Secondhand und schöne Dinge
Designerin Laura Karasinski über Aufwachsen ohne Geld und die frühe Gründung ihrer Agentur.
Die Presse: Sie zählen derzeit zu den wohl angesagtesten Designerinnen Wiens. Was fangen Sie mit so einer Zuschreibung an? Laura Karasinski: Ich habe wohl schon öfter davon gehört, hier in unserem kleinen gemütlichen Büro bekomme ich es aber nicht wirklich mit. Ich empfinde es selbst nicht so, und es verändert mich auch nicht.
Aber diese Bekanntheit wird Ihnen wohl nicht schaden. Wir bekommen viele Aufträge durch Weiterempfehlungen, das stimmt.
Sie haben sich sehr früh selbstständig gemacht, das ist hierzulande relativ ungewöhnlich. Wie kam es dazu? Ich bin in einem Haushalt selbstständiger Eltern aufgewachsen, das war also schon als Kind normal für mich. Ich habe nie bewusst darüber nachgedacht, was ich machen möchte. Ich habe mir keine Ziele gesetzt, bin mit dem mitgegangen, was passiert ist und was gekommen ist. Das ist vielleicht auch meine Lebensphilosophie.
Und bei Ihnen kam und passierte demnach alles einfach so? Ich habe immer schon gemalt. Ich war immer diejenige, die alles verschönert hat, auch von anderen. In der Schule meinte meine Lehrerin, ich müsse auf die Angewandte gehen. Dort hatte ich das Glück, aufgenommen zu werden. Ich trug mein Skizzenbuch immer bei mir. Die Leute haben gemerkt, dass ich zeichnen kann, und so bekam ich meine ersten Aufträge.
Die da gewesen wären? Ein Tattooentwurf, ein kleiner Flyer. Das hat sich dann gehäuft. Am 12. April 2012 bin ich schließlich in die gegenüberliegende Wirtschaftskammer gegangen, weil ich schon ein bisschen Geld verdient habe. Eine halbe Stunde später kam die Dame am Schalter mit zwei Gewerbescheinen zurück. Das war der Start meiner Firma und so nie geplant. Ich dachte: Na gut, versuchen wir es. Ganz angstbefreit und mit jugendlicher Naivität, für die ich heute sehr dankbar bin.
Inwiefern? Es können horrende und unerwartete Kosten auf einen zukommen, die der Grund dafür sind, warum viele scheitern.
Sie meinen die Sozialversicherungsbeiträge? Zum Beispiel. Ich wurde niedrig eingestuft, hatte dann sehr hohe Wachstumsraten und später mit irrsinnigen Nachzahlungen zu kämpfen. Mit 19 Jahren sagt einem aber keiner, bitte leg dir doch etwas auf die Seite. Wenn man nicht die Zeit oder nicht die Kraft hat, verstehe ich, dass man es lieber bleiben lassen möchte.
Wie haben Sie diese Phasen überstanden? Ich habe sehr viel gearbeitet. Im Endeffekt war das aber gut und hat sich ausgezahlt, da ich viel gelernt habe. Etwa den Umgang mit Geld, auch wenn man keines hat.
War scheitern nie eine Option? Als Designer, so sagt man, gehen einem die Ideen nie aus, nur das Geld. Wenn es einmal nicht mehr hinhaut, weiß ich, was ich kann und was ich gern mache.
Wollten Sie sich eigentlich je anstellen lassen? Agenturen gäbe es ja genug. Ich wollte lang bei der Agentur Demner arbeiten, habe mich dort oft beworben, hatte aber nicht die Kompetenzen und wurde auch nicht genommen. Eine Woche, nachdem ich meinen Gewerbeschein erhalten hatte, fragten sie mich, ob ich Art Directorin werden möchte. Aber da hatte ich mich schon entschieden.
Mittlerweile haben Sie selbst Angestellte. Ja, wir sind ein Kernteam aus vier Personen. Ich habe mich vor zwei Jahren zu diesem Schritt entschieden. Mit meiner ersten Angestellten habe ich vereinbart, dass wir es wagen. Das Schlimmste, was passieren kann, war zu sagen, dass ich nicht dafür gemacht oder nicht die richtige Arbeitgeberin bin.
