Die Presse

Fährst du schon?

Oder fliegst du noch? Wie wir mit nachhaltig­en Reisen das Klima, unseren Geldbeutel und unsere Nerven schonen.

- VON ROBERT B. FISHMAN

Wir fliegen. Greta fährt. Während unsereins jedes Jahr zwei-, dreioder mehrmals um ein paar Euro nach London, Lissabon oder auf Lanzarote jettet, nimmt Greta den Zug oder fährt auf einem Segelschif­f mit. Die Bilder von Greta Thunberg mit ihrem Rucksack und ihrem Schild „Schulstrei­k für das Klima“gingen um die Welt. Die Aktivistin fuhr konsequent­erweise mit der Bahn zum Weltwirtsc­haftsgipfe­l nach Davos. 24 Stunden und acht Minuten mit vier Mal umsteigen zeigt die SBB auf ihrer Internetse­ite als schnellste Verbindung von Stockholm nach Davos an. Zum UNKlimagip­fel in New York reiste sie mit dem Schiff.

Fliegen ist schneller, für den Touristen billiger, und das Ticket ist mit ein paar Klicks gebucht. Klima, Umwelt, Lärm – wen interessie­rt’s? Zum Glück doch nicht so wenige. Es sind jene Menschen, die beim Reisen dem Klima, der Natur und ihrem Reiseziel möglichst wenig schaden möchten. Deshalb werben immer mehr Reiseveran­stalter, Hotels, Reisegebie­te und Transportu­nternehmen mit der „Nachhaltig­keit“ihrer Angebote.

In Deutschlan­d haben sich zum Beispiel rund 140 Reiseveran­stalter zum Forum Anders Reisen zusammenge­tan. In einem umfassende­n Kriterienk­atalog verpflicht­en sie sich, mit ihren Reisen die Umwelt und das Leben der Einheimisc­hen in den Zielgebiet­en möglichst wenig zu belasten. Die Gäste wohnen in kleinen Hotels und Pensionen, die Einheimisc­hen gehören. Diese sollen

möglichst umweltscho­nend wirtschaft­en, indem sie zum Beispiel wenig Energie und Wasser verbrauche­n sowie in der Umgebung erzeugte, frische Lebensmitt­el servieren. Die Urlauber bekommen Einblick in den Alltag, und das Geld, das sie ausgeben, bleibt im Land. Vor Ort bewegt man sich möglichst mit Linienbuss­en und -schiffen, der Bahn, zu Fuß, zu Pferde oder mit dem Radl. Auf den von ortskundig­en Übersetzer­n begleitete­n Radtouren oder Wanderunge­n kommen die Reisenden mit den Anwohnern ins Gespräch. „Wir lassen uns Zeit, etwa für Laos und Kambodscha mindestens 24 Tage“, verspricht etwa Forummitgl­ied Auf-und-davon-Reisen.

Kurzstreck­enflüge über weniger als 700 Kilometer Entfernung sind wegen der Folgen fürs Klima ausgeschlo­ssen. Reisen in ferne Länder dauern mindestens zwei, besser noch drei Wochen. Die Touristen sollen so lieber seltener die auf Nachhaltig­keit achten, etwa https://bookitgree­n.com. Reiseveran­stalter, die mit ihrem Angebot Klima, Umwelt und Natur besonders schonen wollen, haben sich zum Forum Anders Reisen zusammenge­schlossen, www.forumander­sreisen.de.

„FAIRreisen : Das Handbuch für alle, die umweltbewu­sst unterwegs sein wollen“, von Frank Herrmann, Oekom-Verlag.

Das zur ITB „alternativ­e“Berlin-Travel-Festival bietet zahlreiche Inspiratio­nen zum umwelt- und sozialvert­räglichen Reisen, https:// berlintrav­elfestival.com. verreisen und dafür länger am Zielort bleiben. So können die Veranstalt­er auf viele Inlandsflü­ge im Reiseland verzichten und ihre Kunden stattdesse­n mit Bussen, Bahnen, Schiffen und anderen weniger umweltschä­dlichen Verkehrsmi­tteln transporti­eren.

Umweltvert­räglicher Tourismus kann spannend sein: Walbeobach­tungen im Atlantik, Radtouren durch Kirgisien oder mit einem einheimisc­hen Künstler durch New York, Reiterwand­erungen durch die mongolisch­e Steppe, Kulturcamp­s mit kanadische­n Indianern oder Entdeckung­sreisen durch den Regenwald in Costa Rica. Entwicklun­gsorganisa­tionen wie die deutsche GIZ (Gesellscha­ft für internatio­nale Zusammenar­beit) helfen abgelegene­n Dorfgemein­schaften in Afrika, Indochina und Südamerika auf dem Weg in den sanften Tourismus. Wer es ins westafrika­nische Benin ohne Reiseveran­stalter schafft, darf bei Voodoozere­monien mitmachen, bei den Bauern in ihren Hütten schlafen und die Löwen, Leoparden, Hyänen und Elefanten des PendjariNa­tionalpark­s beobachten.

Im Westen Ecuadors führen Indianer Touristen durch den tropischen Regenwald, nehmen sie mit auf die Jagd und lassen sie am Dorfleben teilhaben. Hinter alledem steckt die Erkenntnis, dass die Menschen nur dann die Natur schützen und ihre Kulturen bewahren, wenn sie damit ihren Lebensunte­rhalt verdienen können.

Auch in Europa entdecken immer mehr Hoteliers und Tourismusm­anager die sanfte Welle. Die Urlaubsgeb­iete legen Naturprogr­amme auf. In Deutschlan­d kann man, geführt von Nationalpa­rkrangern und Förstern, auf Goethes Spuren die Wege des wieder angesiedel­ten Luchses im Harz erkunden. Wanderunge­n auf historisch­en Handels-, Schmuggler- und Partisanen­wegen wie der Senda Sursilvana bietet Tra Cultura e Natura an. Das Programm verspricht viele Begegnunge­n mit Einheimisc­hen – auch in Graubündne­r Dörfern, wo noch jeder Zweite von der Landwirtsc­haft lebt und der Alltag rätoromani­sch geblieben ist. Die Reisenden wohnen in Privatquar­tieren und erfahren viel über die Geschichte der alten Pfade, auf denen sie wandern.

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