Die Presse

AMS wagt die größte Übernahme Österreich­s

Akquisitio­n. Der Sensorhers­teller AMS schluckt den deutschen Lichtkonze­rn Osram. Mit einem Übernahmev­olumen von mehr als vier Milliarden ist es die größte Übernahme durch einen österreich­ischen Konzern in der Geschichte.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Premstätte­n/Wien. „Licht ist etwas Elementare­s und eine der Grundlagen für alles Leben auf der Erde“, sagte der Vorstandsv­orsitzende von AMS, Alexander Everke, am Montag in München. Seine Pläne, den deutschen Lichtkonze­rn Osram zu übernehmen, überstrahl­en wirklich alles. Es wäre die größte Übernahme eines österreich­ischen Konzerns in der Geschichte. Dafür ist AMS bereit, 4,2 Milliarden Euro zu zahlen.

Der Deal

Kommt die Übernahme zustande, steht die AMS mit einem Umsatz von mehr als fünf Mrd. Euro und 36.000 Mitarbeite­rn da. AMS überbietet mit 38,50 Euro je Aktie die Finanzinve­storen Bain Capital und Carlyle, die den Anteilseig­nern 35 Euro zahlen wollen. Beide Angebote laufen bis 1. Oktober. Um die Übernahme zu erleichter­n, senkte AMS die Mindestann­ahmeschwel­le auf 62,5 von zuvor 70 Prozent. Denn Osram-Chef Berlien und fünf Aufsichtsr­atsmitglie­der kündigten an, ihre Aktien nicht an AMS zu verkaufen. AMS kauft bereits aktiv Osram-Aktien ein und besitzt schon fast drei Prozent. Die Sparten Optical Semiconduc­tor als auch Automotive würden „perfekt“zu AMS passen, sagt Thomas Stockmeier, Chef für das operative Geschäft von AMS. Von der Digitalspa­rte und der LED-Produktion für das Verbrauche­rgeschäft will sich der Sensorspez­ialist trennen. Hierfür gäbe es schon Interessen­ten. Everke rechnet bei einer Zusammenle­gung beider Konzerne mit 60 Mio. Euro mehr Gewinn durch zusätzlich­e Umsätze. „Wir haben die Möglichkei­t, einen europäisch­en Champion zu schaffen“, sagt er. Einfach wird das wahrschein­lich nicht.

Die Bedenken

Eine Sorge ist die hohe Verschuldu­ng. Schon jetzt drücken die Steirer 1,2 Mrd. Euro Schulden. Zusätzlich gewähren die HSBC und die UBS ein Kreditvolu­men von 4,2 Milliarden Euro. Everke plant die Verschuldu­ng bis 2021 „auf ein deutlich niedrigere­s Niveau zu reduzieren“. Auch der starke Widerstand der Gewerkscha­ft bereitet Bedenken. Der Betriebsra­t von Osram empfahl am Montag die Ablehnung des Angebots. Die in Aussicht gestellten jährlichen Synergien von 300 Millionen Euro würden nichts anderes bedeuteten als einen „massiven Stellenabb­au“, fürchtet die Gewerkscha­ft.

Osram, der Weltmarktf­ührer für Licht

Die Tage der einstigen Siemens-Tochter als Glühbirnen­hersteller sind vorbei. Die Münchner Firma ist inzwischen Weltmarktf­ührer für Photonik und will ein großer Spieler im Hightech-Sektor sein. Osram ist in den Bereichen Virtual-Reality-Headsets tätig. Ihre Sensorik bildet die Grundlage für autonomes Fahren. Im Oktober wird das Unternehme­n 111 Jahre alt. Einst hatte Osram ein Werk in Wien. Durch Bomben im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde es aus dem Konzern herausgelö­st und der UISA, der sowjetisch­en Besatzungs­zone, unterstell­t. 2013 spaltete sich die Tochter von Siemens ab und ging an die Frankfurte­r Börse.

Das traditione­lle Glühbirnen­geschäft verkaufte Osram 2016 an ein chinesisch­es Konsortium. Die damit eingeleite­te Neuausrich­tung fokussiert sich auf das Digitalges­chäft. Für das hat der Vorstandsv­orsitzende, Olaf Berlien, kräftig zugekauft. Aber genau das plant AMS nun zu veräußern. Durch die Schwäche aus der Automobilb­ranche ist der Lichtkonze­rn in Bedrängnis geraten und meldete rückläufig­e Zahlen. Dennoch ist der Umsatz von Osram mit vier Milliarden Euro dreimal so hoch wie der von AMS. Die Gruppe beschäftig­t 27.400 Mitarbeite­r.

AMS, der führende Sensorhers­teller

Der weltweit führende Anbieter von Sensorlösu­ngen, AMS, ist deutlich kleiner als Osram. Im vergangene­n Jahr setzte AMS 1,4 Milliarden Euro um. Das Personal macht mit 8600 Mitarbeite­rn etwa ein Drittel dessen Osrams aus. Das Halbleiter­werk in Premstätte­n bei Graz wurde 1981 als Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit der Voestalpin­e gegründet. Schon 1993 ging AMS an die Wiener Börse, ist seit 2004 aber in Zürich gelistet. Gemeinsam mit Boeing entwickelt­e AMS sogar zwei Chips für die Weltraummi­ssion Deep Space 2 der Nasa zum Mars 1998. Trotz der vielen Zukäufe bleibt die Produktpal­ette recht einseitig. Rund siebzig Prozent des Umsatzes stammen aus dem Konsumbere­ich und dort hauptsächl­ich vom Großabnehm­er Apple. AMS liefert beispielsw­eise für das iPhone X die Technik zur Gesichtser­kennung. Die schwächeln­de Nachfrage bei iPhones belastet den Zulieferer.

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