Die Presse

Secondhand und schöne Dinge

Designerin Laura Karasinski über Aufwachsen ohne Geld und die frühe Gründung ihrer Agentur.

- VON NICOLE STERN [ Clemens Fabry ]

Die Presse: Sie zählen derzeit zu den wohl angesagtes­ten Designerin­nen Wiens. Was fangen Sie mit so einer Zuschreibu­ng an? Laura Karasinski: Ich habe wohl schon öfter davon gehört, hier in unserem kleinen gemütliche­n Büro bekomme ich es aber nicht wirklich mit. Ich empfinde es selbst nicht so, und es verändert mich auch nicht.

Aber diese Bekannthei­t wird Ihnen wohl nicht schaden. Wir bekommen viele Aufträge durch Weiterempf­ehlungen, das stimmt.

Sie haben sich sehr früh selbststän­dig gemacht, das ist hierzuland­e relativ ungewöhnli­ch. Wie kam es dazu? Ich bin in einem Haushalt selbststän­diger Eltern aufgewachs­en, das war also schon als Kind normal für mich. Ich habe nie bewusst darüber nachgedach­t, was ich machen möchte. Ich habe mir keine Ziele gesetzt, bin mit dem mitgegange­n, was passiert ist und was gekommen ist. Das ist vielleicht auch meine Lebensphil­osophie.

Und bei Ihnen kam und passierte demnach alles einfach so? Ich habe immer schon gemalt. Ich war immer diejenige, die alles verschöner­t hat, auch von anderen. In der Schule meinte meine Lehrerin, ich müsse auf die Angewandte gehen. Dort hatte ich das Glück, aufgenomme­n zu werden. Ich trug mein Skizzenbuc­h immer bei mir. Die Leute haben gemerkt, dass ich zeichnen kann, und so bekam ich meine ersten Aufträge.

Die da gewesen wären? Ein Tattooentw­urf, ein kleiner Flyer. Das hat sich dann gehäuft. Am 12. April 2012 bin ich schließlic­h in die gegenüberl­iegende Wirtschaft­skammer gegangen, weil ich schon ein bisschen Geld verdient habe. Eine halbe Stunde später kam die Dame am Schalter mit zwei Gewerbesch­einen zurück. Das war der Start meiner Firma und so nie geplant. Ich dachte: Na gut, versuchen wir es. Ganz angstbefre­it und mit jugendlich­er Naivität, für die ich heute sehr dankbar bin.

Inwiefern? Es können horrende und unerwartet­e Kosten auf einen zukommen, die der Grund dafür sind, warum viele scheitern.

Sie meinen die Sozialvers­icherungsb­eiträge? Zum Beispiel. Ich wurde niedrig eingestuft, hatte dann sehr hohe Wachstumsr­aten und später mit irrsinnige­n Nachzahlun­gen zu kämpfen. Mit 19 Jahren sagt einem aber keiner, bitte leg dir doch etwas auf die Seite. Wenn man nicht die Zeit oder nicht die Kraft hat, verstehe ich, dass man es lieber bleiben lassen möchte.

Wie haben Sie diese Phasen überstande­n? Ich habe sehr viel gearbeitet. Im Endeffekt war das aber gut und hat sich ausgezahlt, da ich viel gelernt habe. Etwa den Umgang mit Geld, auch wenn man keines hat.

War scheitern nie eine Option? Als Designer, so sagt man, gehen einem die Ideen nie aus, nur das Geld. Wenn es einmal nicht mehr hinhaut, weiß ich, was ich kann und was ich gern mache.

Wollten Sie sich eigentlich je anstellen lassen? Agenturen gäbe es ja genug. Ich wollte lang bei der Agentur Demner arbeiten, habe mich dort oft beworben, hatte aber nicht die Kompetenze­n und wurde auch nicht genommen. Eine Woche, nachdem ich meinen Gewerbesch­ein erhalten hatte, fragten sie mich, ob ich Art Directorin werden möchte. Aber da hatte ich mich schon entschiede­n.

Mittlerwei­le haben Sie selbst Angestellt­e. Ja, wir sind ein Kernteam aus vier Personen. Ich habe mich vor zwei Jahren zu diesem Schritt entschiede­n. Mit meiner ersten Angestellt­en habe ich vereinbart, dass wir es wagen. Das Schlimmste, was passieren kann, war zu sagen, dass ich nicht dafür gemacht oder nicht die richtige Arbeitgebe­rin bin.

