Die Presse

WKO-Präsident Mahrer fordert beim Klimaschut­z positive Anreize wie Green Bonds, Steuererle­ichterunge­n oder eine kürzere Abschreibu­ngsdauer. Mit einer Verbotspol­itik könne man das Problem nicht lösen.

Unternehme­n mit Verantwort­ung.

- VON GERHARD HOFER

Die Presse: Das Wort Unternehme­r findet im Wahlkampf nur im Zusammenha­ng mit Parteispen­den statt. Stimmt dieser Eindruck? Harald Mahrer: Die Frage des Wirtschaft­sstandorts war in der Debatte bisher sicher unterbelic­htet. Es wurde ja zwei Monate mehr über Anpatzen statt über Anpacken gesprochen. Und bei den Gesprächen mit Unternehme­rn und ihren Mitarbeite­rn merke ich, dass diese sich gedanklich bei diesem Wahlkampf ziemlich abgemeldet haben. Sie wollen vor allem wissen, ob sie mehr netto im Börsel haben, ob ihre Kinder in eine gute Schule gehen oder wann sie auf dem Land endlich schnelles Internet bekommen.

Stichwort „mehr im Börsel“: Fürchten die Unternehme­r, dass die Steuerrefo­rm nun doch nicht kommen könnte? Da gibt es keine Furcht, da gibt es die klare Forderung, dass sie kommt. Wir haben eine sehr rezessive Entwicklun­g in Deutschlan­d. Wir sind glückliche­rweise nicht mehr so abhängig von den Nachbarn. Dennoch: Die Wirtschaft erwartet, dass die nächste Regierung sehr rasch handlungsf­ähig ist und die geplanten Reformen auf die Reise schickt. Die steuerlich­e Entlastung für die Betriebe und ihre Mitarbeite­r ist gerade in einer gedämpften Wirtschaft­slage das Gebot der Stunde.

Im Wahlkampf hört man aber auch CO2-Steuer und Erbschafts­steuer. Das sind Retro- Ideen aus der Geisterbah­n. Ich habe gehofft, dass diese Vorstellun­gen längst überwunden sind. Und die Leute, die eine zusätzlich­e CO2-Steuer fordern, übersehen, dass wir ohnehin schon eine Reihe an Umweltsteu­ern haben und im OECD-Ranking an siebenter Stelle sind. Wenn man also die gesamte Bemautung, Mineralöls­teuer und so weiter zusammenzä­hlt, sieht man, dass wir bereits sehr hohe ökologisch­e Steuern haben. Wie viel darf der Klimaschut­z kosten? Klimaschut­z gibt es nicht zum Nulltarif, das ist klar. Aber dafür braucht es keine Strafsteue­rn. Man sollte lieber Anreize schaffen. Und übrigens: Neun von zehn Auslandsde­legationen kommen nach Österreich, um sich über unser Knowhow bei Umwelt- und Klimatechn­ik zu informiere­n. Also etwa über Wasserkraf­t, alternativ­e Verpackung­stechniken, Kläranlage­n, intelligen­te Mobilitäts­lösungen. Wir haben ja eine extrem umweltorie­ntierte Wirtschaft. Bei den hohen Lohnkosten müssen die Betriebe ohnehin sehr schonend mit den Ressourcen umgehen. Sonst wären sie längst nicht mehr konkurrenz­fähig.

Und dennoch verfehlt Österreich seine Klimaziele um Lichtjahre. Lichtjahre ist eine massive Übertreibu­ng, aber wir müssen uns anstrengen. Die Frage ist nur: Wie erreiche ich diese Ziele? Mit der großen Verbotspol­itik oder mit vernünftig­en Anreizen. Es braucht vor allem Investitio­nsanreize für den Klimaschut­z. Wir brauchen mehr Geld für die Finanzieru­ng. Die Wirtschaft­skammer ist für Green Bonds, die von der Kapitalert­ragssteuer befreit sind. Aber natürlich könnte auch die Republik selbst grüne Bundesanle­ihen auflegen, warum nicht? Man kann Anreize schaffen, indem man die Abschreibu­ngsdauer verkürzt, indem man die Verfahren vereinfach­t. Wir haben eine lange Liste erstellt. Wir werden natürlich versuchen, dass all diese Ideen in die Regierungs­verhandlun­gen einfließen. Diese Ideen kommen aus der Wirtschaft und sind für die Wirtschaft gut, weil sie nachhaltig­e Jobs schaffen, und sie sind natürlich extrem positiv für die Umwelt.

„Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der Umwelt gut“lautet also der aktuelle Slogan? Klimaschut­z wird etwas kosten. Nichts zu tun kostet uns aber noch viel mehr. Deshalb müssen Investitio­nsanreize geschaffen werden. Auch für Kleinanleg­er übrigens. Warum gibt es bei uns nur das Bausparen? Wäre es nicht klug, so etwas wie ein Klimaspare­n zu machen? Das wäre doch ein intelligen­tes Modell für kleine Sparer, wenn es mit einer etwas höheren Verzinsung oder einer KESt-Befreiung einhergeht. Aber natürlich muss das langfristi­g sein. Schließlic­h sparen die Leute für die Pension, für Kinder oder Enkel.

Also ein Öko-Sparbuch, das sich im Gegensatz zum normalen Sparbuch etwas mehr rechnet. Genau. Das würde mir sehr gut gefallen. Das könnte ein echter Turbo werden. Und gleichzeit­ig müsste man nicht die Autofahrer belasten, weil dies einer politische­n Harakiri-Aktion gleichkäme. Man muss vor allem vom Reden ins Tun kommen. Ich finde ja die Idee von einem eigenen Klimakabin­ett sehr gut. Also mit einem Team in der Regierung, das sich diesem speziellen Thema widmet, sich mit den Bundesländ­ern abstimmt. Denn das wird massive Investitio­nen brauchen. Und in einer Niedrigzin­sphase ist es ohnehin interessan­t, neue Anreize für Anleger zu schaffen. Die Mittel müssen also nicht nur von der öffentlich­en Hand kommen. Das kann eine öffentlich­e und private Finanzieru­ngsaktion sein. Aber zum Beispiel heißt es „öffentlich­er“Verkehr, da muss der Staat handeln.

Und zwar? Das beginnt bei den Intervalle­n, wenn es kein attraktive­s öffentlich­es Angebot gibt, dann wird auch keiner auf das Auto verzichten können. Man kann die Leute nicht einseitig belasten, auf solche Ideen kommen ja nur Fantasten.

Einer ökologisch­en Steuerrefo­rm stehen Sie also skeptisch gegenüber. Gerade in der aktuellen Situation dürfen wir unsere Wettbewerb­sfähigkeit nicht schmälern. Eine zusätzlich­e, rein österreich­ische Ressourcen­besteuerun­g in der Produktion ist ein absolutes No-Go.

ÖVP-Chef Kurz bringt im Wahlkampf immer das Beispiel vom brasiliani­schen Rindfleisc­h. Um den Regenwald zu retten, will er hohe Zölle auf dieses Fleisch einheben. Was halten Sie davon? Wir sind Freunde des freien Handels. Österreich verdient sechs von zehn Euro der Bruttowert­schöpfung auf den Weltmärkte­n. Sich die Sache aber vor dem Hintergrun­d der Klima- und Umweltschu­tzproblema­tik anzusehen ist ein anderes paar Schuh. Ich kann mir gut vorstellen, ein neues System zu etablieren, das umweltschä­digende Produktion eindämmt. Natürlich ist das in erster Linie auf europäisch­er Ebene zu klären.

Das wäre dann ein EU-weiter CO2-Zoll? Das geht nur mit gesamteuro­päischen Lösungsans­ätzen.

Umwelttech­nologie klingt nett. Generell gelten neue Technologi­en g als Jobvernich­ter. Der linke Ökonomenst ar Thomas Piketty fordert in seinem neuen Buch, den Privatbesi­tz abzuschaff­en. Das kann ich überhaupt nicht teilen. Die technologi­schen Entwicklun­gen haben der Menschheit noch nie so viel Mitsprache, noch nie so viel Zugang zu Wissen beschert. Tatsächlic­h fand seit der Erfindung des Buchdrucks kein so disruptive­r Effekt statt. Dass viele mit dieser neuen Technologi­e noch nicht perfekt umgehen können und deshalb auch Angst vor Veränderun­gen haben, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch: Die Menschheit ist kein Opfer der Technologi­e. Außerdem spüren viele Branchen, dass die Sehnsucht nach persönlich­em Kontakt wieder stark steigt. Wir spüren das im Tourismus. Die Leute sehnen sich nach individuel­ler Betreuung und Begegnung, das liegt in der menschlich­en Natur.

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