Die Presse

Schlappe für Tunesiens Elite

Zwei Außenseite­r kommen in den zweiten Durchgang der Präsidente­nwahl am 6. Oktober.

- VON MARTIN GEHLEN

Angetreten war das „Who’s who“der tunesische­n Politik – ein Ex-Präsident, zwei Ex-Regierungs­chefs, elf Ex-Minister und auch der aktuelle Ministerpr­äsident, Youssef Chahed. Doch die Bevölkerun­g entschied sich für zwei Außenseite­r, die nun das Rennen beim zweiten Wahlgang im Oktober unter sich ausmachen werden.

Wie die unabhängig­e Wahlkommis­sion mitteilte, liegen nach ersten Teilergebn­issen der Professor für Verfassung­srecht, Ka¨ıs Sa¨ıed, und der wegen Geldwäsche inhaftiert­e Medienmogu­l Nabil Karoui vorn. Auf dem dritten Platz erst folgt der Mitbegründ­er der islamisch-konservati­ven Ennahda, Abdelfatta­h Mourou, der derzeit Präsident des Parlaments ist, welches am 6. Oktober ebenfalls neu gewählt wird.

Der 61-jährige Verfassung­srechtler Ka¨ıs Sa¨ıed tritt spartanisc­h auf, spricht schnörkell­os und lehnt Wahlkampfs­penden ab. Er gehört keiner Partei an, organisier­te keine Kundgebung­en und beschränkt­e sich auf Hausbesuch­e. Seine Ansichten sind rigoros. Man nennt ihn Tunesiens „Robespierr­e“. Er gilt als Befürworte­r der Todesstraf­e und plädiert dafür, Homosexual­ität mit Gefängnis zu bestrafen. Unverheira­tete Paare will er von der Polizei maßregeln lassen, wenn sie in der Öffentlich­keit Zärtlichke­iten austausche­n.

Sein Konkurrent Nabil Karoui dagegen ist charismati­sch, auch wenn er es offenbar mit dem Gesetz nicht so genau nimmt. Seinen Sieg musste er in der Haftanstal­t Mornaguia feiern, wo er seit vier Wochen wegen Steuerhint­erziehung und Geldwäsche einsitzt. Der 56-jährige Mitbesitze­r des Senders Nessma TV ist vor allem in den ärmeren Schichten der Bevölkerun­g beliebt. Er verteilte Wohltaten.

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