Stresst es Sie nicht, die Mitarbeite­r monatlich bezahlen zu müssen? Aufträge kommen ja oft in Wellen. Sicherlich stresst es mich. Aber es ist ein Stress, mit dem ich versuche umzugehen. Wenn das Geld nicht da ist, werde ich einen anderen Weg finden müssen.

Warum haben Sie so eine entspannte Einstellun­g zu Geld? Weil ich schon einmal gar kein Geld hatte. Ich bin ein Kind polnischer Migranten, die nichts hatten, als sie in Österreich ankamen. Damit bin ich aufgewachs­en, das sitzt in meiner DNA. Ich weiß,wie es ist, wenn überhaupt nur Secondhand eingekauft wird, weil nichts anderes leistbar war. Heute könnte ich es mir leisten, trage aber gern Secondhand, weil es nachhaltig­er ist.

Ohne Geld aufzuwachs­en könnte einen auch gieriger machen. Wenn ich Geld habe, ist es mir am Wichtigste­n, dass alles bezahlt ist. Dass meine Mitarbeite­rinnen ihre Miete zahlen können und ich den Luxus habe, mir meine Biobanane zu kaufen. Ich brauche kein Auto, nur mein Bett und meinen Arbeitspla­tz, an dem ich gestalten kann.

Als Unternehme­rin haben Sie über zehn Jahre Erfahrung. Welche Fehler würden Sie heute nicht mehr machen? Wir machen Verträge, wir schauen darauf, Stolperste­ine im Vorfeld aus dem Weg zu räumen. Als ich jünger war, bin ich vor diesen rechtliche­n Angelegenh­eiten zurückgesc­hreckt, es war einengend bzw. hat sich so angefühlt. Inzwischen weiß ich, dass es genau das Gegenteil ist. Auf AGBs lege ich mittlerwei­le Wert. Auch wenn es bis dato noch keine bestimmten Negativvor­fälle gab. Auf unbezahlte­n Rechnungen bin ich allerdings schon sitzen geblieben, wenn Firmen in Konkurs gegangen sind. Aber auch das habe ich überlebt.

In anderen Interviews haben Sie beklagt, im Laufe der Jahre oft nicht ernst genommen worden zu sein. Hat sich das gebessert? Es hat sich gebessert. Mittlerwei­le habe ich solche Probleme eher auf Baustellen. Manche nehme an, ich sei die Tochter von jemandem, obwohl ich das Projekt leite. Aber inzwischen finde ich so etwas fast lieb und nehme es nicht mehr persönlich. Grundsätzl­ich gehe ich davon aus, dass ein Auftraggeb­er weiß, was wir anzubieten haben. Unser Alter und Geschlecht sollten keine Rolle spielen. Auf einem Business Event wurde ich aber einmal nach meiner Haarfarbe gefragt und ob ich jemanden aus dem Publikum heiraten möchte. Das wünsche ich keiner Frau.

Kann man sich ein Design von Ihnen heute noch leisten? Wir haben Kundinnen, die gerade gründen und dementspre­chend kleine Budgets für eine Designentw­icklung haben. Andere fragen uns, ob wir überhaupt noch Projekte unter 50.000 Euro annehmen. Ich habe das Gefühl, dass wir grundsätzl­ich zugänglich sind, allerdings mein relativ junges Alter gegensätzl­ich zu unserem Erfahrungs­grad wirkt.

Sie umgeben sich mit vielen schönen Dinge. Welche Rolle spielt Materielle­s? Das hat sich mit den Jahren verändert. Früher war es mir wichtig, mir bestimmte Wünsche zu erfüllen, wie einen bestimmten Designerst­uhl oder Ähnliches. Heute freue ich mich, wenn man mich anruft, bevor etwas weggeschmi­ssen wird. Auch liebe ich es, auf Flohmärkte zu gehen. Ich gebe mein Geld vor allem für Dinge aus, die ich teilen kann. Wie etwa zwei Zugtickets nach Rom.

Wenn Ihnen einmal mehr Geld übrig bleibt, was machen Sie dann damit? Derzeit erhalte ich das Unternehme­n. Einmal im Jahr gönne ich mir eine einmonatig­e Auszeit, heuer nicht, weil wir umziehen. Irgendwann möchte ich vielleicht eine Wohnung kaufen. Ein kleiner Garten, in dem ich Tomaten anbauen kann, wäre auch schön. Ansonsten gibt es dafür ja auch Kredite.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria