Die Presse

Der „Citoyen“und der missliebig­e Kanzler

Alfred J. Noll hatte wieder einmal eine seltsame politische Idee.

- VON OLIVER PINK oliver.pink@diepresse.com

Alfred J. Noll ist offensicht­lich langweilig. Oder es bereitet ihm größtes Unbehagen, dass Sebastian Kurz wieder Kanzler sein könnte. All dies führt dann zu einem eher seltsamen Demokratie­verständni­s. Schon zum zweiten Mal versucht er nun, dem Wähler das Heft aus der Hand zu nehmen. Zuerst wollte er die Neuwahl verhindern, um Sebastian Kurz zu verhindern, indem er vorschlug, dass die anderen Parteien einfach ohne ihn weitermach­en könnten. Das ist zwar rechtlich und politisch möglich – wie dann später auch die Ausbootung von Matteo Salvini in Italien zeigte –, aber so ganz dem Wählerwill­en hätte es wohl nicht entsproche­n, wenn nach Ibiza einfach eine rot-blaue Regierung weitergema­cht hätte.

Nun wurde es noch ein wenig schräger: Wer per Misstrauen­santrag abgewählt wurde, soll nicht mehr unmittelba­r auf die Regierungs­bank zurückkehr­en dürfen, schlug Noll vor. Und dehnte dies auch noch auf die folgenden sechs Monate aus. Das hätte zur Folge, dass Koalitions­verhandlun­gen entspreche­nd hinausgezö­gert würden. Oder dass im konkreten Fall einer, der voraussich­tlich die Wahl gewinnt, nicht umgehend Kanzler werden darf. Eine Lex Kurz sozusagen.

Auch das kann man rein rechtlich so machen. Und vielleicht – oder sogar ziemlich sicher – bereitet es Noll große Freude, die Möglichkei­t eines solchen juristisch­en Kniffs ausgeheckt zu haben. Realpoliti­sch ist es freilich Nonsens und riecht nach Revanchism­us: Ein Kanzler, der einem nicht passt, soll mit fragwürdig­en Methoden verhindert werden.

Vor allem aber: Die Verfassung ist kein Spiel, deren Regeln man leichtfert­ig je nach polit-taktischen Vorlieben ändert. Noch dazu, da auch der Misstrauen­santrag gegen die Regierung Kurz an sich ein solches taktisches Manöver war.

Verhaltens­originalit­ät gepaart mit Sebastian-Kurz-Aversion – das bleibt vom „Citoyen“(© „Der Falter“) Alfred J. Noll als Parlaments­abgeordnet­en.

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