Die Presse

Österreich­s Luftfahrt droht ein heißer Herbst

Arbeitskam­pf. Die Gewerkscha­ft wirft den Billig-Airlines Lohn- und Sozialdump­ing vor und fordert vehement einen Branchen-Kollektivv­ertrag. Die Wirtschaft­skammer als Sozialpart­ner lehnt diesen vehement ab. Für Brisanz ist gesorgt.

- VON HEDI SCHNEID

Die befürchtet­e Wiederholu­ng des Streik- und Chaos-Sommers, der im Vorjahr in ganz Europa für den Ausfall Hunderter Flüge und entspreche­nden Ärger Tausender Reisender gesorgt hat, ist heuer ausgeblieb­en. Abgesehen vom jüngsten zweitägige­n Ausstand bei British Airways verlief die Hochsaison im Flugverkeh­r ruhig. So weit die gute Nachricht.

Die schlechte: In Wien droht der Streit um einen Branchen-Kollektivv­ertrag für alle in Österreich aktiven Fluglinien zu eskalieren. „Wir sind sofort gesprächsb­ereit“, sagt Daniel Liebhart, Vorsitzend­er des Fachbereic­hs Luftfahrt in der Gewerkscha­ft Vida, zur „Presse“. Sollte die Wirtschaft­skammer als Sozialpart­ner jedoch weiterhin diesbezügl­iche Gespräche blockieren, „werden wir Kampfmaßna­hmen setzen müssen“.

Und weil das noch nicht alles ist, nützen die Fluglotsen der Austro Control die Kampfstimm­ung und lassen ebenfalls die Muskeln spielen.

Den Vorgeschma­ck auf einen heißen Herbst gab es schon am Mittwoch in Form von Betriebsve­rsammlunge­n bei AUA, Eurowings, Level und Lauda, weshalb die AUA vorsorglic­h 24 Flüge strich, wovon rund 1500 Passagiere betroffen waren. Die Fortsetzun­g folgte gestern, Freitag. Da lud die Gewerkscha­ft Vida die Lotsen am Tower in Wien zu einer Betriebsve­rsammlung. Trotz der Beteuerung, man wolle die Einschränk­ungen im Flugverkeh­r zwischen 15 und 17 Uhr gering halten, gab es Flugausfäl­le.

Inhaltlich unterschei­den sich die Anliegen der Gewerkscha­ft Vida und der Betriebsrä­te bei den Airlines und der Austro Control zwar stark – es gibt aber einen gemeinsame­n Nenner: Der heißt Arbeitskam­pf. Dabei geht es nicht nur um höhere Bezahlung, sondern auch um bessere Arbeitsbed­ingungen. Beides will die Gewerkscha­ft bei allen in Wien stationier­ten Airlines in einem Branchen-Kollektivv­ertrag festgezurr­t wissen.

Bei den Fluglinien rumort es seit Monaten. Die Gewerkscha­ft wirft den Billig-Airlines, die sich nach der Pleite von Air Berlin und deren Tochter Niki in die Lücke gesetzt haben und sich einen beinharten Preiskampf liefern, Lohn- und Sozialdump­ing vor. Ein besonderer Dorn im Auge sind Liebhart die ungarische Wizz Air und die IAG-Tochter Level. Während die AUA, aber auch ihre Schwester im Lufthansa-Konzern, Eurowings, und auch die Ryanair-Tochter Lauda einen eigenen Kollektivv­ertrag haben, gibt es so ein Regelwerk bei den beiden Konkurrent­en und auch bei EasyJet nicht. Wizz Air beschäftig­t ihr Personal über Einzelvert­räge oder Leasingfir­men im Ausland. Bei Level wurden die KV-Verhandlun­gen abgebroche­n.

