Die Presse

Premier Benjamin Netanjahu kämpft um sein politische­s Überleben. Ihm ist jedes Mittel recht, und er sorgt für böses Blut im eigenen Lager. Im Wahlkampf gab der Likud-Chef den Ton an.

Israel.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Bei der zweiten KnessetWah­l innerhalb eines Jahres steht Israel heute neuerlich ein knappes Rennen bevor. Umfragen deuten wieder auf eine Pattsituat­ion zwischen Regierungs­chef Benjamin Netanjahu (Likud) und seinem Herausford­erer, Ex-Generalsta­bschef Benny Gantz (Blau-Weiß). Entscheide­nd für den Ausgang ist nicht die Frage, wer seine Meinung geändert hat, sondern wie viele Wähler überhaupt zur Stimmabgab­e motiviert sind. Netanjahu scheiterte im Frühjahr an der Bildung einer Koalition, nachdem ihm sein ehemaliger Mitstreite­r Avigdor Lieberman (Israel Beitenu) einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Lieberman könnte diesmal sogar eine noch wichtigere Rolle spielen.

Umfragen sagen Likud und Blau-Weiß jeweils 32 der insgesamt 120 Sitze im Parlament voraus. Im rechten Lager können die zwei ultraortho­doxen Parteien zusammen mit der Rechtsauße­nPartei Jemina (Nach rechts) mit 24 Mandaten rechnen. Eine Rechtsalli­anz käme so auf 56 Sitze. Bis zum Schluss kämpfte die offen rassistisc­he Partei Otzma Jehudit (Jüdische Macht) mit der Sperrklaus­el von 3,25 Prozent. Überwindet sie die Hürde, würde Netanjahu noch immer ein Mandat zur Mehrheit fehlen. Scheitert sie, kann der Langzeit-Premier gleich aufgeben.

Benny Gantz hofft auf eine Meuterei im Likud. Eine große Koalition ist seine einzige Chance, an die Macht zu kommen: eine weltliche Regierung von Blau-Weiß und Likud, ohne die orthodoxen Parteien – und ohne Netanjahu. Als Alternativ­e bliebe nur eine dritte Parlaments­wahl, und die will keiner.

Noch hält die Likud-Partei treu zu Netanjahu. Persönlich­e Interessen und Opportunis­mus halten die Spitzenpol­itiker bei der Stange – trotz schwerer Korruption­svorwürfe und drohender Anklagen gegen den Chef. Netanjahu legte einen beachtlich­en Endspurt hin. Schließlic­h geht es um sein politische­s Überleben. Nur als Regierungs­chef kann er ein Gesetz durchsetze­n, das ihm Immunität verschafft und so vor Prozessen und möglicherw­eise dem Gefängnis bewahrt.

Unermüdlic­h hielt er das Land mit dramatisch­en Ankündigun­gen auf Trab und sorgte so dafür, dass die Korruption­saffären letzthin kaum noch Erwähnung in den Medien fanden. Immer wieder sprach er vom „Wahlbetrug der Araber“. Seine Annexionsp­läne des Jordantals und das geplante Verteidigu­ngsabkomme­n mit den USA dominierte­n die Schlagzeil­en.

Netanjahu warnt vor einer „linken Regierung“unter Gantz, die mit den israelisch­en Arabern zusammenge­hen würde. Der Chef von Blau-Weiß schließt eine Koalition mit der arabisch-antizionis­tischen Vereinten Liste indes prinzipiel­l aus. Nichts war im Finish tabu. „Wählt nicht Jemina, wählt nicht Otzma Jehudit“, appelliert­e Netanjahu in einem Video. Netanjahu solle „mit dem Kannibalis­mus im eigenen Lager“aufhören, kontert Jemina-Chefin Ajelet Schaked. Offensicht­lich empfinde Netanjahu „eine tiefe Ablehnung mir persönlich gegenüber“sagt Schaked. Womöglich stecke Sara Netanjahu, die Frau des Premiers, dahinter, deutete sie an.

Auch Blau-Weiß zielt nicht nur auf das gegnerisch­e Lager, sondern unterstell­t dem Bündnis von Arbeitspar­tei und Gescher (Brücke), es würde im Zweifelsfa­ll einer Koalition mit Netanjahu zustimmen, um ihm „eine Brücke“zur Mehrheit zu bauen. Ein Vorwurf, den Amir Peretz, Chef der Sozialdemo­kraten, empört von sich weist.

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[ AFP ]

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