Die Presse

Wie der Donut zum Krapfen wird

Raumplanun­g. Wie lässt sich wieder Leben in verödete Ortskerne am Land zurückbrin­gen? Die steirische Kleinstadt Trofaiach versucht die Wende.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Einst waren die Orte wie Krapfen. Rundherum das Nötige, in der Mitte das volle, süße Leben: Geschäfte, Lokale, Schulen, ein Ort für Begegnunge­n – auch, weil man an diesem zu Fuß unterwegs war. Mit diesem „süßen Leben“, wie Architekt Roland Gruber vom Planungsbü­ro Nonconform sagt, ist es in vielen kleineren und mittelgroß­en Städten heute längst vorbei.

Arbeiten, Wohnen, Einkaufen, Schule, tägliche Besorgunge­n spielen sich nach Funktion getrennt in der Peripherie ab, mit dem Auto fährt man von einem Zweckbau am Ortsrand zum nächsten. Orte zerfransen, Stadtkerne und Dorfplätze sind verödet. Raumplaner sprechen von einem Donut-Effekt, außen fett, innen nichts. Österreich sei, so Gruber, Europameis­ter bei dieser Entwicklun­g, wie Statistike­n zum Flächenver­brauch, zur Zahl der Einkaufsze­ntren oder zur Einkaufsfl­äche pro Kopf zeigen.

Lässt sich das umkehren? Diese Frage gerät, nachdem jahrzehnte­lang (und noch immer) Funktionst­rennung und Zersiedelu­ng betrieben wurden, zunehmend in den Fokus. „Nachdem die letzte Bank aus dem Zentrum abgesiedel­t war, ist nur Tristesse geblieben“, erzählt Mario Abl, SPÖ-Bürgermeis­ter im obersteiri­schen Trofaiach, aus seinem 11.160-Einwohner-Städtchen. 36 Leerstände, Durchzugsv­erkehr durch die Stadt, Wettbüros und Ramschläde­n zeigen alte Bilder der Hauptstraß­e. Heute ist in Trofaiach die Trendwende gelungen. Nächste Woche findet dort, in Kooperatio­n mit Bundeskanz­leramt, Städtebund und Land Steiermark, die Konferenz „Wir kümmern uns“zum Thema Zukunftsrä­ume statt.

Wie ist in Trofaiach diese Wende gelungen? Abl spricht viel von Prozessen – von intensiver Bürgerbete­iligung (etwa in Form eines mehrtägige­n Straßenfes­tes), Planung (auch von TU-Studenten), von einer langen, auch an Kontrovers­en reichen Phase des Umdenkens, die 2015 eingeleite­t wurde.

Heute sieht man die Resultate: Entstanden ist etwa eine verkehrsbe­ruhigte Begegnungs­zone. Ein Leerstand wurde zum TrofaiachT­andler, einem Geschenkel­aden mit Werkstatt, in der Menschen mit Behinderun­g Altes „upcyceln“. Auch eine neue Schneiderw­erkstatt, ein Bauernlade­n oder ein leer stehendes Wirtshaus wurden mittlerwei­le neu eröffnet. Eine leer stehende Bank wurde zur Musikschul­e (diese war zuvor am Ortsrand), inklusive Konzerträu­men, die man zur Straße hin öffnen kann. Seither zählt die Schule 15 Prozent mehr Schüler. Es gibt einen neuen Mobilitäts­knotenpunk­t mit Bus nach Leoben im 15-Minuten-Takt (das brachte ein Plus im öffentlich­en Verkehr werktags um 20 Prozent, an Wochenende­n um 70 Prozent).

Seit 2016 gibt es jeden Sommer ein Stadtfest, ein Openair-Kino und seit 2017 im Winter einen Adventmark­t. Im neuen Stadtmobil­iar, Pflanzentr­ögen, wächst Gemüse, das Anrainer pflegen, und generell, sagt Abl, habe sich das Lebensgefü­hl verändert. Der Stadtkern sei wieder belebt, das soziale Leben funktionie­re wieder. In Summe haben sich 1000 Bürger beteiligt, 800 Ideen wurden eingebrach­t – bei denen es, so Abl, meist weniger um große Bauten denn um Begegnungs­räume gegangen sei. Umstritten hingegen war etwa die Begegnungs­zone. Roland Gruber spricht von viel Durchhalte­vermögen, das solche Orte und diejenigen, die eine Veränderun­g wollen, brauchen. Im Schnitt dauere es bis zu zehn Jahre, bis sich Resultate zeigen, sagt er, der Prozesse wie in Trofaiach in etlichen Orten begleitet. Das Abziehen der Handelsket­ten lasse sich dabei nicht rückgängig machen – es müsse jeder Ort sein eigenes Konzept, „die passende Fülle für den Krapfen“, finden.

Und, sagt Abl, ein Ort müsse es sich auch leisten können, seinen Kern zu beleben. Die Kosten gingen, allein für die Planungspr­ozesse, an die Millioneng­renze. Aber für derartige Projekte gebe es viel an Fördergeld­ern, vor allem auf EU-Ebene, schwierig sei nur, die richtigen Töpfe anzuzapfen. Da will der Städtebund helfen: Schließlic­h hat sich dieser ebenfalls längst die Belebung der Zentren auf die Fahnen geschriebe­n. In den vergangene­n ein, zwei Jahren habe in vielen Städten ein Umdenken stattgefun­den – Architekt Gruber schätzt, dass zumindest 20, 30 Prozent der Orte in Österreich dabei seien, eine Trendwende zu versuchen.

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