegnungszone. Ein Leerstand wurde zum TrofaiachTandler, einem Geschenkeladen mit Werkstatt, in der Menschen mit Behinderung Altes „upcyceln“. Auch eine neue Schneiderwerkstatt, ein Bauernladen oder ein leer stehendes Wirtshaus wurden mittlerweile neu eröffnet. Eine leer stehende Bank wurde zur Musikschule (diese war zuvor am Ortsrand), inklusive Konzerträumen, die man zur Straße hin öffnen kann. Seither zählt die Schule 15 Prozent mehr Schüler. Es gibt einen neuen Mobilitätsknotenpunkt mit Bus nach Leoben im 15-Minuten-Takt (das brachte ein Plus im öffentlichen Verkehr werktags um 20 Prozent, an Wochenenden um 70 Prozent).
Seit 2016 gibt es jeden Sommer ein Stadtfest, ein Openair-Kino und seit 2017 im Winter einen Adventmarkt. Im neuen Stadtmobiliar, Pflanzentrögen, wächst Gemüse, das Anrainer pflegen, und generell, sagt Abl, habe sich das Lebensgefühl verändert. Der Stadtkern sei wieder belebt, das soziale Leben funktioniere wieder. In Summe haben sich 1000 Bürger beteiligt, 800 Ideen wurden eingebracht – bei denen es, so Abl, meist weniger um große Bauten denn um Begegnungsräume gegangen sei. Umstritten hingegen war etwa die Begegnungszone. Roland Gruber spricht von viel Durchhaltevermögen, das solche Orte und diejenigen, die eine Veränderung wollen, brauchen. Im Schnitt dauere es bis zu zehn Jahre, bis sich Resultate zeigen, sagt er, der Prozesse wie in Trofaiach in etlichen Orten begleitet. Das Abziehen der Handelsketten lasse sich dabei nicht rückgängig machen – es müsse jeder Ort sein eigenes Konzept, „die passende Fülle für den Krapfen“, finden.
Und, sagt Abl, ein Ort müsse es sich auch leisten können, seinen Kern zu beleben. Die Kosten gingen, allein für die Planungsprozesse, an die Millionengrenze. Aber für derartige Projekte gebe es viel an Fördergeldern, vor allem auf EU-Ebene, schwierig sei nur, die richtigen Töpfe anzuzapfen. Da will der Städtebund helfen: Schließlich hat sich dieser ebenfalls längst die Belebung der Zentren auf die Fahnen geschrieben. In den vergangenen ein, zwei Jahren habe in vielen Städten ein Umdenken stattgefunden – Architekt Gruber schätzt, dass zumindest 20, 30 Prozent der Orte in Österreich dabei seien, eine Trendwende zu versuchen.