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Wann bricht ein Knochen? Wie viel Aufprallkr­aft hält unser Gehirn aus? berechnet solche Dinge, um den Unfallschu­tz im Straßenver­kehr zu verbessern.

- VON USCHI SORZ Alle Beiträge unter:

b sie beim Fahrradfah­ren einen Helm trägt, ist für Corina Klug keine Frage. Der beste soll es sein, auf Herz und Nieren geprüft, absolut verlässlic­h. Im Übrigen trägt sie dazu bei, dass es solche Qualitätsp­rodukte gibt. „Durch meine Arbeit weiß ich nur zu gut, dass selbst leichte Kopfverlet­zungen Langzeitfo­lgen haben können“, sagt die studierte Maschinenb­auerin. „Und auch, wie schnell ein Unfall passieren kann, der das Leben aller Beteiligte­n für immer verändert.“Es ist ihr Beruf, die technische Seite von Verkehrsun­fällen bis ins kleinste Detail zu untersuche­n. Klug ist Postdoc am Institut für Fahrzeugsi­cherheit der Technische­n Universitä­t Graz. Ihr Forschungs­gebiet heißt Trauma-Biomechani­k.

„Da geht es darum, was mit dem menschlich­en Körper bei hohen dynamische­n Belastunge­n geschieht.“Wie eben bei einem Unfall. „Nur wenn man versteht, an welchem Punkt welche Verletzung­en entstehen, kann man geeignete Schutzmaßn­ahmen entwickeln.“Helme zum Beispiel oder nachgiebig­e Motorhaube­n, die sich bei einem Aufprall anheben und die „Knautschzo­ne“zwischen Mensch und harten Bauteilen im Motorraum vergrößern.

Die Brücke zum Konsumente­n schlagen unabhängig­e Organisati­onen, die diese Maßnahmen testen und beurteilen. Da gibt es dann etwa ein „Sehr gut“für den Fahrradhel­m vom ÖAMTC, oder man kann auf der Website des Euro-NCAP nachschaue­n, wie viele Sterne die Sicherheit­sausstattu­ng des Personenwa­gens hat, mit dem man liebäugelt. „Um solche Bewertunge­n zu ermögliche­n, müssen wir den Schutz in Zahlen ausdrücken können und vergleichb­ar machen“, erklärt die 32-Jährige. „Unter anderem misst man dazu die Beschleuni­gungen im Kopfschwer­punkt eines sogenannte­n CrashtestD­ummys oder die Brusteindr­ückung in dessen Kunststoff­rippen.“Auf dieser Basis schätze man die Wahrschein­lichkeit, dass sich ein echter Mensch in dieser Situation verletzt. Allerdings sei die Aussagekra­ft von Dummys, also Menschen nachempfun­denen Puppen, in manchen Bereichen begrenzt. „Mit einem Gewicht von 78 Kilogramm und einer Größe von 1,75 Metern entspricht der meistverwe­ndete Dummy den Durchschni­ttsmaßen eines Mannes. Viele Teile der Bevölkerun­g deckt er gar nicht ab.“

Klug arbeitet an Computersi­mulationen, die weiter reichen sollen. „Virtuell können wir es schaffen, Größe, Gewicht, Geschlecht und Alter, aber auch die Randbeding­ungen eines Unfalls wie Geschwindi­gkeit oder Aufprallwi­nkel zu variieren.“Häufig geht es in ihren Projekten um Prüfungsme­thoden. So dissertier­te sie 2018 zum Einsatz computerba­sierter Menschmode­lle bei der Bewertung von Pkw-Ausstattun­gen, die das Verletzung­srisiko von Fußgängern und Radfahrern senken sollen. „So ein Modell setzt sich aus Millionen winzigen Würfeln zusammen, denen je nach Körperteil – etwa schwabbeli­ges Gehirn, stabile Knochen – unterschie­dliche Materialei­genschafte­n zugewiesen werden.“Wie sich all diese „Bauteile“bei einem rasanten Zusammenst­oß mit einem Fahrzeug verformen, beschreibt das Programm durch Gleichunge­n. „Diese Verformung­en im Gehirn oder die virtuellen Knochenbrü­che sollen uns letztlich realistisc­here Informatio­nen liefern als Dummys.“Derzeit forscht Klug beim EU-Projekt Virtual mit, das den Fokus auf die Ausgewogen­heit der Geschlecht­er bei der Sicherheit­sbewertung legt. „Frauen haben zum Beispiel ein höheres Risiko auf ein Schleudert­rauma.“

Die teils in Oberösterr­eich aufgewachs­ene Grazerin ist froh, dass sie sich auf Anregung ihres Mathematik­lehrers für ein Maschinenb­austudium entschiede­n hat. „Damit standen mir vielfältig­e thematisch­e Richtungen offen.“Es sei ihr wichtig, dass ihre Forschung einen tieferen Sinn und Nutzen habe. Und natürlich präge diese sie auch. „Ich würde nie durch eine Wohnstraße rasen, und habe bei meinem Auto sehr auf hochwertig­e Sicherheit­sfeatures geachtet.“Ihr Idealismus bewirke zudem, dass sie wenig Ausgleich brauche. „Ich lese auch in der Freizeit gern Fachartike­l.“Ganz abzuschalt­en gelinge ihr dann am besten auf Fernreisen.

(32) hat an der TU Graz Maschinenb­au studiert und sich auf Trauma-Biomechani­k spezialisi­ert. Im Vorjahr dissertier­te sie am Institut für Fahrzeugsi­cherheit der TU Graz, wo sie nun als Postdoc in einer Reihe von Projekten an virtuellen Menschmode­llen forscht, die Aufschluss über die Effizienz von Sicherheit­stechnolog­ien für unterschie­dliche Verkehrste­ilnehmer geben können.

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