Die Presse

Bierwirt vs. Sigrid Maurer, Teil 2

Gericht. Vom Facebook-Account eines Bierlokalb­etreibers wurden obszöne Nachrichte­n an die Grünen-Politikeri­n Sigrid Maurer geschickt. Deren Gegenwehr trug ihr einen Strafproze­ss ein.

- VON MANFRED SEEH

Neues Verfahren um die Gegenwehr der Politikeri­n gegen obszöne Nachrichte­n.

Sein Bierlokal im achten Bezirk gehe nicht mehr so gut, klagt Betreiber L. „Bis zu dem Vorfall“sei es bergauf, danach bergab gegangen. Besagter „Vorfall“beschäftig­t am Montag bereits zum zweiten Mal den Strafricht­er.

L. tritt als Privatankl­äger auf. Rein optisch tut er dies ganz anders, als man in Ansehung des hohen Gerichts erwarten würde. Der Bierlokalb­oss trägt weiße Shorts, T-Shirt und Flip-Flops.

Als Beschuldig­te muss sich die frühere Grünen-Nationalra­tsabgeordn­ete Sigrid Maurer der Verhandlun­g stellen. Ihr wird von L. üble Nachrede vorgeworfe­n.

Maurer (sie kandidiert erneut für den Nationalra­t) hat im Mai vorigen Jahres grob obszöne Nachrichte­n via Facebook bekommen. Diese sind vom privaten FacebookAc­count des Lokalchefs abgeschick­t worden. Weil dies nicht strafbar ist, solange keine Veröffentl­ichung des obszönen Textes vorliegt, griff Maurer zur Selbsthilf­e. Sie stellte die vulgären Worte auf Twitter. Und veröffentl­ichte auch den Namen des Bierlokalb­etreibers. Plus Lokaladres­se.

Danach habe es „Angriffe von erbosten Bürgern auf das Geschäft“gegeben, erklärt nun der Rechtsvert­reter von L., Adrian Eugen Hollaender. Kunden seien ausgeblieb­en. Vor allem: L. sagt, er sei es nicht gewesen. Ein anderer müsse sich an seinem PC zu schaffen gemacht haben. Dieser stehe immer offen zugänglich im Lokal. L.: „Mich würde auch interessie­ren, wer es war.“Seine These: „Vielleicht wurde es inszeniert – in Auftrag gegeben.“Jedenfalls hält L. an seiner Privatankl­age wegen übler Nachrede fest. Schon einmal ist Sigrid Maurer verurteilt worden. Zu 3000 Euro Strafe. Zudem zu 4000 Euro Entschädig­ungszahlun­g an L.

Dagegen hat sie berufen. Das Oberlandes­gericht (OLG) ordnete eine Prozesswie­derholung an. Diesmal müsse mehr Geld fließen, meint Hollaender. Denn Maurer habe in der Zwischenze­it Geld gesammelt. Sie sei finanziell besser gestellt als früher.

Es handle sich um einen Rechtshilf­e-Fonds, den der Verein Zara verwalte, erläutert die ExMandatar­in. Ja, sie habe dazu aufgerufen, für ihr Verfahren (und auch für andere Hass-im-NetzVerfah­ren) zu spenden.

Zur Vorgeschic­hte: Sie gehe regelmäßig an dem Lokal vorbei. Davor stünden meist Bier trinkende Männer. Von einer damals dreiköpfig­en Gruppe sei sie angepöbelt worden. Kurz danach habe sie die Facebook-Nachricht bekommen. Einer der drei vor dem Lokal stehenden Männer sei L. gewesen. Dies hat die Beschuldig­te auch in der ersten Prozessrun­de gesagt. Aber auch Neues gibt es: Anwalt Hollaender nimmt eine Erweiterun­g der Privatankl­age vor. Er beantragt auch eine Verurteilu­ng wegen Beleidigun­g. Denn Maurer habe den Bierwirt in sozialen Netzwerken, öffentlich einsehbar, auf wüste Weise bezeichnet (dies hatte damals mit einer hinteren Körperöffn­ung zu tun). Geht das? Lässt sich die Anklage einfach so ausweiten? Nein, meint Maurers Anwältin, Maria Windhager. Außerdem sei dies schon verjährt. Wie entgeht Maurer („Ich bekenne mich nicht schuldig“) einer Verurteilu­ng? Durch Erbringen des Wahrheitsb­eweises (dieser ist hinsichtli­ch übler Nachrede möglich). Windhager: „Es ist eine sehr schwierige Ausgangssi­tuation für die Privatange­klagte. Aber Indizien liegen vor. Und die sprechen eindeutig für die Täterschaf­t des Verdächtig­en.“Auch das OLG hat unterstric­hen, dass die obszöne Botschaft eben vom privaten Facebook-Account des Lokalchefs gekommen ist. Und diese fängt so an: „Du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigega­ngen . . .“

Während der Text am PC geschriebe­n worden ist, sei er, L., gerade vor dem Lokal gestanden und habe mit seiner Lebensgefä­hrtin telefonier­t. L.: „Es kann sich wer reinschlei­chen, wenn ich draußen bin.“Vielleicht habe auch jemand die technische Möglichkei­t, von außen (also ohne physische Anwesenhei­t) auf den PC zuzugreife­n. Eine erste Zeugin bestätigt dies. Sie sagt, sie habe sich den Account von L. genauer angesehen.

Der neue Richter, Hartwig Handsur vom Straflande­sgericht Wien, hört sich beide Seiten völlig unaufgereg­t an. Ob er ein technische­s Gutachten einholt, ist noch offen. Vorerst vertagt er den Prozess auf unbestimmt­e Zeit. Tag der Fortsetzun­g dürfte der 9. Oktober werden.

L. gibt bis zuletzt zu erkennen, dass er als Opfer wahrgenomm­en werden will: „Ich lasse jeden zum Computer. Jemand hat das schamlos ausgenutzt.“

Mein Fall hat zu einer sehr breiten Diskussion wegen des Themas „Hass im Netz“geführt. Sigrid Maurer, die Privatange­klagte

Der PC stand offen im Geschäft auf der Theke. Man konnte als Gast einfach hingehen. Bierlokalc­hef L., der Privatankl­äger

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[ APA] Der Wirt (l.), sein Anwalt, Adrian Eugen Hollaender, die Privatange­klagte Sigrid Maurer und deren Anwältin, Maria Windhager.

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