Postenschacher: Wer traut sich noch?
Jobs. Der aufgeflogene, dreiste Postenschacher bei den Casinos Austria ist für alle Beteiligten hochnotpeinlich. Jetzt fragt sich nur, ob Politiker und Aufsichtsräte ihre Lektionen gelernt haben.
Beim Personalberater Egon Zehnder bittet man höflich um Verständnis: Zur aktuellen Causa werden keine Gespräche mit Journalisten geführt. Klar: Das Unternehmen hat im vergangenen Monat das erlebt, was man in der auf Diskretion bedachten Branche getrost als Worst Case bezeichnen darf: Es war plötzlich inmitten einer politischen Affäre. Einer Postenschacher-Affäre rund um die Bestellung des FPÖlers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Einer Affäre, in der es sogar Razzien gab. Einer Affäre, in der die kritische Beurteilung Sidlos durch Egon Zehnder im Zentrum stand, weil sie ignoriert worden war. Für den Personalberater gilt also die Devise: Augen zu und durch. Doch die Frage ist jetzt: Gilt das auch für die Politik? Oder wird die Causa Glücksspiel dereinst als Zäsur bezeichnet werden können? Postenschacher – wird sich das überhaupt noch jemand trauen?
Was dafür spricht: Postenbesetzungen mit politisch verdienten Personen gibt es in Österreich schon seit Jahrzehnten. Es ist ein eingefahrenes System: Ein Job wird ausgeschrieben, ein Personalberater hinzugezogen, eine sogenannte Shortlist der in die Endrunde gekommenen Kandidaten verfasst, es finden Hearings statt und schließlich die Ernennung einer Person. Die allerdings meist schon von Anfang an feststand.
Und Personalberater haben da auch gut und gern mitgemacht. Man hat sich mit der Politik arrangiert, weil die Alternative wohl gewesen wäre, keine Aufträge mehr zu bekommen. Einer, der aus verständlichen Gründen nicht namentlich erwähnt werden möchte, erzählt der „Presse“: „Ich habe vor langer Zeit meinem Auftraggeber, einem Ministerium, mündlich mitgeteilt, dass ich beim Wunschkandidaten skeptisch bin.“Die Folge sei gewesen, dass er prompt abgezogen worden sei. „Ich habe auch von dort nie mehr einen Auftrag bekommen.“
Trotzdem sieht die Branche der Personalberater jetzt die Möglichkeit, dass sich etwas ändert. Und begründet das mit dem „sehr mutigen“Vorgehen von Egon Zehnder im Jänner dieses Jahres: In einer schriftlichen Evaluierung hatte der Personalberater den FPÖ-Wunschkandidaten Peter Sidlo als nicht unbedingt geeignet für die Funktion des Casinos-Finanzvorstands bezeichnet. Sehr peinlich, zumal das Papier mittlerweile öffentlich wurde. „Egon Zehnder hat unserer Branche sehr geholfen“, meint ein Konkurrent, „weil sich seitens der Politik niemand mehr sicher sein kann, dass
so etwas in Zukunft nicht wieder passiert.“
Obwohl, die politische Postenbesetzung bei den Casinos Austria war schon ein besonders dreister Sonderfall: Aufsichtsratspräsident Walter Rothensteiner wollte die Vorstandsbestellung explizit mit Egon Zehnder durchziehen, an anderen Personalberatern gab es kein Interesse. Außerdem wurde Egon Zehnder nicht mit der Suche von Vorstandskandidaten betraut – er sollte bloß die bereits ins Auge gefassten fünf Kandidaten evaluieren. Und – man muss es auch einmal offen aussprechen: Die unappetitliche Sache wäre wohl auch nicht in dem Umfang publik geworden, gäbe es bei den Casinos nicht mehrere Großaktionäre, die untereinander arg zerstritten sind.
Trotzdem: Die Angelegenheit hätte durchaus das Zeug dazu, in Österreich ein Umdenken zu bewirken. Denn nach und nach müssen auch Aufsichtsratsmitglieder, die bisher politische Wünsche brav abnickten, erkennen, dass sie im Ernstfall gut und gern im Regen stehen gelassen werden. Und natürlich selbst die Verantwortung für Postenscha
cher tragen. FPÖ-Politiker, die in den vergangenen Wochen zur Bestellung Peter Sidlos befragt wurden, erwiderten jedenfalls aufreizend unschuldig: „Die Postenbesetzung war Sache des Aufsichtsrates.“Und damit haben sie sogar recht.
Als Gerhard Roiss im Frühling als Aufsichtsratspräsident des Stromkonzerns Verbund abdankte, wurde hinter vorgehaltener Hand Folgendes erzählt: Roiss habe Ende 2018 im Aufsichtsrat den politischen Wunsch durchgeboxt, den oberösterreichischen ÖVPLandeshauptmann-Stellvertreter Michael Strugl als Verbund-Vizechef zu inthronisieren. Und als sich die Öffentlichkeit über den Postenschacher alterierte, soll Roiss maßlos enttäuscht gewesen sein. Über die Politik nämlich, die ihm die Rückendeckung verweigerte.
Späte Erkenntnis für Aufsichtsräte: Erfüllungsgehilfen ernten nicht immer Dankbarkeit. Und Schützenhilfe auch nicht.
Wie geht es also weiter? Das werden die nächsten anstehenden Postenbesetzungen zeigen. Da wäre zuallererst die Besetzung des Chefsessels in der Statistik Austria. Konrad Pesendorfers Vertrag läuft ja mit Jahresende aus. Eigentlich hätte der Posten schon längst ausgeschrieben werden müssen, doch die Übergangsregierung will der nächsten, gewählten Regierung nicht vorgreifen. Und die Ernennung des Statistik-Chefs ist immer noch Sache des Bundeskanzlers. Da wird also der nächste Kanzler selbstverständlich eine Person seines Vertrauens mit dem wichtigen Amt betrauen. So wie das weiland Werner Faymann gemacht hat: Pesendorfer kam aus seinem Kabinett.
Der mächtige Job wird also fraglos politisch besetzt werden. Geschenkt.
Und sonst? Interessant wird die Bestellung eines fünften Vorstands bei der teilstaatlichen OMV. Der Posten ist seit Mai vakant. Dem Vernehmen nach ist ein Headhunter schon auf der Suche nach einer geeigneten Person. Doch in Wien hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der Posten so lang freigehalten werde, um nach der Nationalratswahl flexibel sein zu können. Es könnte ja sein, dass nicht alle bisherigen Regierungsmitglieder wieder ihren Job von vor ein paar Monaten zurückbekommen. Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck wird in diesem Zusammenhang gern genannt, aber sie hat schon dementiert, Interesse an dem OMV-Job zu haben.
Man wird sehen. Ebenso bei den ÖBB. Dort läuft der Vertrag von Chef Andreas Matthä zwar erst im Mai 2021 aus. Aber im kommenden Frühjahr wird der Aufsichtsrat entscheiden müssen, ob der Vertrag des roten Managers verlängert wird oder nicht.
Postenschacher – wer traut sich noch? Personalberater und Aufsichtsräte dürften jedenfalls schon sensibilisiert sein. Politiker auch?