Die Presse

Argentinie­r flüchten in den Schwarzmar­kt

Wirtschaft­skrise. Argentinie­n ist zum dritten Mal in diesem Jahrhunder­t pleite. Das trifft vor allem arme Menschen. Sie können sich kein Essen mehr leisten und helfen sich mit Tauschgesc­häften.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Gestürmte Einkaufslä­den, Warteliste­n für Suppenküch­en, Arbeitslos­igkeit, Armut: Argentinie­n ist im Ausnahmezu­stand.

Jetzt flüchten immer mehr Menschen in den Schwarzmar­kt. In WhatsApp-Gruppen organisier­en Hunderte private Flohmärkte. Dort tauschen sie das, was sie noch haben, gegen das, was sie am ehesten gebrauchen können. Viel ist es nicht. Denn ein Drittel der Argentinie­r lebt an der Armutsgren­ze. Für sie sind Lebensmitt­el zu einem Luxusgut geworden. Die Bürger können sich den normalen Einkauf nicht mehr leisten und flüchten daher in Tauschgesc­häfte. Die immer profession­eller organisier­t werden. Für viele ist es die einzige Chance zu überleben.

Denn in den wenigen Suppenküch­en gibt es inzwischen Warteliste­n. Eine Hungersnot droht. Deswegen fordert die Opposition das Ausrufen eines Lebensmitt­elnotstand­s. Aktivisten haben wichtige Straßen blockiert, Regierungs­gebäude belagert und Einkaufsze­ntren gestürmt.

Doch die Regierung bleibt untätig. In den vergangene­n Wochen hat sich die Lage zugespitzt, nachdem der amtierende Präsident, Mauricio Macri, bei der Präsidents­chaftsvorw­ahl gegen den Opposition­skandidate­n Alberto Fernandez eine herbe Niederlage erlitten hatte. Der Wahlausgan­g führte zu einem massiven Verkauf der argentinis­chen Vermögensw­erte. Investoren befürchten, dass Macri seine marktfreun­dliche Haltung aufheben und eine populistis­che Wirtschaft­sagenda umsetzen wird. Die offizielle Abstimmung für das Präsidente­namt findet nun am 27. Oktober statt.

Die starke Abwertung des Peso ließ die Inflation im August in die Höhe schnellen. Die Preise stiegen im August um vier Prozent gegenüber dem Vormonat. Bei dem Versuch, die Abwertung zu bremsen, verlor die argentinis­che Zentralban­k rund zehn Milliarden Dollar, knapp 20 Prozent der Devisenres­erven. Die Analysten gehen nun davon aus, dass die Inflation im September weiter ansteigen wird. Ein herber Rückschlag für Macri. Er hatte seit seiner Machtübern­ahme 2015 wiederholt versproche­n, dass es „einfach“sein würde, die Inflation zu senken, und dass die hohe Inflation ein Zeichen für eine inkompeten­te Regierung gewesen sei. Die jährliche Inflation hat sich von rund 25 Prozent im Jahr 2015 auf 54,5 Prozent in den letzten zwölf Monaten mehr als verdoppelt.

Argentinie­n steckt in der Schuldenfa­lle. Die Staatsvers­chuldung entspricht inzwischen beinahe 90 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Die Kurse argentinis­cher Staatsanle­ihen stürzten ab, die Zinssätze, die das Land für neue Schulden zahlen muss, schossen in die Höhe. Es ist nach 2001 und 2014 die dritte Pleite Argentinie­ns in diesem Jahrhunder­t.

Die Schulden in Höhe von 101 Milliarden Dollar beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) und anderen Gläubigern werden umgeschich­tet, also können sie wohl kaum zurückbeza­hlt werden. Es war die bisher größte Rettungsak­tion in der Geschichte des IWF.

Frisches Geld sollte der IWF am 15. September nachschieß­en. Geäußert hat sich der Hilfsfonds aber noch nicht dazu, wann die nächste Kredittran­che in Höhe von 5,4 Milliarden Dollar ausgezahlt wird. Wird es überhaupt zu einer Auszahlung kommen? Die populistis­che Haltung Macris dürfte auch dem US-amerikanis­chen Ökonomen David Lipton, der seit dem Rücktritt von Christine Lagarde den Fonds leitet, nicht entgangen sein. Wahrschein­lich wird der IWF Maßnahmen zur Restruktur­ierung verlangen.

Sollte die Kreditgebe­rin nicht zahlen, dürfte das die Regierung Macris weiter unter Druck setzen. Egal ob Macri oder Fernandez die Regierung fortsetzt, es wird keine leichte Aufgabe sein.

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