Leistungsbilanz-Kaiser
Deutschland. Ökonomen sehen den weltweit größten Überschuss kritisch und warnen vor Kreditausfällen.
Deutschland wird nach Berechnungen des Ifo-Instituts trotz Konjunkturabkühlung und der Exportflaute das vierte Jahr in Folge den höchsten Überschuss in der Leistungsbilanz ausweisen. „2019 wird er bei 276 Mrd. Dollar liegen“, sagte Ifo-Ökonom Christian Grimme am Freitag. Mit großem Abstand auf Platz zwei folgt Japan mit 188 Mrd. Dollar vor China mit 182 Mrd. Dollar.
Der enorme deutsche Überschuss resultiert daraus, dass weit mehr Waren und Dienstleistungen ins Ausland verkauft als von dort bezogen werden. Obwohl die Exporte in den ersten sieben Monaten nur um 1,0 Prozent zulegten, ergab sich ein Handelsüberschuss von fast 139 Mrd. Euro.
Deutschland steht wegen dieses Überschusses international seit Jahren am Pranger. EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds und US-Präsident Donald Trump gehören zu den Kritikern. Letzterer sieht sein Land im Handel benachteiligt und droht deshalb mit Strafzöllen auf europäische Autos. Laut Ifo werden die USA heuer mit rund 480 Mrd. Dollar das weltweit höchste Defizit in der Leistungsbilanz ausweisen – trotz Strafzöllen gegen zahlreiche chinesische Produkte. „Der Handelskonflikt belastet die Ausfuhrund die Einfuhrseite, sodass die Effekte auf die Leistungsbilanzsalden in diesem Jahr noch recht gering sein dürften“, sagte Grimme.
Gemessen am BIP dürfte der Leistungsbilanzüberschuss 2019 das vierte Jahr in Folge fallen, und zwar auf 7,1 Prozent. 2015 gab es mit 8,5 Prozent einen Höchststand. Die EU hält höchstens sechs Prozent für langfristig tragfähig: Sie verweist auf die Defizite, die solch großen Überschüssen gegenüberstehen, und warnt vor den hohen Schulden von Defizitländern.
Das sagt auch Ökonom Grimme: „Deutschland baut damit mehr finanzielle Forderungen gegenüber dem Ausland auf als das Ausland gegenüber Deutschland.“Mit den Waren werden auch Kredite zu deren Finanzierung mitgeliefert. (Reuters)