Premier Benjamin Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben. Ihm ist jedes Mittel recht, und er sorgt für böses Blut im eigenen Lager. Im Wahlkampf gab der Likud-Chef den Ton an.
Israel.
Bei der zweiten KnessetWahl innerhalb eines Jahres steht Israel heute neuerlich ein knappes Rennen bevor. Umfragen deuten wieder auf eine Pattsituation zwischen Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) und seinem Herausforderer, Ex-Generalstabschef Benny Gantz (Blau-Weiß). Entscheidend für den Ausgang ist nicht die Frage, wer seine Meinung geändert hat, sondern wie viele Wähler überhaupt zur Stimmabgabe motiviert sind. Netanjahu scheiterte im Frühjahr an der Bildung einer Koalition, nachdem ihm sein ehemaliger Mitstreiter Avigdor Lieberman (Israel Beitenu) einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Lieberman könnte diesmal sogar eine noch wichtigere Rolle spielen.
Umfragen sagen Likud und Blau-Weiß jeweils 32 der insgesamt 120 Sitze im Parlament voraus. Im rechten Lager können die zwei ultraorthodoxen Parteien zusammen mit der RechtsaußenPartei Jemina (Nach rechts) mit 24 Mandaten rechnen. Eine Rechtsallianz käme so auf 56 Sitze. Bis zum Schluss kämpfte die offen rassistische Partei Otzma Jehudit (Jüdische Macht) mit der Sperrklausel von 3,25 Prozent. Überwindet sie die Hürde, würde Netanjahu noch immer ein Mandat zur Mehrheit fehlen. Scheitert sie, kann der Langzeit-Premier gleich aufgeben.
Benny Gantz hofft auf eine Meuterei im Likud. Eine große Koalition ist seine einzige Chance, an die Macht zu kommen: eine weltliche Regierung von Blau-Weiß und Likud, ohne die orthodoxen Parteien – und ohne Netanjahu. Als Alternative bliebe nur eine dritte Parlamentswahl, und die will keiner.
Noch hält die Likud-Partei treu zu Netanjahu. Persönliche Interessen und Opportunismus halten die Spitzenpolitiker bei der Stange – trotz schwerer Korruptionsvorwürfe und drohender Anklagen gegen den Chef. Netanjahu legte einen beachtlichen Endspurt hin. Schließlich geht es um sein politisches Überleben. Nur als Regierungschef kann er ein Gesetz durchsetzen, das ihm Immunität verschafft und so vor Prozessen und möglicherweise dem Gefängnis bewahrt.
Unermüdlich hielt er das Land mit dramatischen Ankündigungen auf Trab und sorgte so dafür, dass die Korruptionsaffären letzthin kaum noch Erwähnung in den Medien fanden. Immer wieder sprach er vom „Wahlbetrug der Araber“. Seine Annexionspläne des Jordantals und das geplante Verteidigungsabkommen mit den USA dominierten die Schlagzeilen.
Netanjahu warnt vor einer „linken Regierung“unter Gantz, die mit den israelischen Arabern zusammengehen würde. Der Chef von Blau-Weiß schließt eine Koalition mit der arabisch-antizionistischen Vereinten Liste indes prinzipiell aus. Nichts war im Finish tabu. „Wählt nicht Jemina, wählt nicht Otzma Jehudit“, appellierte Netanjahu in einem Video. Netanjahu solle „mit dem Kannibalismus im eigenen Lager“aufhören, kontert Jemina-Chefin Ajelet Schaked. Offensichtlich empfinde Netanjahu „eine tiefe Ablehnung mir persönlich gegenüber“sagt Schaked. Womöglich stecke Sara Netanjahu, die Frau des Premiers, dahinter, deutete sie an.
Auch Blau-Weiß zielt nicht nur auf das gegnerische Lager, sondern unterstellt dem Bündnis von Arbeitspartei und Gescher (Brücke), es würde im Zweifelsfall einer Koalition mit Netanjahu zustimmen, um ihm „eine Brücke“zur Mehrheit zu bauen. Ein Vorwurf, den Amir Peretz, Chef der Sozialdemokraten, empört von sich weist.