Die Presse

Das Experiment „Justizpoli­zei“wird beendet

BVT-Causa. Die WKStA gibt nach über einem Jahr fünf Kriminalbe­amte zurück. Gegen einen Beamten liegt eine Anzeige vor.

- VON ULRIKE WEISER

Es ist das Ende eines nicht offiziell ausgeschil­derten Experiment­s. In den nächsten Tagen wird die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) fünf Kriminalbe­amte „zurückgebe­n“. Diese waren ihr im März 2018 beigestell­t und dort de facto organisato­risch eingeglied­ert worden. Man wolle eine „rasche Aufklärung“der Vorwürfe gegen Mitarbeite­r des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) ermögliche­n, begründete damals Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) die Aktion.

Auf Anfrage der „Presse“teilten WKStA und Justizmini­sterium nun mit: „Es gibt nun keine Veranlassu­ng mehr dafür, diese Hilfeleist­ung weiter aufrechtzu­erhalten.“Sie werde im Einvernehm­en mit dem Innenminis­terium beendet. Zeitgleich bestätigte die Staatsanwa­ltschaft Wien, dass bei ihr eine private Anzeige gegen einen jener Kriminalbe­amten, die für die WKStA tätig sind, liegt. Es geht um Missbrauch der Amtsgewalt und des Amtsgeheim­nisses.

Ob es hier einen inoffiziel­len Zusammenha­ng gibt? Das weiß man nicht, wie überhaupt viele Fragen zu dem „Polizei meets Staatsanwa­ltschaft“-Konstrukt offen sind: Hatte die WKStA die Dienstaufs­icht über die Kriminalbe­amten (sie waren ihr jedenfalls exklusiv berichtspf­lichtig und ihr gegenüber weisungsge­bunden)? Haben sie weiter Waffen getragen? Waren es nur Beamte vom Bundesamt zur Korruption­sbekämpfun­g oder auch von den Landeskrim­inalämtern? Zu all dem will man wegen des laufenden Ermittlung­sverfahren­s nichts sagen.

Dabei wären mehr Informatio­nen nötig, um zu beurteilen, ob hier rechtliche Grenzen überschrit­ten wurden. Denn zwar arbeiten Staatsanwa­ltschaft und Polizei sehr eng zusammen, aber eine Verschmelz­ung ginge dem Gesetz zu weit.

Gesetze „gut ausgereizt“

Karl Stöger, Professor für öffentlich­es Recht an der Uni Graz, erklärt: Polizeibea­mte könnten zwar von der Staatsanwa­ltschaft zur Aushilfe angeforder­t werden, aber eine organisato­rische Einglieder­ung sei gesetzlich nicht vorgesehen, schon gar keine dauerhafte Einglieder­ung (ein Jahr sei sicher „dauerhaft“).

Weiters sei auch verfassung­sgesetzlic­h klar, dass Sicherheit­sbehörden (Exekutive) und Staatsanwa­ltschaft (Gerichtsba­rkeit) im Sinne der Gewaltente­ilung getrennte Behörden sind. „Die gesetzlich­en, auch die verfassung­sgesetzlic­hen Grundlagen wurden hier gut ausgereizt und stark belastet“, resümiert Stöger.

Praktische Probleme ortet der Präsident der Vereinigun­g der Strafverte­idiger, Manfred Ainedter. Denn wenn ein Kriminalpo­lizist als Teil der Staatsanwa­ltschaft ermittelt, legt er keinen kriminalpo­lizeiliche­n Akt an, in den der Beschuldig­te einsehen kann und der mehr Informatio­nen enthält als jener der Staatsanwa­ltschaft und in dem auch die Kommunikat­ion zwischen Polizei und Staatsanwa­ltschaft dokumentie­rt wird. Damit würden die Rechte des Beschuldig­ten unterlaufe­n, so Ainedter.

Andere Experten sehen das gelassener. Auf Grund der engen Kooperatio­n zwischen Staatsanwa­ltschaft und Kriminalpo­lizei und da Staatsanwä­lte – anders als Richter – auch weisungsge­bunden seien, sehen weder Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk noch Strafrecht­sexperte Klaus Schwaighof­er (Uni Innsbruck) in der Dienstzute­ilung ein großes Problem.

Wobei Funk anfügt: Es komme sehr auf den Grad der Verschmelz­ung an, wofür man aber die (fehlenden) Details kennen müsse. Und für Schwaighof­er ist klar: Würden die Kriminalbe­amten im Dienste der Staatsanwa­ltschaft weiter Waffen tragen, „wäre das zumindest sehr merkwürdig“.

Braucht es eigene Einheiten?

Natürlich findet die juristisch­e Debatte nicht im Polit-Vakuum statt. Rund um die BVT-Ermittlung­en gab es den Verdacht, dass der (blaue) Innenminis­ter und die WKStA versucht hätten, die angeblich türkis-lastige Kriminalpo­lizei auszuhebel­n, indem man ausgesucht­e Kriminalbe­amte der WKStA zuteilte.

Tatsächlic­h gibt es auch eine zuletzt von den Neos angestoßen­e grundsätzl­iche Debatte darüber, ob Staatsanwa­ltschaften nicht eigene spezialisi­erte Polizeiein­heiten brauchten, die z. B. auf Abruf für Hausdurchs­uchungen zur Verfügung stehen.

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