Die Presse

Von Medien und Märkten

- VON IRIS BONAVIDA E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

S chwer

zu sagen, wann der Journalism­usberuf seine Anziehungs­kraft verloren, ab wann er in Gesprächen nicht mehr Anerkennun­g und Begeisteru­ng ausgelöst hat. Ich kenne diese gute alte Zeit nur von Filmen, in denen der Held (Heldinnen gab es in der Vergangenh­eit ja eher selten) meistens der Reporter war. Und auch die Erzählunge­n von erfahrener­en „Presse“Kollegen klingen zwar grob gesundheit­sschädigen­d, aber dann doch nach dem Klischee des hippen Journalist­en. In vergangene­n Zeiten, als der Redaktions­sitz noch im Marriott Hotel war (allein das liest sich wie aus einem Drehbuch), wurde am Schreibtis­ch noch eine Zigarette nach der anderen geraucht.

Wenn mein Gegenüber heute erfährt, dass ich Innenpolit­ikredakteu­rin bin, ernte ich hingegen nur noch mitleidige Blicke: Ob das nicht furchtbar frustriere­nd sei, und ich völlig zynisch werde? Ich kann meine Gesprächsp­artner dann meistens beruhigen, so ist es absolut nicht. Mein Zynismus ist zuletzt anderen Erfahrunge­n auf einem Online-Marktplatz geschuldet.

Wer zur Unterhaltu­ng reinschaut, wird zwar fündig werden (eine Kollegin entdeckte dort einen „aufgeweckt­en Alpaka-Hengst“, aber auch der einsame Dachziegel und Tujen „zum Pflanzen oder Verbrennen“sind spannend). Aber wer selbst etwas loswerden möchte, und sei es gratis, muss schon etwas Geduld mitbringen: Manche teilen via Nachricht mit, dass sie „sehr enttäuscht“mit der Beute seien. Denn der Freund, den sie zur Abholung losgeschic­kt hatten, sei nur mit einem Teil der abfotograf­ierten (und nicht reserviert­en) Sachen heimgekomm­en. Auch die Abholzeit wird situations­elastisch eingehalte­n, beliebt sind auch detaillier­te Informatio­nen wie „ich fahre jetzt vom Büro los“–, ohne dazuzuschr­eiben, wo es sich befindet. Und man bemerkt, welche Gegenständ­e am beliebtest­en sind: Nicht für den Toaster oder Föhn, sondern für eine abgenutzte beige Bauchtasch­e meldeten sich Dutzende Interessen­ten. Dabei ist es schon lang her, dass sie in Mode war. Es muss zu Zeiten gewesen sein, als die „Presse“-Kollegen am Schreibtis­ch rauchten.

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