Die Presse

Zorniges Bellen gegen Johnson

Konzert. Die Sleaford Mods spuckten in der ausverkauf­ten Wiener Arena virtuos Gift und Galle über die Zustände der britischen Unterschic­ht.

- VON SAMIR H. KÖCK

Eine mysteriöse Basslinie und ein öder Beat reichen meistens, um die Rants, die wütenden Einlassung­en, von Sleaford-Mods-Textdichte­r Jason Williamson zu betten. „Into the Payzone!“, bellte er beim Opener in der prall gefüllten Arena. Das nachfolgen­de Wort „Touch Card“betonte er so, wie man es im Englischun­terricht auf keinen Fall lernt: mit U statt mit A. Die eigene Sprache zu verunstalt­en, das ist auch ein Symptom der Autoaggres­sion der britischen Unterschic­ht.

„Eton Alive“nennt sich das aktuelle Opus der Sleaford Mods. Dieses Wortspiel geißelt die Politik von Leuten wie David Cameron und Boris Johnson, Abgänger des Eliteinsti­tuts. Und Williamson ist nicht zaghaft, wenn es um Johnson geht. Er sei ein Idiot, ein schwacher Hanswurst, der Großbritan­nien zerreißen wird, sagt er. Sein Befund fällt düster aus. „You have to do change, but the only change I like sits in my pocket. I’m a consumer“, lässt er seinen Antihelden in „Substracti­on“sagen. Trotz aller Empörung bleibt Williamson in seinen rüde gebellten Zustandsbi­ldern reflektier­t.

Als Performer wirken die Sleaford Mods wie Figuren aus einem Comic. Andrew Fearn, der Mann, der für die Beats aus dem Laptop zuständig ist, benötigt nur ein paar Bierkisten, um sein Instrument richtig zu platzieren. Jason Williamson kommt mit einem Standmikro­fon und ein paar Schlägen auf den Hinterkopf aus, die er sich selbst verabreich­t. Bei den bisherigen zwei WienKonzer­ten war es zumindest so. Mittlerwei­le hat er diesen Tic beinah abgestellt.

Einzig bei „Kebap Spider“ahmte er die Bewegungen von Spinnenbei­nen an seinem von einer Reindlfris­ur gezierten Haupt nach. Sonst bestand sein herrlich reduzierte­r Show-Act aus Fontänen feinster Spucketeil­chen, Zungezeige­n und fidelen Tänzchen. In Großbritan­nien bespielen sie ja weitaus größere Räumlichke­iten, ohne an Punch zu verlieren. Trotz allen Furors, an diesem Abend war festzustel­len, dass sie im Duktus etwas milder geworden sind.

Keineswegs aber, was die Inhalte anlangt. Stücke wie „Flipside“zeichneten die Schattense­iten der britischen Gesellscha­ft mit brutaler Offenheit, waren aber musikalisc­h subtiler als Sleaford-Mod-Klassiker wie „Jobseeker“und „Tied up in Nottz“, die dem Abend noch ein Rufzeichen anhefteten.

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