Stresst es Sie nicht, die Mitarbeiter monatlich bezahlen zu müssen? Aufträge kommen ja oft in Wellen. Sicherlich stresst es mich. Aber es ist ein Stress, mit dem ich versuche umzugehen. Wenn das Geld nicht da ist, werde ich einen anderen Weg finden müssen.
Warum haben Sie so eine entspannte Einstellung zu Geld? Weil ich schon einmal gar kein Geld hatte. Ich bin ein Kind polnischer Migranten, die nichts hatten, als sie in Österreich ankamen. Damit bin ich aufgewachsen, das sitzt in meiner DNA. Ich weiß,wie es ist, wenn überhaupt nur Secondhand eingekauft wird, weil nichts anderes leistbar war. Heute könnte ich es mir leisten, trage aber gern Secondhand, weil es nachhaltiger ist.
Ohne Geld aufzuwachsen könnte einen auch gieriger machen. Wenn ich Geld habe, ist es mir am Wichtigsten, dass alles bezahlt ist. Dass meine Mitarbeiterinnen ihre Miete zahlen können und ich den Luxus habe, mir meine Biobanane zu kaufen. Ich brauche kein Auto, nur mein Bett und meinen Arbeitsplatz, an dem ich gestalten kann.
Als Unternehmerin haben Sie über zehn Jahre Erfahrung. Welche Fehler würden Sie heute nicht mehr machen? Wir machen Verträge, wir schauen darauf, Stolpersteine im Vorfeld aus dem Weg zu räumen. Als ich jünger war, bin ich vor diesen rechtlichen Angelegenheiten zurückgeschreckt, es war einengend bzw. hat sich so angefühlt. Inzwischen weiß ich, dass es genau das Gegenteil ist. Auf AGBs lege ich mittlerweile Wert. Auch wenn es bis dato noch keine bestimmten Negativvorfälle gab. Auf unbezahlten Rechnungen bin ich allerdings schon sitzen geblieben, wenn Firmen in Konkurs gegangen sind. Aber auch das habe ich überlebt.
In anderen Interviews haben Sie beklagt, im Laufe der Jahre oft nicht ernst genommen worden zu sein. Hat sich das gebessert? Es hat sich gebessert. Mittlerweile habe ich solche Probleme eher auf Baustellen. Manche nehme an, ich sei die Tochter von jemandem, obwohl ich das Projekt leite. Aber inzwischen finde ich so etwas fast lieb und nehme es nicht mehr persönlich. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass ein Auftraggeber weiß, was wir anzubieten haben. Unser Alter und Geschlecht sollten keine Rolle spielen. Auf einem Business Event wurde ich aber einmal nach meiner Haarfarbe gefragt und ob ich jemanden aus dem Publikum heiraten möchte. Das wünsche ich keiner Frau.
Kann man sich ein Design von Ihnen heute noch leisten? Wir haben Kundinnen, die gerade gründen und dementsprechend kleine Budgets für eine Designentwicklung haben. Andere fragen uns, ob wir überhaupt noch Projekte unter 50.000 Euro annehmen. Ich habe das Gefühl, dass wir grundsätzlich zugänglich sind, allerdings mein relativ junges Alter gegensätzlich zu unserem Erfahrungsgrad wirkt.
Sie umgeben sich mit vielen schönen Dinge. Welche Rolle spielt Materielles? Das hat sich mit den Jahren verändert. Früher war es mir wichtig, mir bestimmte Wünsche zu erfüllen, wie einen bestimmten Designerstuhl oder Ähnliches. Heute freue ich mich, wenn man mich anruft, bevor etwas weggeschmissen wird. Auch liebe ich es, auf Flohmärkte zu gehen. Ich gebe mein Geld vor allem für Dinge aus, die ich teilen kann. Wie etwa zwei Zugtickets nach Rom.
Wenn Ihnen einmal mehr Geld übrig bleibt, was machen Sie dann damit? Derzeit erhalte ich das Unternehmen. Einmal im Jahr gönne ich mir eine einmonatige Auszeit, heuer nicht, weil wir umziehen. Irgendwann möchte ich vielleicht eine Wohnung kaufen. Ein kleiner Garten, in dem ich Tomaten anbauen kann, wäre auch schön. Ansonsten gibt es dafür ja auch Kredite.