Muss dieses ewige Gegeneinander sein?
Die Gründerin der Wiener Politweiber auf Facebook über digitale Diskussionskultur in emotional aufgeladenen Wahlkampfzeiten.
Im Mai dieses Jahres gründete ich spontan die geschlossene Facebook-Gruppe Wiener Politweiber. Aus der Idee der Vernetzung und des Austauschs zu politischen Themen entstand der Wunsch, eine Gruppe zu schaffen, in der man sachlich und respektvoll debattiert. Ein Safe Space, in dem Frauen sich austauschen und Interesse an den politischen Überzeugungen anderer zeigen können.
Binnen weniger Tage hatte die Gruppe über 3000 Mitglieder – für mich die größte Überraschung, anscheinend war der Bedarf nach genau solchem Austausch groß. Dankenswerterweise hatte ich sofort Hilfe bei der Administration – denn schnell war klar: Wenn die Gruppe schon so groß ist, dann ist sie ein Raum, wo unterschiedlichste politische Meinungen und Positionen Platz haben müssen – und das muss gut moderiert sein. Nur Gesinnungen, die sich jenseits der
Menschenrechte befinden, werden in der Gruppe nicht akzeptiert.
Der Anspruch, den wir an die Frauen stellten: Bitte diskutiert sachlich. Es geht nicht darum, die andere zu überzeugen, sondern darum, die andere zu verstehen – oder eben auch nicht. Aber deshalb muss man nicht gleich in Streit geraten oder sich gegenseitig herabsetzen. „Schaffst du nie“; sagten mir zynische Bekannte. „Es muss doch machbar sein, dass man sich über Politik unterhält, ohne sich gleich gegenseitig zu beschimpfen“, dachte ich stur.
Dieses ewige Gegeneinander, und sei es innerparteilich, ermüdet. Selbst seit Jahrzehnten eine leidenschaftliche Grüne, stellte ich meine persönliche Meinung hintan und versuchte, als Moderatorin übergreifend zu agieren.
Viele verstanden und verstehen es einwandfrei, selbst Reizthemen wie etwa Impfpflicht, Kopftuchverbot oder Fleischkonsum sachlich, respektvoll und ohne hochkochende Wut zu diskutieren – eine echte Wohltat im Vergleich zu diesbezüglichen Diskussionen andernorts. Hier entstehen neue Meinungen, es herrscht Austausch und Respekt vor den Positionen anderer. Diese sicher nicht ruhigen, aber gesitteten Debatten machen erfreulicherweise einen Großteil der Postings aus, und das macht großen Spaß. Weiter ins Detail gehe ich öffentlich nicht, da es wesentlich ist, dass die Mitglieder sich in diesem geschlossenen Rahmen sicher fühlen.
Doch eine Ausnahme gibt es, und die möchte ich ansprechen, da sie in dieser Form auch außerhalb der Gruppe beobachtbar ist: Kaum geht es um Personen, allen voran um Sebastian Kurz, gehen einzelnen Gruppenmitgliedern die Emotionen durch – und zwar von beiden Seiten. Sowohl die Gegnerinnen als auch seine Befürworterinnen legen diesem Mann gegenüber eine Stimmung an den Tag, die die faktenbasierte Dis