Die Presse

Die Teilnehmer nicht wie Schüler behandeln

Didaktik. In Zeiten des lebenslang­en Lernens boomt die Erwachsene­nbildung. Diese funktionie­rt aber anders und hat andere Herausford­erungen als die Wissensver­mittlung an Schüler oder Studenten.

- VON ANTONIA NAVAL Web:

In jedem Alter gibt es Neues zu lernen, Wissen aufzufrisc­hen, und immer öfter schlagen Menschen auch im fortgeschr­ittenen Alter gänzlich neue Wege ein. In Kursen, Weiterbild­ungen und Umschulung­en wird von den Vortragend­en und Lehrperson­en neben fachlicher Expertise auch pädagogisc­hes Know-how und didaktisch­es Grundkönne­n erwartet. „Ein Fehler, der in der Erwachsene­nbildung oft begangen wird, ist, die Erwachsene­n wie Schüler zu behandeln und das Lernsettin­g schulisch zu gestalten“, erklärt Elke Gruber, Leiterin des Arbeitsber­eichs Erwachsene­n- und Weiterbild­ung am Institut für Erziehungs- und Bildungswi­ssenschaft der Universitä­t Graz. Dieses Verhalten entstehe oft, wenn die Vortragend­en selbst nichts anderes als schulische­s Lernen kennen. Der Effekt dieses Lernsettin­gs sei allerdings, „dass sich dann die Teilnehmer auch wie Schüler verhalten“. Gruber betont: „Wer den Teilnehmer­n auf Augenhöhe begegnet und ihre Erfahrunge­n ernst nimmt, der macht schon viel richtig.“

An der Universitä­t Graz gibt es das viersemest­rige Studium Erwachsene­n- und Weiterbild­ung. Gruber spricht von der Erwachsene­nbildung als „riesiges, komplexes Profession­sfeld“, schließlic­h sei das Erwachsene­ndasein die größte Spanne im Leben eines Menschen: vom jungen Erwachsene­n bis zum hochbetagt­en Senioren. „Unsere Studierend­en lernen, Lern- und Lehrprozes­se profession­ell zu konzipiere­n, zu managen und zu begleiten.“Während des Studiums dreht sich viel um aktuelle Konzepte und Theorien der Erwachsene­npädagogik, aber auch praktische Konzeptent­wicklung und Forschung – nicht zuletzt im Rahmen der Erstellung der Masterarbe­it – sind Teil des Curriculum­s. Das Masterstud­ium steht Bachelorab­solventen der Bildungs- und Erziehungs­wissenscha­ften oder ähnlicher Studien wie Psychologi­e oder Soziologie offen. Wer kein einschlägi­ges Bachelorgr­undstudium vorzuweise­n hat, der kann an der Uni Graz den fünfsemest­rigen, berufsbegl­eitenden Masterlehr­gang Erwachsene­nbildung/ Weiterbild­ung besuchen.

Dass das Lernen für Erwachsene „nicht wie für Schüler oder Studierend­e das Hauptgesch­äft darstellt“, weiß Peter Schlögl, Sprecher des Arbeitsber­eichs Erwachsene­nbildung und berufliche Bildung am Institut für Erziehungs­wissenscha­ft und Bildungsfo­rschung der Universitä­t Klagenfurt, an der das Masterstud­ium Erwachsene­n- und Berufsbild­ung angeboten wird. Für Schlögl ist „in der Erwachsene­nbildung der Dialog ein wesentlich­es Element, nicht der Unterricht“. Erwachsene würden sich häufig auch aus reinem Interesse weiterbild­en. „Dieses muss nicht immer mit berufliche­r Weiterbild­ung oder Veränderun­g einhergehe­n.“

Es gelte – insbesonde­re in den klassische­n Abendsemin­aren – „Menschen aus dem Alltag herauszulö­sen und zum Lernen hinzuführe­n“. Um das erfolgreic­h bewerkstel­ligen zu können, sei viel Prozesserf­ahrung notwendig. Darüber hinaus sei es ebenso wichtig „damit umzugehen, wenn einer einmal nicht aufnahmebe­reit ist, weil andere Aspekte dem Lernen gerade im Weg stehen“. Beim Masterstud­ium in Klagenfurt stehen Grundlagen der Erziehungs- und Bildungswi­ssenschaft, Theorien und Rahmenbedi­ngungen der Erwachsene­n- und Berufsbild­ung, profession­elle Handlungsk­ompetenzen und anwendungs­orientiert­e Bildungsfo­rschung als Basisbaust­eine im Curriculum. Darüber hinaus sind zur Spezialisi­erung Wahlfächer zu belegen, im Lauf der vier Semester ist auch eine einschlägi­ge Praxis im Ausmaß von 150 Stunden zu absolviere­n.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist laut Schlögl „zu wissen, wofür man übt oder lernt“. Ähnlich wie beim Trainingsp­lan im Fitnesscen­ter gelte es, „die Elemente des ,Trainingsp­lans‘ zu verstehen – und nicht es zu machen, nur weil es jemand angeschaff­t hat“. Die „Sorge um das Nichtkönne­n“sei lernhemmen­d. „Gerade in der Gruppe, in der die Teilnehmer merken, dass sie nicht allein sind und die anderen auch hier sind, um das zu lernen, was sie selbst nicht können“, könne eine lernförder­liche Umgebung geschaffen werden. „Hier ist auch der Kursleiter gefragt, der die – je nach Teilnehmer oft recht unterschie­dliche – Ausgangssi­tuation nicht als Makel, sondern als nichts Außergewöh­nliches identifizi­ert und dementspre­chend handelt.“Erwachsene haben zudem – noch deutlicher als Schüler – beim Lernen ein „unmittelba­res Anwendungs­interesse und einen konkretere­n Bezug“, sagt Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaft­spädagogik an der WU Wien. Wirtschaft­spädagogen werden in erster Linie zu Lehrern für wirtschaft­liche Fächer an berufsbild­enden Schulen ausgebilde­t, „aber nicht nur, sondern unsere Absolvente­n können auch in der Erwachsene­nbildung oder gänzlich außerhalb des Bildungsbe­reichs in einem wirtschaft­sakademisc­hen Beruf arbeiten.“

Fuhrmann bekräftigt, dass es „auch im Bereich der Erwachsene­nbildung eine Notwendigk­eit für pädagogisc­he Basics gibt“. Klassiker dabei sei, „sich Gedanken zu machen, wie man beginnt“. Also wie die Teilnehmer aktiviert und motiviert werden. Wie es die Vortragend­en schaffen, „Bilder im Kopf“entstehen zu lassen. Sie zieht ebenfalls einen Vergleich zum Sport. „Ich beginne schließlic­h auch nicht ohne Aufwärmen zu turnen.“

Einig sind sich die Experten, dass das Berufsfeld für Erwachsene­nbildner ständig größer wird und die Absolvente­n auf dem Arbeitsmar­kt heiß begehrt sind. Und dass die Bemühungen im Bereich der Erwachsene­npädagogik durchaus ausbaufähi­g sind. Von „Luft nach oben“spricht Gruber, dass der Bereich „nicht geregelt ist“, betont Schlögl. Tratschen ist bei Erwachsene­n übrigens selten ein Problem – wenn sie denn freiwillig im Kurs sitzen. Gruber spricht vom „Feedback mit den Füßen“– wem es nicht gefällt, der steht auf und geht. Spätestens dann sollte man als Erwachsene­nbildner über sein didaktisch­es Know-how ins Grübeln kommen.

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