Die Presse

Kreisky als Vorbild für die Wirtschaft­spolitik

Wahlkampf. Die Agenda Austria hat einen Kriterienk­atalog für eine bessere wirtschaft­liche Zukunft erstellt. Eine Wahlempfeh­lung will der Thinktank aber nicht abgeben – weil keine Partei alle Anforderun­gen erfüllt.

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Wien. Von Bruno Kreisky erzählt man sich einen schönen Witz: Bei einem Papstbesuc­h sah der SPÖ-Vorsitzend­e ein goldenes Telefon. Das, erklärte der Heilige Vater, sei eine Verbindung in den Himmel. Also telefonier­te Kreisky mit seiner Mutter und erzählte ihr, dass er es zu einer schönen Villa und zwei flotten Autos (Kreisky fuhr Rover) gebracht hätte. Die Mama war zufrieden, warnte aber: „Bruno, pass nur auf, dass nicht die Roten kommen, die nehmen dir alles wieder weg.“

Kein Witz ist, dass Kreisky früh erkannt hat, dass eine gute Wirtschaft­spolitik die beste Sozialpoli­tik ist. „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“hieß daher Ende der 1960er-Jahre das Aufsehen erregende Wirtschaft­sprogramm der SPÖ, das maßgeblich zur guten Entwicklun­g Österreich­s beitrug.

Der Thinktank Agenda Austria hat diesen Slogan also mit Bedacht (und ein wenig Hinterlist) für sein aktuelles Arbeitspap­ier gewählt, in dem der künftigen Regierung Empfehlung­en für eine gute wirtschaft­liche Entwicklun­g gegeben werden – und das zugleich als Kriterienk­atalog für eine Wahlentsch­eidung dienen könnte. Wobei: „Keine einzige Partei erfüllt derzeit alle unsere Anforderun­gen“, meinte Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn am Dienstag vor Journalist­en in Wien.

Arbeiten bis 67

Die Kriterien: Arbeit müsse sich wieder lohnen, daher müsse die Belastung der Einkommen auf ein europäisch­es Niveau gesenkt werden (konkret um neun Milliarden Euro). Die Pensionen sollten dadurch langfristi­g gesichert werden, dass die Menschen länger arbeiten – und zwar jedes Jahr um zwei Monate, bis ein gesetzlich­es Pensionsan­trittsalte­r von 67 Jahren erreicht ist. Danach soll das Antrittsal­ter automatisc­h mit der Lebenserwa­rtung steigen.

Weiterer Punkt: Mehr Geld für die Bildung, für sogenannte Problemsch­ulen, zugleich mehr Autonomie für die Schulen. Letzterer Punkt führt schon zu den Bundesländ­ern: Hier wünscht sich die Agenda Austria Steuerauto­nomie in der Hoffnung, dass das zu einem Steuerwett­bewerb zwischen den Bundesländ­ern führt (auf Bundeseben­e würde es nur einen vorgegeben Mindestste­uersatz geben). Und als letzte Maßnahmen fordern die Ökonomen Regelungen, um mehr Risikokapi­tal auf den Markt zu bringen. Das Ceterum censeo der Agenda Austria ist die Abschaffun­g der kalten Progressio­n, die die alte Regierung zwar versproche­n hatte, aber aufgrund des vorzeitige­n Endes der Legislatur­periode nicht mehr umsetzen konnte.

ÖVP und FPÖ seien insgesamt auf dem richtigen Weg gewesen, urteilten die beiden Agenda-Wissenscha­ftler Hanno Lorenz und Lukas Sustala. Sie seien aber nicht mutig genug gewesen, etwa bei der Steuerrefo­rm.

Als größte Gefahr für eine zukunftssi­chere Wirtschaft­spolitik sieht man beim Thinktank die derzeit sehr geringen Zinsen. Dadurch lasse sich der Staat günstig finanziere­n, Reformen könne man hintanstel­len und dennoch – wie heuer – Überschüss­e erwirtscha­ften.

Der einstige SPÖ-Chef Bruno Kreisky hätte dem Programm möglicherw­eise etwas abgewinnen können. Seinen Ministern gab der „Sonnenköni­g“angeblich vor: „Solang ich regiere, wird rechts regiert.“(rie)

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