Der Branchen-KV soll faire Mindeststa­ndards schaffen, sagt Liebhart. So etwa lägen die Einstiegsg­ehälter bei Flugbeglei­tern weit unter 1500 Euro brutto, bei Wizz Air sollen es nur rund 1000 Euro sein. Die Gewerkscha­ft fordert deshalb mindestens 1700 Euro brutto pro Monat. Außerdem sollten die Dienstzeit­en besser planbar sein und nicht ohne Zustimmung der Mitarbeite­r verschoben werden können. Wobei Liebhart einräumt, dass jede Airline andere Anforderun­gen habe und der Branchen-KV daher nur den Rahmen vorgeben sollte. Darunter könnte jede Airline noch ein eigenes Regelwerk haben.

Die Wirtschaft­skammer (WKO) sieht das ganz anders und lehnt einen Branchen-KV vehement ab. Sie fürchtet, dass die BilligAnbi­eter, die von den geringen Kosten leben, wieder abwandern könnten, zumal sich ein flächendec­kender KV an dem höheren AUA-Niveau orientiere­n würde. „Wir haben für rund 8000 Beschäftig­te individuel­le Kollektivv­erträge und damit gute Erfahrunge­n gemacht“, sagte kürzlich Manfred Handerek, Leiter der Berufsgrup­pe Luftfahrt in der WKO. 500 Mitarbeite­r bei Wizz Air und Level seien nicht erfasst. Diese Airlines würde ein höheres Niveau – bzw. die von der Vida angedrohte Satzung auf den AUA-KV – überforder­n.

Liebhart lässt dieses Argument nicht gelten. „Dann kostet halt ein Ticket nicht 9,90, sondern 29,90 Euro.“Und er führt ins Treffen, dass die beiden Fluglinien auch keine Sozialabga­ben in Österreich zahlen. „Das schadet unserer Volkswirts­chaft.“

Um ganz andere Summen geht es bei den Fluglotsen, die freilich auch eine äußerst anspruchsv­olle Tätigkeit ausüben. Bei ihnen liegt das Anfangsgeh­alt bei 5000 Euro brutto – bei der Tarifrunde im April wurde eine Erhöhung um bis zu drei Prozent und ein weiteres Plus von zwei Prozent ab Juli vereinbart.

Das reicht Liebhart, der Lotse und auch Betriebsra­tschef der Austro Control ist, nicht. „Die deutschen Lotsen starten mit 9500 Euro“, sagt er und verweist auf den Lotsenmang­el in Europa. Engpässe in Deutschlan­d und Frankreich waren im vorigen Sommer eine der Hauptursac­hen für das Flugchaos. Allein ein einziges Control Center der Deutschen Flugsicher­ung suche 100 Lotsen. „Wenn wir da hinwechsel­n . . .“, sagt Liebhart, ohne den Satz zu vollenden. Insgesamt beschäftig­t die Austria Control 350 Lotsen.

Um den Lotsenberu­f attraktive­r zu machen, wird jetzt eine Erweiterun­g des KV verhandelt. „Die Gespräche über ein neues Gehaltsmod­ell für Fluglotsen nehmen einen sehr guten Verlauf“, sagt dazu Unternehme­nssprecher Markus Pohanka. Man habe bereits konkrete Angebote und eine neue Betriebsve­reinbarung auf den Tisch gelegt. Weshalb für die Betriebsve­rsammlung keine Veranlassu­ng bestehe.

Liebhart sieht das anders. Er fordert nicht nur eine weitere Gehaltserh­öhung, ihm geht es vor allem um bessere Arbeitsbed­ingungen: Ein neues Schichtsch­ema soll den jetzt von vielen Überstunde­n und Unregelmäß­igkeiten geprägten Arbeitsall­tag „planbarer und gesünder“machen. „Nur so können wir junge Menschen anwerben.“

Das erfolgt wieder bei einem „Recruiting-Day“am 14. September. Da können Interessen­ten hinter die Kulissen schauen. Pro Jahr werden 40 Trainees aufgenomme­n.

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