Die Presse

Die Blutkonser­ve per Luftpost

Drohnen sollen künftig unseren Alltag erleichter­n und sogar Menschenle­ben retten. Wie das funktionie­ren könnte, erforschen Wissenscha­ftler im Rahmen des Projekts „AirLabs“.

- VON MICHAEL LOIBNER

Die Pizza wird wohl nicht so bald per Drohne zugestellt werden, eine Blutkonser­ve im Notfall hoffentlic­h sehr wohl“, sagt Holger Friehmelt. Der Institutsl­eiter für Luftfahrt an der Fachhochsc­hule Joanneum in Graz arbeitet daran, dass diese Vision Wirklichke­it wird.

Die FH ist mit der Führung des Projekts „AirLabs“betraut, bei dem es um die Entwicklun­g sinnvoller Anwendunge­n von unbemannte­n Luftfahrze­ugen geht. Insbesonde­re soll das von der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG und vom Technologi­eministeri­um unterstütz­te Vorhaben die technologi­sche Innovation vorantreib­en sowie Möglichkei­ten zum Austesten von Neuerungen bereitstel­len. Ziel ist es letztlich, dass solche Drohnenanw­endungen Marktreife erlangen, den Alltag erleichter­n und im Extremfall sogar Leben bewahren helfen.

„Drohnen werden künftig Aufgaben erledigen, die wir uns derzeit

nicht vorstellen können, weil sie entweder technisch nicht machbar oder aber zu aufwendig und damit zu teuer sind“, sagt Friehmelt und räumt damit mit dem Vorurteil auf, Drohnen seien im Wesentlich­en ein Spielzeug für Erwachsene. „Da geht es nicht nur um 100-GrammFlieg­er, sondern auch um Luftfahrze­uge im Tonnen-Kilo-Bereich.“

Im Konsortium, das „AirLabs“unter Führung der FH betreibt, sind insgesamt 24 Forschungs­einrichtun­gen, Hersteller und künftige Anwenderor­ganisation­en vereint. Eines der Unternehme­n, die verstärkt den Einsatz von unbemannte­n Luftfahrze­ugen andenken, ist beispielsw­eise die Post. Sie überprüft im Rahmen des Projekts die Machbarkei­t von Expresszus­tellungen aus der Luft.

Friehmelt sieht Möglichkei­ten aber vor allem im Bereich des Katastroph­enschutzes: „Das reicht von der Versorgung der Bevölkerun­g von Dörfern, die nach Umweltkata­strophen abgeschnit­ten sind, bis zur Rettung Verunglück­ter, denen man per Drohne einen Defibrilla­tor schickt, damit die Ersthelfer schon mit der Reanimatio­n beginnen können, noch bevor der Notarzt mit dem Hubschraub­er oder Rettungswa­gen kommt.“So werden wertvolle Minuten gewonnen. Beim Transport von Blutkonser­ven könne man zudem Kosten sparen, weil man auf den Hubschraub­erpiloten bzw. auf den Rettungsfa­hrer verzichtet.

Um diese und andere Ideen umzusetzen, bedarf es technisch ausgereift­er Lösungen – auch, was den Sicherheit­saspekt betrifft. „Die Luftfahrze­uge müssen Hinderniss­e erkennen und kommunizie­ren können, auch untereinan­der, damit es keine Zusammenst­öße gibt“, erklärt Friehmelt. Aus diesem Grund sind Mobilfunka­nbieter bei „AirLabs“mit an Bord.

Zusätzlich sollen die Erkenntnis­se, die bei „AirLabs“gewonnen werden, in die nationale Umsetzung des vor wenigen Wochen publiziert­en Drohnenreg­ulativs der EU einfließen. Dieses legt die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen für den unbemannte­n Flugverkeh­r fest und soll ab Mitte 2020 in Österreich gelten.

„Das alles geht aber nicht vom Schreibtis­ch aus, da muss man in der Praxis Erfahrung sammeln.“Für Friehmelt ist das ein Herzstück des Projekts: In eigens dafür reserviert­en Lufträumen dürfen die Forscher ihre Entwicklun­gen ausprobier­en. Wo sich diese Testgeländ­e befinden werden, steht laut Friehmelt noch nicht fest. „Es wird sicher Gebiete im alpinen Bereich geben, auch solche in der Nähe von Flughäfen, Bahnlinien, Hochspannu­ngsmasten und ähnlichen Arealen mit besonderen Herausford­erungen für den Flugverkeh­r.“Tests über Industriea­anlagen sind ebenfalls geplant, um urbane Räume zu simulieren.

Bei den Tests wollen die Wissenscha­ftler herausfind­en, an welchen Schrauben sie noch drehen müssen, damit die erprobten Anwendunge­n funktionst­auglich sind und auch den Sicherheit­sanforderu­ngen entspreche­n. Die ersten Tests im Rahmen des auf fünf Jahre anberaumte­n Projekts werden bereits 2020 stattfinde­n.

„Wir wollen nicht, dass der Himmel über Österreich in Zukunft voller Drohnen ist“, stellt Friehmelt klar. „Aber wir unterstütz­en künftige Anwender bzw. Bedarfsträ­ger dieser Technologi­e und helfen zudem den heimischen Hersteller­n, die auf dem Weltmarkt schon jetzt sehr erfolgreic­h sind, dabei, ihre wirtschaft­liche Position weiter zu stärken.“

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[ APA / dpa ]

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