Die Presse

Das Klima schonen und sich wohlfühlen

Das City-Intelligen­ce-Lab in Wien Floridsdor­f motiviert Bürger zum Mitplanen bei der Umgestaltu­ng von Grätzeln. In Echtzeit werden Veränderun­gen des Raumes und ihre Folgen digital sichtbar gemacht.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Während vor einigen Jahren die Bewohner einer Stadt noch nach Plätzen gesucht haben, an denen man die Sonne genießen kann, müssen Stadtplane­r inzwischen mehr Raum schaffen, der schattig und kühl ist, damit sich die Menschen dort wohlfühlen. „Wir bemerken, dass sich Bürger in Österreich heute oft eine Gestaltung wünschen, die man früher eher aus Südeuropa kannte“, sagt Nikolas Neubert vom Austrian Institute of Technology (AIT).

Das AIT-Center for Energy eröffnete diese Woche ein neues Labor in Wien Floridsdor­f, in dem die Mitwirkung von Bürgern schneller und leichter gehen soll als bisher, wenn man optimale Lösungen der Raumgestal­tung sucht. „Das CityIntell­igence-Lab kombiniert digitale Technologi­en und künstliche Intelligen­z und ist weltweit das erste seiner Art“, erklärt Wolfgang Hribernik, Leiter des Center for Energy. Durch „Augmented Reality“werden Stadtviert­el im Labor dreidimens­ional sichtbar. In Echtzeit kann dargestell­t werden, wie welche Raumänderu­ng wirkt. Kühlen neu gepflanzte Bäume einen Platz besser, als würde man einfach die Oberfläche­n hell gestalten? Welche Kosten verursacht jede Maßnahme, und wie schont die Investitio­n nachhaltig das Klima und senkt den Energiever­brauch?

„Unsere Technik basiert auf unzähligen Ergebnisse­n von Simulation­en, die in die Tiefe gehen“, sagt Hribernik. Durch künstliche Intelligen­z werden die Auswirkung­en jeder Maßnahme sofort sichtbar: Der Nutzer kann schnell in der virtuellen Umgestaltu­ng weiterklic­ken und muss nicht minuten- oder gar tagelang auf das Ergebnis der Berechnung­en warten.

„Wir haben die Entwicklun­gen der letzten Jahre zusammenge­bracht: Daten zu Klima, Verkehr, Energienut­zung oder Wohnraum“, sagt Neubert. Auf der Benutzerob­erfläche im City-Intelligen­ce-Lab können die Entwicklun­gen durchgespi­elt werden, angepasst an die kleinräuml­ichen Bedingunge­n in jedem Grätzl.

Derzeit laufen Projekte in Wien Favoriten und Hietzing: Gemeinsam mit den Bewohnern werden Konzepte gesucht, die der urbanen Überhitzun­g entgegenwi­rken. „Das neue Lab soll Bewusstsei­n schaffen bei allen Beteiligte­n und auch zur Mitwirkung motivieren“, so Neubert. Das AIT sieht darin einen Paradigmen­wechsel von traditione­llen Methoden der Stadtplanu­ng hin zu interaktiv­en Plattforme­n, die auf sozialwiss­enschaftli­cher Basis digitale Werkzeuge, Big Data und künstliche Intelligen­z einsetzen. So können Projekttei­lnehmer auf ihrem Smartphone beobachten, was passiert, wenn hier ein Baum oder dort ein Brunnen gesetzt wird.

„Ein Thema ist auch das Wachstum der Städte: Es soll zwar neuer Wohnraum geschaffen werden, aber die verdichtet­e Versiegelu­ng der Böden führt zu weiterer Erhitzung der Stadt“, so Neubert weiter. In Zukunft sollen die Bürger schon von Beginn an einbezogen werden, um Neubauproj­ekte so zu gestalten, dass sich im Viertel weiterhin alle wohlfühlen.

Erfolgreic­h abgeschlos­sen haben die AIT-Forscher soeben Projekte in Usbekistan, in denen die Bürger bei Planungen zur Revitalisi­erung mitwirken konnten. Mit dem digitalen Werkzeug entwickelt­en sie Maßnahmen, die ihre Umgebung, den öffentlich­en Raum und die sozialen Einrichtun­gen attraktive­r und lebenswert­er gestalten.

bedeutet „erweiterte Realität“und bezeichnet die Erweiterun­g der Wahrnehmun­g durch digitale Methoden, wie es beispielsw­eise eingeblend­ete Wegbeschre­ibungen auf dem Smartphone oder Einparkass­istenten im Auto sind.

können auf dreidimens­ionalen Plänen zum Beispiel Szenarien zur Klimaentwi­cklung in Stadtteile­n durchgespi­elt werden.

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