Die Blutkonserve per Luftpost
Drohnen sollen künftig unseren Alltag erleichtern und sogar Menschenleben retten. Wie das funktionieren könnte, erforschen Wissenschaftler im Rahmen des Projekts „AirLabs“.
Die Pizza wird wohl nicht so bald per Drohne zugestellt werden, eine Blutkonserve im Notfall hoffentlich sehr wohl“, sagt Holger Friehmelt. Der Institutsleiter für Luftfahrt an der Fachhochschule Joanneum in Graz arbeitet daran, dass diese Vision Wirklichkeit wird.
Die FH ist mit der Führung des Projekts „AirLabs“betraut, bei dem es um die Entwicklung sinnvoller Anwendungen von unbemannten Luftfahrzeugen geht. Insbesondere soll das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG und vom Technologieministerium unterstützte Vorhaben die technologische Innovation vorantreiben sowie Möglichkeiten zum Austesten von Neuerungen bereitstellen. Ziel ist es letztlich, dass solche Drohnenanwendungen Marktreife erlangen, den Alltag erleichtern und im Extremfall sogar Leben bewahren helfen.
„Drohnen werden künftig Aufgaben erledigen, die wir uns derzeit
nicht vorstellen können, weil sie entweder technisch nicht machbar oder aber zu aufwendig und damit zu teuer sind“, sagt Friehmelt und räumt damit mit dem Vorurteil auf, Drohnen seien im Wesentlichen ein Spielzeug für Erwachsene. „Da geht es nicht nur um 100-GrammFlieger, sondern auch um Luftfahrzeuge im Tonnen-Kilo-Bereich.“
Im Konsortium, das „AirLabs“unter Führung der FH betreibt, sind insgesamt 24 Forschungseinrichtungen, Hersteller und künftige Anwenderorganisationen vereint. Eines der Unternehmen, die verstärkt den Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen andenken, ist beispielsweise die Post. Sie überprüft im Rahmen des Projekts die Machbarkeit von Expresszustellungen aus der Luft.
Friehmelt sieht Möglichkeiten aber vor allem im Bereich des Katastrophenschutzes: „Das reicht von der Versorgung der Bevölkerung von Dörfern, die nach Umweltkatastrophen abgeschnitten sind, bis zur Rettung Verunglückter, denen man per Drohne einen Defibrillator schickt, damit die Ersthelfer schon mit der Reanimation beginnen können, noch bevor der Notarzt mit dem Hubschrauber oder Rettungswagen kommt.“So werden wertvolle Minuten gewonnen. Beim Transport von Blutkonserven könne man zudem Kosten sparen, weil man auf den Hubschrauberpiloten bzw. auf den Rettungsfahrer verzichtet.
Um diese und andere Ideen umzusetzen, bedarf es technisch ausgereifter Lösungen – auch, was den Sicherheitsaspekt betrifft. „Die Luftfahrzeuge müssen Hindernisse erkennen und kommunizieren können, auch untereinander, damit es keine Zusammenstöße gibt“, erklärt Friehmelt. Aus diesem Grund sind Mobilfunkanbieter bei „AirLabs“mit an Bord.
Zusätzlich sollen die Erkenntnisse, die bei „AirLabs“gewonnen werden, in die nationale Umsetzung des vor wenigen Wochen publizierten Drohnenregulativs der EU einfließen. Dieses legt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den unbemannten Flugverkehr fest und soll ab Mitte 2020 in Österreich gelten.
„Das alles geht aber nicht vom Schreibtisch aus, da muss man in der Praxis Erfahrung sammeln.“Für Friehmelt ist das ein Herzstück des Projekts: In eigens dafür reservierten Lufträumen dürfen die Forscher ihre Entwicklungen ausprobieren. Wo sich diese Testgelände befinden werden, steht laut Friehmelt noch nicht fest. „Es wird sicher Gebiete im alpinen Bereich geben, auch solche in der Nähe von Flughäfen, Bahnlinien, Hochspannungsmasten und ähnlichen Arealen mit besonderen Herausforderungen für den Flugverkehr.“Tests über Industrieaanlagen sind ebenfalls geplant, um urbane Räume zu simulieren.
Bei den Tests wollen die Wissenschaftler herausfinden, an welchen Schrauben sie noch drehen müssen, damit die erprobten Anwendungen funktionstauglich sind und auch den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Die ersten Tests im Rahmen des auf fünf Jahre anberaumten Projekts werden bereits 2020 stattfinden.
„Wir wollen nicht, dass der Himmel über Österreich in Zukunft voller Drohnen ist“, stellt Friehmelt klar. „Aber wir unterstützen künftige Anwender bzw. Bedarfsträger dieser Technologie und helfen zudem den heimischen Herstellern, die auf dem Weltmarkt schon jetzt sehr erfolgreich sind, dabei, ihre wirtschaftliche Position weiter zu stärken.“